1899Ost schrieb:Im Übrigen deutet doch extrem viel daraufhin, dass es sich bei dem Verwandten um den Vater handelt, oder? Der Verwandte wird ja als etwa gleich alt dem Täter dargestellt, also etwa 1950 geboren. Die Person wäre heute 75 Jahre alt, womit es plausibel scheint, dass sie vor ein paar Jahren im Sterbebett lag. Außerdem sorgte sich der Verwandte um eine Bedrohung aus dem Arbeitsumfeld, als der Verfasser oder die Verfasserin ein Grundschulkind war – als ich in der Grundschule war, war die Generation darüber bereits in Rente, muss natürlich nicht überall so sein. Der Verwandte "unterrichtete und instruierte" wie ein Erziehungsberechtigter. Und offenbar gab es ein Einzelgespräch am Sterbebett, was für eine sehr enge Beziehung spricht.
Ich hätte eher an einen Onkel gedacht, weil mehrfach von der Verlobten und späteren Ehefrau dieses Verwandten sowie dessen noch lebenden Kindern die Rede ist. Diese Verlobte/Ehefrau wäre ja dann die Mutter des Schreibers, dessen Kinder der Schreiber selbst und dessen Geschwister. Diese Beschreibung der Verlobten und späteren Ehefrau und der Kinder klingt aber irgendwie distanzierter, als wenn der Schreiber über seine eigene Mutter schreiben würde.
Auch die Story, dass der Verwandte dem Schreiber in seiner Kindheit den Schlagstock gezeigt hat, klingt für mich eher so, als sei das bei einem Besuch im Haus des Verwandten gewesen und nicht als sei dem Schreiber als Kind bewusst gewesen, dass im eigenen Haus/der eigenen Wohnung ein Stock ein Schlagstock neben der Haustür liegt. Eher halt so zwei- dreimal gezeigt bekommen als jeden Tag mehrmals dran vorbei gegangen. Auch die Bedrohung der Familie des Verwandten scheint ihm eher anekdotisch bekannt zu sein (halt aus der Andeutung des Verwandten) als dass er sie selber als Kind ständig gespürt hat.
Ich hatte eher an einen Onkel gedacht. Finde es dann aber unlogisch, dass der die Lebensbeichte mit eingefordertem Versprechen beim Neffen/der Nichte ablegen sollte, als bei einem der eigenen Kinder.
Aber wie gesagt, ich halte den Verwandten und die ganze Story eh für eine Erfindung und glaube, dass es der Täter selbst war, der den Brief geschrieben hat. Er hat sich halt einen Onkel (oder einen anderen Verwandten) beim Schreiben vorgestellt.
Dancingfool schrieb:Für mich ist der Brief ein Fake, es hat hier jemand Angst, daß er als Rentner in den Knast muß.
Genau meine Meinung. Er ist aufgescheucht durch die Info, dass in NRW die Cold Cases alle noch mal von einer Spezialeinheit angeschaut werden sollen, worüber auch mehrfach berichtet wird. In dem Zusammenhang wird auch mehrmals erwähnt, dass man in vielen Fällen hofft, über DNA, die damals noch nicht analysiert werden konnte, den Täter ermitteln zu können. Deshalb fragt er in dem Brief zweimal, ob die Polizei Täter-DNA hat und verlangt, dass ihm diese Info über XY mitgeteilt werden soll. Mit der Ausrede, er wolle keinen falschen Verdächtigen und die Tatsache, dass die Polizei DNA hat würde ihm die Sicherheit geben, dass man, wenn er einen Namen mitteilt, diese Person ausschließen könnte, wenn der Verdacht falsch ist.
In Wirklichkeit will er wissen, wie nahe man ihm auf den Fersen ist.
brigittsche schrieb:Nur um den Brief weiterzugeben (also vom ZDF an die Polizei oder wen auch immer) macht dieses mehrfache Kopieren keinen Sinn. Da scannt man einfach ein und schickt die Datei weiter.
Zumal man die Polizei ganz sicher das Original haben will, weil sie den Brief natürlich spurentechnisch analysieren will.
JamesRockford schrieb:Ich weiß nicht, wie es Dir geht, aber ich werde bei einer Unglaubwürdigkeit sehr hellhörig und suche nach weiteren. Ich halte es für ziemlich dumm, eine solche Geschichte mit dem Sterbebett zu erfinden. Darüber hinaus empfinde ich es als eine absolute Zumutung, auf dem Sterbebett einem Verwandten eine solche Geschichte zu erzählen. Am Sterbebett sind ja üblicherweise nur die engsten Verwandten. Wenn der Sterbende sein Gewissen hätte erleichtern wollen, hätte er das im Vorfeld in Form eines Briefes tun können, den er zusammen mit dem Testament hinterlegt, mit der Bitte, diesen Brief an die Polizei zu schicken. Und wenn der Sterbende dem Verwandten diese Geschichte erzählt mit der Bitte, zur Klärung des Mordfalls beizutragen, hätte der Verwandte das gleich tun können und müssen. So aber wurde alles in den Nebel von möglicherweise vielen Jahren gepackt, um eine Rückverfolgung zu erschweren.
Wobei ich "Sterbebett" durchaus als zeitlich recht dehnbaren Begriff sehe. Spontan denkt man da zwar an die letzen Minuten, der Besucher hält die Hand des Sterbenden, der im Bett liegt und seine Beichte ablegt, ihm das Versprechen abnimmt, zur Aufklärung beizutragen, dann die Augen schließt, noch mal tief durchatmet und dahin atmet.
Unter "auf dem Sterbebett" kann man im Übertragenen Sinn auch einen letzten Besuch ein paar Tage vor dem Tod des Angehörigen verstehen, der vielleicht schon bettlägerig ist (sonst würde man sicher eher von einem esuch "kurz vor seinem Tod" sprechen), aber eben nicht unbedingt gerade akut am Versterben ist (also innerhalb von Minuten in Gegenwart des Besuchers).