So, das Störfeuer ist vorbei?
@lawine @LivingElvisDanke für Eure Anregungen.
Ich würde gerne mal durchspielen, wie der Ablauf der Ereignisse bzgl. der Geständnisse und des Widerrufs gewesen sein könnte. Der Beitrag wird lang, einfach überlesen, wen(n)s nicht interessiert
;)Ich fasse mal knapp aus den Zeitungsberichten oder den Foren zusammen, die mir zur Verfügung stehen:
Zur Person:Wir haben mit U. einen erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung, wegen der er als zurückgeblieben und minder-begabt bezeichnet wird, ausdrücklich auch auf das Sozialverhalten bezogen. Die Einschätzungen seiner Persönlichkeit durch Gutachter reichen von intelligent und vorausplanend bis hin zu einem nicht sehr ausgeprägten Unrechtsbewußtsein.
Von den meisten Bekannten und Nachbarn und von seiner Familie wurde U. als leichtgläubig, gutmütig und harmlos beschrieben. Und manipulierbar.
Ulvi ging gern feiern und trank regelmäßig und viel Alkohol. Er erzählte gerne Geschichten, übertrieb laut Aussage seiner Mutter "manchmal ein wenig" und stand gern im Mittelpunkt, war oft von Kindern umgeben. Er wußte seine Behinderung bzw. den damit verbundenen Sonderstatus zu seinem eigenen Vorteil auszunutzen, um sich Vergünstigungen zu verschaffen.
U.'s Leben war relativ frei, er konnte kommen und gehen wie er wollte, trampte gerne und vertrieb sich die Zeit in verschiedenen Kneipen und Gaststätten. Das impliziert, dass er auch finanziell die Möglichkeiten dazu hatte.
U. konnte einigermaßen gut lesen und schreiben, er konnte in der Gaststätte kassieren und war sichtlich stolz, als er auf eine vom Richter gestellte Frage richtig antwortete. U. habe es auch während des Prozesses genossen, im Mittelpunkt zu stehen.
Per se zeigte er keine pädophilen Neigungen, wies aber eine "ungesteuerte Triebhaftigkeit" auf und "benutzte jedes Objekt". Sein Wissen über Sexualität entsprach dem eines Zehnjährigen, der Tragweite seiner Taten war er sich nicht bewusst (was den sexuellen Missbrauch angeht). U. war sich nicht im Klaren darüber, dass er den Kindern Schaden zufügt, wenn er vor ihnen oder mit ihnen sexuelle Handlungen durchführte. Wohl aber war er sich darüber im Klaren, dass man andere Menschen nicht töten darf. Dass er auch zu einer normalen Sexualität fähig war, bezeugte seine ehemalige Freundin vor Gericht.
Gerüchten zufolge lernte er von Gleichaltrigen (?) in Kneipen eine Art Belohnungssystem kennen. Wenn er sich entblößte oder sich vor Publikum selbst befriedigte bekam er erstens vermeintlich Zustimmung durch Gelächter der Zuschauer und zweitens regelmäßig ein Bier spendiert. So ein System baute er selbst auf, als es um den Missbrauch an Kindern ging. Schokolade, Kekse oder Playstation spielen waren seine Angebote an die Kinder.
Spätestens ab 1996 verging sich U. an Kindern. Bei der Untersuchung der bekannt gewordenen Fälle stellte die Staatsanwaltschaft eine sich kontinuierlich steigernde Gewaltbereitschaft fest.
Soweit die Beschreibung seiner Person bis zur Festnahme. Stimmt das im Großen und Ganzen?
Diese Einleitung war notwendig, denn sie erlaubt ein differenzierteres Bild auf U., als es gemeinhin gezeichnet wird.
Nun geht es mir um die Suggestion bzw. Manipulation bzw. eine logische Erklärung für die Geständnisse und den späteren Widerruf.
Zeitlicher Ablauf:Wir haben:
- ab spätestens September 2001 mehrfach wiederholte und konstante Geständnisse bzgl. des Missbrauches verschiedener Kinder, u.a. auch an Peggy
- weitere Verhöre 2002; erstes Geständnis am 2. Juli 2002 nach einem eigentlich schon beendeten Verhör
- weitere Geständnisse folgen noch im Juli 2002 (mind. 4)
- Verhaftung im Oktober 2002 wegen des Mordes an Peggy
- Widerruf des Geständnisses im Oktober 2002 (den genauen Zeitpunkt des Widerrufs kenne ich nicht, erst im Oktober 2002 wird darauf Bezug genommen)
Phasen:Das bedeutet:
- 07.05.2001: Tattag/Verschwinden Peggys
- nach 4 Monaten Geständnis des sexuellen Missbrauchs an Peggy
- nach weiteren 10 Monaten mehrere Geständnisse des Mordes an Peggy
- nach weiteren 4 Monaten Festnahme und Widerruf der Geständnisse
Bis hierhin sollte es keine Streitpunkte geben, oder?
Nun ist die Frage, wie sich die jeweiligen Phasen und Umschwünge mit der Person U. und eventueller Beeinflussung von außen erklären lassen. Beide für Varianten beinhalten Beeinflussung, allerdings in jeweils anderem Ausmaß und durch einen anderen Personenkreis.
U. schuldigIm Fall, dass U. wirklich der Täter ist, scheint sich für mich alles logisch zu fügen.
In U.'s Vorgeschichte gab es etliche Fälle von sexuellen Handlungen vor/an Kindern, die für ihn keine wirklichen Konsequenzen hatten. Er hat nie gelernt, dass solche Vergehen strafbar sind und inakzeptabel. Die vertrauensselige Umgebung schaffte die Freiräume (durch Geld, Wegschauen, fehlende Überwachung, Verharmlosung), die er brauchte, um weiterzumachen. Seine Taten verändern sich mit der Zeit und steigern sich bis hin zu einer Vergewaltigung bzw. einem versuchten Geschlechtsverkehr mit Peggy. Er bereitet die Taten vor, sucht sich seine Opfer gezielt bei Kindern aus und besorgt Kekse etc., um ein Lockmittel zu haben. Ein schlechtes Gewissen hat er dabei nicht, für ihn ist es eher eine Art Geschäft, das ihm Befriedigung verschafft. Peggy soll nach der Vergewaltigung geweint haben, was U. dann vielleicht erstmals als Zeichen verstand, dass etwas nicht in Ordnung war. Seine Entschuldigung 4 Tage später läuft aus dem Ruder und endet mit einem Mord.
U. wird im Herbst 2001 oberflächlich als Verdächtiger abgeklopft, sein Alibi durch Familie und Nachbarn zeigt sich für die Ermittler als wasserdicht und er wird von der Verdächtigenliste gestrichen, vielleicht vorschnell, weil er allgemein als harmlos gilt. Wahrscheinlich haben sich die Ermittler gar nicht ausführlich mit ihm beschäftigt, weil er ihnen im Gespräch zu langsam war und der Gedanke undenkbar, dass ausgerechnet er zu einem Mord fähig wäre. Mittlerweile werden nicht nur die Leiche entsorgt, sondern auch das 2001er Schuhwerk von U. sowie die bis 2001 im Auto befindliche grüne Decke und Peggys nie wieder aufgetauchte Gegenstände.
Erst 2002, als durch die neue SoKo sämtliche Spuren nochmal einzeln untersucht und überprüft werden, gerät U. wieder in den Fokus. Nach einigen Verhören entscheidet er in sich einer relativ stressfreien Situation (auf dem Parkplatz im Begriff, nach Hause gefahren zu werden) zu gestehen. Er kramt in seiner Erinnerung, schmückt vielleicht hier und da aus. Es gefällt ihm, im Mittelpunkt zu stehen und er rekonstruiert mehrfach die Tat. Die Details und unnötigen Schnörkel, die er während der Geständnisse aufbringt, werden von psychologischen und medizinischen Gutachtern als so realistisch eingestuft, dass diese von "real Erlebtem" ausgehen und die Geständnisse als der Wahrheit entsprechend einstufen.
Bis hierher kann U. keine Gefahr für sich erahnen. Hat er doch nie ernsthafte Konsequenzen erfahren müssen. Die ausführlichen Geständnisse erkläre ich mir durch völliges Unrechtsbewußtsein, Naivität und seinen Hang, im Mittelpunkt stehen zu wollen. Dass selbst der Anwalt nicht mit schwerwiegenden Folgen für U. rechnete wird aus seinem Verhalten spätestens nach dem ersten Geständnis klar, warum sonst hätte er u.a. für seine Urlaubszeit ausdrücklich Vernehmungen ohne Rechtsbeistand erlauben sollen?
Dann kommt im Oktober 2002 die Festnahme U.'s und die öffentliche Präsentation seiner Person als der Tatverdächtige in einem nun Mordfall Peggy Knobloch. Ab dann kann man nicht mehr ignorieren, dass die Staatsanwaltschaft Ernst macht und sich anschickt, einen geistig Behinderten vor Gericht zu stellen und eine lebenslange Freiheitsstrafe anzustreben. Also was tun? Mund verbieten. "Du hast doch Peggy gar nicht getötet, sag so etwas nie wieder, egal was passiert". Sehr einfache Anweisung, leicht umzusetzen. Und U. gehorcht. Denn ohne Geständnis würde das ein Indizienprozess werden und das wäre die einzige Chance für U. , unbeschadet herauszukommen.
U. unschuldigIm entgegengesetzten Fall, wenn man von der Unschuld U.'s überzeugt ist, ergeben sich für mich Logikfehler. Ich versuche mein Bestes und erwarte wirklich Hilfe von den Vertretern dieser Variante.
U. ist unschuldig am Mord von Peggy. Er hat nie Kinder vergewaltigt oder auch nur angefasst, seiner Vergehen beschränken sich auf exhibitionistische Handlungen vor Kindern.
Nach dem Verschwinden von Peggy wird U. aufgrund von Hinweisen von Peggys Mutter und seiner Vorgeschichte überprüft. Die Polizei muss den Verdacht gegen ihn fallen lassen, weil er ein wasserdichtes Alibi aufweisen kann. Im Herbst gesteht er die real passierten sexuellen Handlungen vor Kindern, sein Alibi bzgl. des Verschwindens von Peggy ist immer noch lückenlos. Die neue SoKo vernimmt ihn 2002 erneut, weil sie alle Spuren nochmals überprüft. Für sie ist U. ein leichtes Opfer, der eine Erfolgsgarantie bietet. Sie wollen ihn unbedingt überführen und ermitteln nicht mehr objektiv. Der wirkliche Täter ist egal, ein schneller Erfolg muss her. Die Ermittler beeinflussen Zeugen, unterschlagen entlastende Aussagen und erschüttern so das bisherige Alibi. Sie üben Druck aus, u.a. indem sie U. Anhaftungen an seiner sichergestellten bewusst als Blut darstellen und U. so in Zugzwang bringen. Sie warten einen/mehrere günstige/n Augenblick/e ab, in dem U. ohne Rechtsbeistand ist und präsentieren ihm die zuvor durch einen Experten entworfene Variante der Tat. Das muss so oft wiederholt werden, dass U. zum Einen in der Lage ist, die ganze Geschichte annähernd fehlerfrei und gerichtsverwertbar zu erzählen und zum Anderen muss er sie so verinnerlichen, dass er sie mehrmals nachspielen kann. Den Rest ergänzt seine ausufernde Phantasie. U. ist aber immer klar, dass das nicht die Wahrheit ist. Er verbirgt sie bewusst bzw. sagt genau das, was die Ermittler hören wollen.
Nach seiner Verhaftung wird ihm irgendwie (?) klar, dass es eng für ihn wird und er besinnt sich auf die reine Wahrheit. Er widerruft die bisherigen Geständnisse und wird aber trotzdem wegen Mordes verurteilt.
Der letzte Teil ist zugegebenermaßen kurz und wie gesagt, kann ich dieser Variante nichts abgewinnen. Grund hierfür ist, dass Menschen mit Ulvis Krankheitsbild wie Liningelvis schon erklärt hatte, nicht einfach so zwischen Wahrheit und Fiktion umswitchen können. Vielmehr verinnerlichen sie die jeweils aktuelle Variante. Eine weitere Variante wäre dann erst wieder durch massive Manipulation möglich.
Auch in "meiner" Version gibt es eine Beeinflussung. Das ist ein feiner Unterschied. Hier gibt es mehr oder weniger einen knappen Befehl, den U. in jedem Fall verstanden hätte und zeitnah hätte umsetzen können. Das hätte den gewünschten sofortigen Widerruf zur Folge gehabt und ihm Zeit verschafft, diese Variante zu verinnerlichen.
Hierzu hätte ich gerne eine schlüssige und überzeugende Alternative.
Grüße