Zarastro schrieb:Danke für die Antwort. In Fällen wie diesen, bei denen eine Verurteilung sehr wahrscheinlich ist, würdest du deinem Mandanten zu einem Geständnis raten, selbst wenn dieser auf seiner Unschuld beharrt? Sprich, man sagt dem Mandanten "Ich weiß, Sie beharren auf ihrer Unschuld, aber ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass eine Verurteilung sehr wahrscheinlich ist und ihnen dann eine lebenslange Freiheitsstrafe mit besonderer Schwere der Schuld droht. Eventuell könnten wir aber letzteres vermeiden wenn Sie vor Gericht die Tat einräumen usw." Also dass man zumindest die verschiedenen Optionen einmal durchgeht, oder würde man dadurch Gefahr laufen, jemandem zu einem falschen Geständnis zu bewegen?
Das kann man pauschal so nicht sagen. Ich war in meinen Beispielen ja auch von einem Mandanten ausgegangen, der zumindest mir gegenüber eingeräumt hat, dass er schuldig ist. Ganz anders stellt sich ein Fall dar, wo der Mandant generell und vehement allen gegenüber beteuert, er sei unschuldig. Ich hatte schon solche Fälle und die sind es, die an die Grenzen des Juristenmenschen möglichen gehen. Zum Glück waren wir auch ab und zu erfolgreich. Generell aber ist es richtig, ich überlasse die Entscheidung, wie wir vorgehen immer dem Mandanten, nachdem ich alle möglichen Wege und ihre Vor- und Nachteile dargelegt hat. Das ist freilich ganz wichtig.
Die Sache mit Geständnissen ist sehr kompliziert und beschäftig Juristen schon lange. In den USA z.B. gibt es den Alford-plea, das ist, wenn ein Angeklagter sich schuldig bekennt, obwohl er eigentlich der Meinung ist, unschuldig zu sein, aber das Risiko einer harten Verurteilung nicht auf sich nehmen will und lieber einem deal zustimmt, in dem es zwar eine Strafe gibt, die aber weitaus geringer ist, als die, welche nach einer Verhandlung herauskommen könnte. Hier ist fraglich, ob das noch den gemeinen Vorstellung von Gerechtigkeit entspricht oder nicht. Darüber könnte man noch lange diskutieren, ist hier aber wohl OT.
monstra schrieb:"Was nicht sein darf, das ist nicht", ist nun mal empirisch unhaltbar. Ich habe das erläutert, will hier aber auch keine Perlen vor die Säue werfen.
Ja, ich habe auch immer wieder das Gefühl, dass in Hinsicht auf die deutschen Gerichte, Ermittlungsbeamten und Staatsanwälte hier eine unangemessene Idealisierung stattfindet. Ich kann das nachvollziehen, denn freilich steht dahinter der Wunsch, dass in einem so heiklen Punkt wie dem der Strafjustiz immer alles ganz korrekt zugeht, aber leider sind es auch nur Menschen, die in dieser handeln, und die haben ihre Schwächen. Ich denke Praktiker geben das, aus eigener Erfahrung, eher zu, als die Laien, die das Ganze nur von aussen beobachten.
In dem Sinne verweise ich hier auf einen Artikel, der zum Thema passt. Ich bin keineswegs immer einer Meinung mit Herrn Fischer, aber unbestritten ist, dass er das System von innen kennt. Daher ist sein Artikel auch zumindest nachdenkenswert. Jener Amtsrichter, der darin vorkommt, bewegt sich auch innerhalb des gesetzlichen Rahmens, der offensichtlich eben durchaus weiten Bewegungsspielraum lässt.
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/knallhart-richter-johann-krieten-gegen-rapper-gzuz-strafen-fuers-schlichte-gemuet-a-1b782f77-c70d-40b7-a129-772ec11a241fUnd da sind ja auch noch die Fälle, in welchen man wirklich zweifeln darf:
Milverton schrieb:Naja, ich denke da gibt es durchaus Ausnahmen.
Was ist z.B. mit dem "Badewannenmord" (Genditzki/Kortüm), bei dem der Angeklagte beweisen konnte, dass es kein finanzielles Motiv gab, die Staatsanwaltschaft dann auf einen angeblichen Streit umschwenkte, für den es keinerlei Zeugen gab?
Ich hätte hier als Angeklagter und (womöglich) Unschuldiger wirklich Angst vor dem Belastungseifer der Institution, was könnte man da ( @Rick_Blaine ) noch machen?
Tja. Ich bin der Meinung, es handelt sich hier um einen Unschuldigen, der verurteilt wurde. Unser System gibt ihm nur noch eine geringe Chance, durch ein Wiederaufnahmeverfahren doch noch Gerechtigkeit zu erfahren. Natürlich sollte er es unter allen Umständen begehren. Dazu gibt es ja mehr im jeweiligen Thread.
Wie dem auch alles sei, in unserem Fall hier denke ich, das Urteil gegen CF entspricht dem, was wir mehrheitlich als "gerecht" ansehen und empfinden. Und auch aus fachlicher Sicht sehe ich keine Probleme.