Blaubeeren schrieb:Die Staatsanwaltschaft ist der Ansicht, es sei Mord, das Verfahren wird wieder aufgenommen, der Richter sieht das anfänglich auch so, jedoch stellt sich während des Wiederaufnahmeprozesses heraus, dass es Totschlag war?
Sollte die Verjährungsfrist noch nicht verstrichen sein, kann der zuvor Freigesprochene nun im Rahmen des Wiederaufnahmeprozesses, bzw. unter Heranziehung des neuen Gesetzes, nun doch noch für Totschlag zur Rechenschaft gezogen/ bestraft werden?
Ich nehme an, du meinst hier den besonderen Fall, dass jemand wegen Totschlags angeklagt war, dann aber freigesprochen wurde. Und dass in diesem Fall nun die StA, während die Verjährungsfrist für den Totschlag noch läuft, der Freispruch aber rechtskräftig ist, neue Beweismittel findet, die auf Mord schließen lassen?
Oder meinst du den Fall, dass bei jemandem, der wie im Fall Möhlmann wegen Mordes angeklagt war, aber aus Mangel an Beweisen vom Mordvorwurf freigesprochen wurde, nach Rechtskraft des Freispruchs durch die StA neue Beweise für mutmaßlichen Mord gefunden werden? Egal, die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme sind in beiden Konstellationen die gleichen
Erst mal muss ja ein Wiederaufnahmegericht, welches NICHT dasselbe Gericht wie das, das später den wiederaufgenommenen Prozess führen würde, darüber entscheiden ob der Antrag der StA auf Wiederaufnahme des Verfahrens zulässig und begründet ist.
Das heißt, ein Gericht würde bereits in so einer Art Vorfeld prüfen, ob die StA genug neue Tasachen und Beweismittel gebracht hat, die allein oder mit den früheren Beweisen eine Wiederaufnahme rechtfertigen können. Im neuen Gesetzestext heißt es dazu explizit, dass diese neuen Tatsachen und Beweismittel DRINGENDE Gründe (also nicht bloß irgendwelche Gründe) für die Annahme bilden müssen, dass eine Verurteilung wegen der dort genannten Delikte erfolgen wird.
Folgende Nummer 5 wird angefügt:
„5. wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht werden, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen dringende Gründe dafür bilden, dass der freigesprochene Angeklagte wegen Mordes (§ 211 des Strafgesetzbuches), Völkermordes (§ 6 Absatz 1 des Völkerstrafgesetzbuches), des Verbrechens gegen die Menschlichkeit (§ 7 Absatz 1 Nummer 1 und 2 des Völkerstrafgesetzbuches) oder Kriegsverbrechens gegen eine Person (§ 8 Absatz 1 Nummer 1 des Völkerstrafgesetzbuches) verurteilt wird.“
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Das heißt also, dass die StA selber, bevor sie überhaupt beim Wiederaufnahmegericht einen Wiederaufnahmeantrag stellt, für sich prüfen muss, ob sie mit ihren neuen Tatsachen und Beweismitteln solche dringenden Gründe belegen und dem Wiederaufnahmegericht präsentieren kann.
Dann kommt das Wiederaufnahmegericht und prüft, ob das, was die StA hat, die Annahme solcher dringenden Gründe rechtfertigt. Tun die das nach Überzeugung des Wiederaufnahmegerichts nicht, wird der Antrag der StA auf Wiederaufnahme des Verfahrens abgewiesen. Dagegen kann die StA in Beschwerde gehen. Wird die Beschwerde abgewiesen, war es das für die StA.
Überzeugen die von der StA gebrachten dringenden Gründe aber das Wiederaufnahmegericht, gibt es dem Antrag der StA statt. Das heißt, das Wiederaufnahmegericht ordnet die Wiedereröffnung des Verfahrens an. Dieses wiedereröffnete Verfahren findet NICHT vor dem Wiederaufnahmegericht statt, sondern vor einer anderen Strafkammer.
Wenn nun diese andere Strafkammer im Rahmen des weitergeführten Strafprozesses zu dem Ergebnis kommt, dass keine Verurteilung wegen Mordes erfolgen kann, weil die Beweise nicht ausreichen, sondern allenfalls eine Verurteilung wegen Totschlags oder Körperverletzung mit Todesfolge in Betracht kommen würde, ist der Angeklagte erneut freizusprechen.
Denn aus dem Gesetz ergibt sich ja ganz ausdrücklich, dass im Rahmen des wiederaufgenommenen Verfahrens nur eine Verurteilung wegen der dort genannten 4 Straftatbestände Mord, Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen gegen eine Person stattfinden kann. Verurteilungen wegen anderer (Tötungs-)Delikte sind ausgeschlossen.
Man sieht schon, die Hürden für eine Wiederaufnahme sind hier extrem hoch, die StA wird einen Wiederaufnahmeantrag wirklich nur dann stellen (können), wenn sie sich sehr, sehr sicher ist und handfeste Beweise wie etwa gesicherte DNA-Spuren oder etwas Ähnliches hat.