jaska schrieb:. Die Suggestion an sich
Einem Geistig Behinderten eine lange, detailreiche Geschichte zu suggerieren, kostet unglaublich viel Zeit. Man muss diese Geschichte über viele Male überzeugend wiederholen, damit der Suggerierte diese Variante verinnerlicht und seine eigenen Erinnerungen quasi überschreibt. Das ist nämlich das Ziel der Suggestion: neue Wahrheiten zu schaffen.
Nehmen wir also an, es habe zahlreiche "Gespräche" mit Ulvi K. gegeben, innerhalb denen ihm nach und nach die gewünschte Wahrheit suggeriert wurde (wer hätte das machen wollen und wer hätte davon profitiert?), dann bliebe Haken 2:
Schade, dass Du hier die neuesten Erkenntnisse der PK einfach nicht wahrhaben willst.
Nachdem laut dem 2. Strafgericht Kröber ausfolgendem Grund an seiner Einschätzung festhielt, ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen:
Der Sachverständige geht jedoch weiterhin von der Glaubwürdigkeit des Geständnisses aus, da die Schilderung des Angeklagten einen kontinuierlichen, lückenlosen Ablauf über eine längere räumliche und zeitliche Strecke darstellt.
Quelle:
https://www.kurier.de/inhalt.richter-michael-ecksteins-begruendung-im-wortlaut-fall-peggy-das-urteil.20e359f8-b3fa-46bb-aaa0-31411e513ad6.htmlDiese Zeilen brachte mich in Erinnerung, wie die „Geständnisse“ von UK zustande kamen. Das hat Kröber sichtlich in keiner Weise berücksichtigt, sonst hätte er das nie so ausgesagt. Daher dürfte für das Gericht diese Aussage von Kröber schon fast offensichtlich fehlerhaft gewesen sein, entsprechend sprach das Gericht auch UK frei.
Nein, Suggestion war es nicht. UK sah sich genötigt – aus welchem Grund auch immer – die Szene entweder nachzuspielen (falls er doch der Täter war) oder neu zu erfinden. So ähnlich wie es von den Fällen Rupp und Pascal Zimmer kennt. Im Fall Rupp weiß man, dass bei dieser "Rekonstruktion" größtmöglicher Unsinn rausgekommen war (gekochter Kopf von Bauer Rupp etc.). Der Fall Pascal Zimmer ist ungeklärt.
Geholfen bei dieser möglichen Erfindung hat ihn genau diese "Rekonstruktion". Weg, Zeit und die Kontinuität waren dadurch gegeben.
UK hat eine für sich selbst scheinbar glaubwürdige Version abgeliefert. Teilweise wurde die vor Ort von den Ermittlern korrigiert, teilweise enthält diese Version– laut dem 2. Strafgericht (nach der Wiederaufnahme) - unrealistische Elemente (siehe obiger Anhang).
Ob da doch ein wahrer Kern hinter steckt, weiß man nicht. Für mich persönlich klingen die vielen UK-Version so, als hätte ein Kind die Szenarien erfunden mit kleinen Tendenzen - von den Erlebnissen her - eines Erwachsenen.
Und
@margaretha hat hier schon die geschätzten Zeiten mal tabellarisch aufgeführt, allein daran erkennt man, wie unglaubwürdig die Geständnisse allein schon aus diesem Grund sind.
Natürlich kann man sich fragen, wie das erfolgt ist. Aber das wird für immer ein Rätsel bleiben. Was genau UK getrieben hat hier entweder zu fantasieren oder vielleicht doch Bruchstücke der Wahrheit zu erzählen, wird man nicht mehr ermitteln können. Dazu hätte man lückenlose Aufzeichnungen benötigt, die jedoch nicht vorliegen. Sicher ist das alles schwer zu verstehen, aber das gilt hier genauso wie für den Fall Rupp.
Eigentlich kann man da nur für die Zukunft etwas draus lernen, Tatrekonstruktionen mit dem Verdächtigen vor Ort sind mit großen Gefahren verbunden, dass hier doch nicht die Wahrheit ans Tageslicht kommt, sondern nur erschwert wird, die Glaubwürdigkeit von Geständnissen/Erzählungen zu untersuchen.
So etwas erfolgt auch in der Regel nicht, die Aussagen/Geständnisse der Verdächtigen werden normalerweise protokolliert. Eine Ortsbegehung ist nicht die Regel. Es ist anzunehmen, dass man aus den Aussagen von UK nicht schlau wurde, daher wird man diese "Rekonstruktion" am gleichen Tag ohne vorherige ausreichende Protokollierung/Audiomitschnitt durchgeführt haben
jaska schrieb:2. Der Widerruf
Der Widerruf seiner Geständnisse erfolgte überraschend gegenüber Prof. Dr. Kröber. 6 Wochen nach dem letzten Geständnis, soweit ich das sehe. Jetzt ist die Frage: wie kam dieser Widerruf zustande? Und welche Wahrheit hatte Ulvi K. danach für sich zur Verfügung? Die erste, ursprüngliche? Wohl eher nicht, die kannte ja nur er. Gab es eine weitere Suggestion (wer, wann, wie, warum?) oder war es ein schlichter "Befehl", ab nun alles abzustreiten?
Da müsste man genau wissen, wie dieser Widerruf zustande kam. Vielleicht wurde sich durch Bemerkungen von Kröber UK der Folgen endlich bewusst. Wir wissen es nicht, auch die Gespräche mit Kröber hätte man aufzeichnen müssen. Späte Widerrufe sind in diesem Zusammenhang auch nicht unbekannt, das kennt man auch von den Fällen wie Rupp und Pascal Zimmer.
Und die Sache mit dem „Befehl“ ist eine reine Spekulation, die ich von Deinem Standpunkt zwar verstehe, die aber eine reine Spekulation bleibt.
Wenn es dazu Schilderungen von Kröber gab – die durchaus auch für uns interessant gewesen wären, wird der Aussagepsychologe diese wahrscheinlich mitberücksichtigt haben.
Ich hoffe aus diesen Fällen Rupp/Knobloch hat auch die bayrische Justiz dazugelernt, welche die Unbrauchbarkeit der Aussagen in diesen viel zu spät erkannt hatte (im Gegensatz zur saarländischen Justiz).
jaska schrieb:Übrigens sehe ich das Fazit des Gutachters, das hier zitiert wir mit "dass es auszuschließen ist, dass seinen Schilderungen auch nur annähernd eine hinreichende Zuverlässigkeit und Glaubhaftigkeit attestiert werden kann." auch in diesem Sinne. Die Aussagen boten keine derartige Konstanz, die nötig gewesen wäre, zweifelsfrei glaubhaft zu sein.
Das heisst aber eben mitnichten, dass sich darin nicht doch die Wahrheit verbirgt, wovon die Ermittler offenbar ausgehen.
Wovon die Ermittler ausgehen, das ist vollkommen egal. Sie mögen eine Version präferieren (die niemand kennt, die Du auch nur annimmst). Sollte in diesem Szenario UK eine Rolle spielen, was man menschlich durchaus nachvollziehen kann („Wir haben doch recht gehabt“), sind sie möglicherweise auf dem gleichen (Holz-)Weg wie die Soko 2. Dafür spricht natürlich auch dass dei Ermittler das abgehörte Gespräch zwischen UK und seinem Vater vorgespielt hatten, unter der Hoffnung etwas von der Glaubwürdigkeit zu erfahren, aus meiner Sicht ein vergebliches unterfangen, was letztlich auch durch das Resumee der PK bestätigt wird.
Unter dieser Annahme ist es dann gut, dass diese UK nicht nochmals befragen durften. Sich auf vermeintliche Ansichten der Ermittler zu beziehen, ist gerade bei diesen beschuldigten Personenkreisen, wie in den Fällen Rupp, Knobloch und Pascal Zimmer mit Vorsicht zu betrachten, denn sie (bzw. deren Kollegen) waren es, die ungeeignete Befragungsmethoden angewandt haben, die diese Fälle im Chaos haben enden lassen.
Und vor einem solchen Hintergrund sollte man vielleicht auch mal wieder die Unschuldsvermutung auch von UK wieder beherzigen und mal einfach loslassen.