Ich hab mir mal wieder ein paar Gedanken gemacht, aber es ist ein bisschen schwierig, wo ich anfangen soll...
Am besten mit den Prämissen für die folgenden Überlegungen:
1. Es war kein Raubmord. An ein gewöhnliches Raubmotiv kann ich einfach nicht recht glauben. Der Fall ist einfach in vielerlei Hinsicht so abnormal und obskur (man denke nur an die Kleidung des mutmaßlichen Täters), dass der Gedanke naheliegt, dass auch das Motiv nicht ganz alltäglich war. Das so ganz allgemein betrachtet. Es gibt aber auch konkrete Indizien dafür, dass Raub nicht das (Haupt-)motiv war: Der Blonde nahm anscheinend nicht alle Wertgegenstände mit (so interpretiere ich jedenfalls die Aussage von Profiler Horn "ein WENIG habe er mitgenommen). Er investierte große Summen in die Rückfahrt. Und er warf sogar Geld weg!! Welcher Räuber tut so etwas? Und noch ein Punkt: Ein Straftäter, dem es ums Beutemachen geht, nimmt eine Tasche mit (z.B. einen Rucksack), um die Beute auch verstauen und abtransportieren zu können. Der Blonde hingegen hatte gar nichts dabei, im Taxi jedenfalls nicht und auch im Wald bei Altenfurt hat man zwar alles Mögliche gefunden, aber eben auch kein Behältnis.
2. Die Geige spielte auch keine Rolle. Hierzu hat
@mattschwarz das Nötige gesagt. Eine wertvolle Geige setzt man nicht den Strapazen einer wochenlangen Fahrt im Auto aus (Temperaturwechsel und so) und geht auch nicht das Risiko ein, dass das Auto aufgebrochen wird, wenn man auf einer Wanderung oder beim Stadtbummel oder dergleichen ist. Selbst wenn die Langendonks erst während ihrer Urlaubsreise den wahren immensen Wert ihres Instruments erfahren hätten (z.B. in Mittenwald), wären sie nicht so unvorsichtig gewesen, es weiterhin durch die Gegend zu fahren. Sie hätten es dann in ein Schließfach oder so eingesperrt. Und dass der Täter die Geige gar nicht mitnahm, ist dann fast nur noch eine Randnotiz.
3. Das Fahrtziel der Langendonks, die ominöse Geigenausstellung, spielt vermutlich auch keine Rolle. Zumindest die Polizei scheint das so zu sehen, ansonsten wäre nicht erklärlich, dass diese Veranstaltung nie erwähnt und nie nach ihr gefragt wurde. Da hat
@Hercule-Poirot vollkommen Recht. Vielleicht hat die Polizei tatsächlich eine Vermutung, welches Ziel die Langendonks angestrebt haben, betrachtet es allerdings als völlig irrelevant, weil sie es eben nie erreicht haben. Bedeutsam aus dem Telefonat in Siegsdorf scheint mir aber zu sein, dass sie Richtung Chiemsee fahren wollten. Und das taten sie ja auch. Das ist ein sehr sicherer Hinweis darauf, dass sie nicht gekidnappt waren oder so, sie waren auch in bester Stimmung. Und auch einer weiteren Überlegung von
@Hercule-Poirot stimme ich zu:
Hercule-Poirot schrieb am 26.05.2020:Falls jemand einen besseren Rastplatz auf dieser Strecke findet kann er gerne einen Screenshot davon hier posten.
Hat bisher keiner getan, nicht wahr? Tatsächlich ist es so, dass schattige Plätze auf der Fahrtstrecke rar gesät sind. Sicherlich ist der Feldweg schwer erkennbar, aber wer geradezu danach sucht, auch durch Blick in den Rückspiegel, wird ihn sicher entdecken. Notfalls muss man halt wenden, aber dafür gibt es ja ein Lenkrad, oder? Und tatsächlich ist ein nachmittäglicher Aufenthalt am schattigen Waldrad angenehmer als auf einem Campingplatz, wo es selten ausreichend Schatten gibt.
4. Die Fahrt nach Nürnberg diente allein der Tatortverschleierung. Jegliche Überlegungen, der Blonde wollte irgendein Ziel erreichen oder das Wohnmobil klauen, halte ich für abwegig. Man könnte mehrere Gegenargumente anführen, ich brauche nur eines: Er hätte bei solchen Absichten nicht die Leichen mitgenommen!!! Wozu brauchte er die denn? Zur Gesellschaft auf der langen Fahrt?? Das ist doch Quark. Er hätte die Leichen im Hölzl liegenlassen, vielleicht ein bisschen ins Unterholz geschleppt. Stattdessen unterzog er sich der Mühe, die schweren, blutverschmierten Körper ins Wohnmobil zu wuchten, um sie bei einem Treffen mit einem Kumpanen in Nürnberg dabeizuhaben?
Unsinn.
Soweit zu den Prämissen. Jetzt zu meinem eigentlichen Punkt. Die Vernichtung des Fotofilms habe ich immer als einen möglichen Schlüssel zu dem Fall betrachtet. Man müsste nur das Schloss dazu finden...
Denn man stelle sich vor: Der Blonde ist in höchster Panik, als er wenige hundert Meter vom brennenden Wohnmobil entfernt ist und schon zahllose Einsatzfahrzeuge an ihm vorbeirauschen. Das kann gar nicht anders sein. Und es gibt auch konkrete Indizien dafür: Er wirft panisch alles Mögliche weg, auch mögliche Beute, sogar Geldscheine. Viel Zeit hat er auch nicht. Um so bemerkenswerter ist unter diesen Umständen, dass er an etwas zunächst scheinbar Nebensächliches denkt: Die Entfernung des Films aus der Kamera und dessen Zerstörung. Das raubt ja auch Zeit, Zeit, die er eigentlich nicht hatte: Die Kamera war ihm fremd, die muss man erst einmal aufkriegen in völliger Dunkelheit. Da stellt sich doch die Frage: Warum gab er sich dennoch diese Mühe? Warum nahm er sich die Zeit, obwohl er großer Hektik war? Warum war ihm die Vernichtung des Films so unglaublich wichtig? Dafür muss es einen verdammt guten Grund geben. Ganz unabhängig davon übrigens, wie hoch wir die Professionalität oder die Intelligenz oder die Rationalität des Blonden auch immer einstufen...
Es gibt meines Erachtens zwei Erklärungsmöglichkeiten. Ich habe bislang meist die erste, nämlich diese hier, bevorzugt: Der Täter wollte vom Hölzl, ja vom ganzen Chiemgau ablenken, deshalb fuhr er das Wohnmobil so weit wie möglich raus aus seinem Aktionsbereich. Urlaubsfotos vom Chiemsee hätten diese Absicht konterkariert.
Aber ist das wirklich eine ausreichende Erklärung? Ist das wirklich das, woran ein Täter in so einer stressigen Situation wirklich denkt? Dass ein Foto von Herrenchiemsee oder von einem Gipfel des Voralpenlands die Polizei allmählich auf die richtige Spur bringen KÖNNTE?
Ich zweifle mittlerweile etwas daran.
Deshalb muss man die andere Möglichkeit in Betracht ziehen: Er wusste (oder befürchtete zumindest), dass auf den Fotos er persönlich abgebildet ist! Oder zumindest seine kriminellen Aktivitäten abgelichtet sind. Bei einer solchen Befürchtung hätte er allerdings ausreichend Grund genug gehabt, den Fim zu vernichten und sich die Zeit dafür zu nehmen. Da müsste man dann nicht mehr lange nach dem Grund fragen. Und ich neige mittlerweile zu der Ansicht, dass es so war...
Leider sind mir die weiteren Folgerungen noch unklar. Wie gesagt, ich glaube nicht recht daran, dass die Langendonks mit dem Täter am Waldrand verabredet waren (ich schwanke manchmal ein bisschen, aber momentan glaube ich es jedenfalls nicht). Was könnte dann geschehen sein und wie könnte der Typ auf den Film gekommen sein.
Ich weiß es nicht. Aber
@Onkel_Eduard hatte neulich eine Idee, die mir im Wesentlichen sehr gut gefallen hat:
Onkel_Eduard schrieb am 10.06.2020:Mal angenommen, es wäre tatsächlich so, dass das WoMo um 15 Uhr da stand, um 17:30 Uhr getankt wurde und um 18 Uhr wieder da stand. Dann könnte die Geschichte auch so abgelaufen sein.
15:00 Uhr Ankunft im Hölzl, die Langendonks noch unter sich.
17:00 Uhr steigen die Langendonks ins WoMo und fahren nach der Kaffeepause los.
17:30 Uhr Halt an der Tankstelle. Herr Langendonk zu Frau Langendonk: "So ein Mist! Wir haben die Einstiegshilfe in dem Wäldchen liegen gelassen!"
18:00 Uhr Rückkehr zum Hölzl, um die Einstiegshilfe zu suchen. Dabei zufälliges Zusammentreffen mit dem Täter.
Ist nicht meine favorisierte Variante, wäre aber eine Möglichkeit, die im Raum stehenden Aussagen unter einen Hut zu bringen.
Wir haben ja schon seit Jahren darüber spekuliert, dass die Langendonks den Täter bei einer illegalen Aktivität überrascht haben könnten und deshalb sterben mussten. Zum Beispiel beim Öffnen eines Depots im Wald oder so.
@Hercule-Poirot und meine Wenigkeit waren lange Zeit Anhänger dieser Hypothese. Waffendepot, Drogendepot etc. gibt es ziemlich viele. Erst unlängst habe ich einen Artikel über die zahlreichen Waffendepots der RAF gelesen. Auch gewöhnliche Kriminelle dürften über solche Depots verfügen. Und das Hölzl eignet sich auch dafür, nicht allzu weit von der Autobahn, von der Grenze, noch dazu mit aufgelassener Mülldeponie und Kiesgrube ausreichend hässlich, so dass störende Wanderer nicht zu befürchten sind.
Das Problem war nur immer, dass unklar war, wie die Langendonks den Täter bei irgendwas überraschen konnten. Sie und ihr Wohnmobil waren ja nun wirklich von Weitem sichtbar, ein Täter hätte also gewarnt sein müssen.
Und hier kommt jetzt die Idee von
@Onkel_Eduard ins Spiel: Die Langendonks verließen nach sagen wir 2 Stunden Campierens das Hölzl, der Täter hielt die Luft für rein und begann seine illegalen Aktivitäten.
Aber dann fiel den Langendonks ein, dass sie am Hölzl was Wichtiges vergessen hatten! Vielleicht wirklich die Einstiegshilfe. Oder sonst war. Wenn man sich für mehrere Stunden wo häuslich niederlässt, kann man schon dies und das vergessen.
Ja, und dann überraschten sie den Täter wirklich. Vielleicht hatte der Täter das Szenario schon länger beobachtet, war ohnehin schon genervt, dass die Holländer ihn von seinen Aktivitäten abhielten. Diese nervtötende Warterei könnte einerseits zu einer gewissen Unvorsichtigkeit geführt haben, andererseits zu dem großen Frust und der Wut, der dann bei der allzu brutalen Tötung ihr Ventil gefunden hat.
Was hat das jetzt mit den Fotos zu tun? Nun, entweder befürchtete der Täter, dass die Langendonks während ihres Picknicks den Tatort fotografiert haben, wo sich noch Spuren von ihm befanden. Oder sie machten tatsächlich ein Foto bei ihrer Rückkehr, weil sie etwas Verdächtiges gesehen haben.