Nochmal etwas zum Thema DNA und Wiederaufnahmeantrag:
Es wurde hier behauptet, das Zivilverfahren habe das Indiz 9h (Täter-DNA am Sakko) bereits widerlegt, was aber nicht richtig ist, denn ein u.a. mit diesem Argument angestrebtes Wiederaufnahmeverfahren wurde ja abgelehnt. Eben drum bemüht man sich auch immer noch, das Indiz wegzubekommen.
Die Gutachten aus dem Zivilverfahren waren mMn auch inhaltlich kaum in der Lage, Indiz 9h zu erschüttern.
Es handelt sich lt. GA der Verteidigung zum Nachweis eines gehäuften Vorkommens von Bences DNA an CBs Jacken
ausschließlich um Mehrpersonenmischspuren (hier "mindestens drei Personen" oder "mehrere Personen"). Das heißt, es wurden mindestens sechs Allele pro System gefunden. Nicht eine Spur war eine Einzelspur oder Zweipersonenspur.
Es waren zudem nicht alle Allele darstellbar und Bences Allele konnten nicht überall nachgewiesen werden.
Wenn eine Mischspur beide Elternteile beinhaltet, passt sie automatisch auch auf alle biologischen Kinder. Bei einer Spur an einem Sakko von mindestens drei Personen kann man also nicht sagen, ob Bence tatsächlich in dieser Spur enthalten ist, denn es könnte sich ebensogut auch um die DNA von CB und Bences Eltern handeln. Hinzu kommen die o. g. Ungenauigkeiten.
Am Sakko im Blut des Opfers gab es dagegen nur zwei DNA-Profile: CBs und BTs.
Die Gutachten hätten, wären sie objektiv, die Profile aller Familienmitglieder vergleichend gegenüberstellen müssen. Das wurde offenbar nicht gemacht.
Hinzu kommen allelic drop outs und es gibt in den Gutachten (soweit hieraus zitiert wurde) keinen Hinweis auf die Anzahl der gefundenen Allele pro System und das Geschlecht. Auch die DNA-Menge im Vergleich wäre interessant gewesen.
Auffällig ist dann noch der gleichmäßige Nachweisausfall von Allel 18 bei D18S51 in jeder Spur, außer bei einer Spur mit unbekannter darin enthaltener Personenzahl.
Die Gutachten waren somit untauglich für die Erschütterung von Indiz 9h, ein gehäuftes Vorkommen von Bences DNA an der Kleidung seiner Tante, vergleichbar mit 9h, ist damit nicht nachgewiesen, so wird es das LG Augsburg auch gesehen haben.
Von der Spurenlage und deren Interpretation gibt es höchstwahrscheinlich auch mit Prof. Schneider nichts Neues. Ich gehe auch davon aus, dass das, was von der Presse weitergetragen wurde, bereits die wesentlichen Aussagen seines Gutachtens sind. Also
-Mutter und Bruder rein rechnerisch ungenügend einbezogen und
-Zusammenfalten führt zu DNA-Transfer.
Nun verwundert es ja, warum es etwas ändern sollte, dass die Mutter und der Bruder doch als DNA-Urheber in Betracht kommen könnten. Inhaltlich kann es in der Konsequenz für die Schuldfrage keinen Unterschied machen, denn die beiden haben ein Alibi.
Ich hatte bereits vermutet, dass es auf fehlerhafte Aussagen zur Wahrscheinlichkeitsberechnung hinausläuft und damit verbunden evtl. auf eine fehlerhafte Beweiswürdigung.
Dazu habe ich noch ein BGH-Urteil gefunden, wonach bei Mischspuren strengerere Anforderungen gelten. Vielleicht bezieht die Verteidigung sich darauf und behauptet nun, dass diese strengeren Anforderungen nicht beachtet wurden und die Strafkammer zudem aus der Nichtausschließbarkeit der Urheberschaft nicht auf die Täterschaft hätte schließen dürfen,
vgl. BGH 2 StR 141/16.
(Geeignetheit zum Freispruch würde sich also nicht aus irgendwelchen Erkenntnissen von Prof. Schneider ergeben, sondern allein aus "Formalitäten").
@Mark_Smith:
Könntest du die Genetikerin zu den beiden Punkten (Ergebnisse der Gutachten im Zivilprozess und BGH-Urteil/Wahrscheinlichkeitsangabe) auch befragen?
Dazu noch etwas zur Wahrscheinlichkeitsberechnung aus den "allgemeinen Empfehlungen der Spurenkommission
zur Bewertung von DNA-Mischspuren (übrigens unter Mitwirkung von Prof. Schneider)":
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