Kaietan schrieb:Ich sehe die Tatsache, dass sie in die Stadt wollte eher als Fakt und weniger als Motiv.
Diese Aussage ergibt keinen Sinn, ob du ihren Willen in die Stadt aufzuschließen als gegeben ansiehst oder nicht, ändert doch nichts daran, dass es sich dabei um eine Motivation handelte, die Grundlage menschlichen Handelns ist. In diesem Sinne nutzt du Tanjas Willenserklärung ja schließlich auch, du erklärst mögliche Szenarien, die diesem letzten bekannten Willen widersprechen als unwahrscheinlich und konstruiert. Genau so sind eben auch Szenarien konstruiert und unrealistisch, die ein mögliches Handeln eines Täters nicht begründen können. Dass wir konkrete Hinweise auf Tanjas Motive haben, uns solche Hinweise auf Tätermotive aber fehlen, macht einen möglichen Täter ja nicht zu einem willenlosen Lebewesen, dem man per se irrationale Verhaltensweisen unterstellen kann. Fehlende Hinweise machen es natürlich schwerer solche Motive zu ergründen und bieten mehr Raum für Spekulationen, dadurch verlieren diese aber nicht an Relevanz.
Kaietan schrieb:Es gibt keinen Beweis dafür, dass sie ihre Meinung geändert haben könnte, im Gegenteil: Da sie möglichst schnell herunter in die Stadt wollte, spricht sogar einiges dagegen.
Es gibt in der Zeit zwischen 07.06.2007, 4:13 Uhr und dem 11.05.2015 überhaupt keine Beweise die sicher mit dem Fall in Verbindung gebracht werden können. Wenn du hier meinst in der Zeit nach 4:13 Uhr irgendetwas beweisen zu können bin ich ganz Ohr. Wir können mit gutem Recht annehmen, dass Tanja die Absicht hatte zur Gruppe in die Stadt aufzuschließen (ein Fakt ist es nicht, da nur Tanja selbst wissen kann, was sie vorhatte). Ob sie diese Absicht aber nach dem zweiten Gespräch aufrechterhalten hat, diesbezüglich gibt es wenig belastbare Hinweise in die eine oder andere Richtung. Inwiefern dies möglich war, darüber gäbe der Inhalt des letzten, vermutlich vier minütigen Telefonats Aufschluss, den wir leider nicht kennen, die Kripo aber zumindest anhand einer Zeugenaussage. Wie gesagt hoffe ich, dass sich das noch einmal ändern wird und wir hierzu nähere Informationen erhalten, halte das aber für weniger realistisch, gerade falls kein Journalist auf der anstehenden PK danach fragen sollte.
Folgende Punkte lassen mich daran zweifeln, dass Tanja ihren Willen in die Stadt aufzuschließen aufrechterhielt (und dabei möchte ich direkt dazu sagen, dass das nicht bedeutet, dass dies mein "bevorzugtes Szenario" ist):
1) Die vermeintliche Länge des Telefonats. Vier Minuten sind wie schon dargelegt etwas lange dafür, dass man sich nur noch einmal kurz über Zeit- und Treffpunkt austauscht, solche Gespräche sind eigentlich in weniger als einer Minute abgehandelt. Was musste also besprochen werden?
2) Die Gruppe verließ das Fest ohne Tanja und H.H., wobei ungeklärt ist, ob H. von vornherein die Absicht hatte, zeitnah nach Hause zu gehen oder ob diese Entscheidung dann der Tatsache geschuldet war, dass er mehr oder weniger alleine auf dem Fest war. Tanja hingegen wird wohl nicht vorgehabt haben drei Stunden nach Korlingen alleine zu Fuß zurückzulegen, sondern wird andere Planungen gehabt haben, vermutlich Kontakt zur inzwischen in der Stadt befindlichen Gruppe zu halten. Gab es vielleicht doch noch einen Plan B von dem wir nichts wissen? Das muss aber nicht sein, es reicht sich vorzustellen, wie Tanja sich nun bewusst wird, dass sich die Gruppe nun nicht ihrem Plan entsprechend verhält, sondern ohne sie bereits das Fest verlassen hat. Sie versucht also Kontakt aufzunehmen und vereinbart mit A.H. in einem ersten Telefonat einen Treffpunkt in der Stadt. Daraufin fragt sie die Zeugengruppe um T.F. wie sie am schnellsten zum Nikolaus-Koch-Platz komme. Aus irgend einem Grund steigt sie aber nicht in den entsprechenden Shuttle-Bus der sie dort hin bringen würde, sondern nimmt rund 15 Minuten später noch einmal Kontakt zur Gruppe auf. Wir können hier aufgrund des unbekannten Gesprächsinhaltes nur spekulieren, kam Tanja noch etwas dazwischen, hatte sie einen Shuttlebus gerade verpasst und wollte mitteilen, dass sie sich verspätete? Wurde ihr daraufhin mitgeteilt, dass die Gruppe schon einmal weiterziehe, sie ja aber "nachkommen" könne?
Ich könnte mir ein solches Szenario vorstellen und auch, dass Tanja das Verhalten der Gruppe spätestens jetzt sauer aufstieß, da diese das Fest zusammen verlassen haben und auch jetzt kaum Interesse dafür zeigten, Tanja wieder aufschließen zu lassen. Ich kann mir weiterhin vorstellen, dass dies zu einer Willensänderung bei Tanja führte und sie im Anschluss beschlossen hatte entweder noch eine Weile auf dem Fest zu verbleiben, sich erst einmal Abseits des festes eine Verschaufpause zu gönnen und zu überlegen, was sie jetzt macht o.ä.
3) Hierzu passen würde auch die Sichtung einer tanjaähnlichen telefonierenden und verärgert wirkenden Person am Nebenausgang. Ebenso könnten die Sichtungen Drachenhaus/Rosengarten und BZH dazu passen. Es muss sich natürlich bei diesen ganzen Beobachtungen nicht um Tanja gehandelt haben, wenn man allerdings annimmt, dass es Tanja gewesen ist, dann müsste sie zwangsläufig ihren ursprünglichen Willen irgendwann über Board geworfen haben. Da die Kripo diesen Sichtungen von Beginn an Bedeutung beigemessen hat, mussten die Ermittler zumindest auch in Erwägung ziehen, dass Tanja noch einige Zeit freiwillig auf dem Fest bzw. im naheliegenden Bereich verblieb.
4) Hinzu kommt das Verhalten der Gruppe. Keine bekannten Kontaktaufnahmen mehr, nachdem festgestellt wurde, dass tanjas Handy nicht mehr erreichbar ist, auch nicht am nächsten Tag. Das wirkt wirklich nicht als wäre Tanjas Stellenwert in dieser Gruppe sonderlich hoch gewesen und auch nicht für eine "verbindliche" Verarbredung wie bisher dargestellt.
5) Zu guter Letzt ist es natürlich generell unauffälliger, wenn sich Tanja freiwillig irgendwann zur Absturzstelle begab im Vergleich zu einer zwanghaften Verbringung dort hin (die natürlich trotzdem auch möglich ist).
Das fällt mir zumindest auf die Schnelle dazu ein, vielleicht gibt es noch weitere Argumente, die ich derzeit nicht präsent habe. Nun könnte man natürlich anfangen, jeden der Punkte versuchen zu widerlegen und alternative Erklärungen/Szenarien zu finden, dass ist aber gar nicht nötig. Mir ist bewusst, dass es nicht so sein muss, wie gerade vermutet. Ich habe auch einigermaßen logische Szenarien im Kopf, in denen alles ganz anders abläuft, aber so ist das nun einmal. Ich wollte nur einmal Zweifel anmelden, an Tanjas angeblich beständigem Willen unbedingt in die Stadt zu kommen und zur Gruppe aufzuschließen anmelden.