Mordfall Charlotte Böhringer
01.01.2019 um 23:28Mark_Smith schrieb:Nur weiss man m.E. nicht, wie verbindlich bzw. unverbindlich sie zum Stammtisch gegangen ist. Ich interpretiere das Gericht eher so, dass sie verbindlich zum Stammtisch gegangen ist und dies von der Verteidigung auch nie anders interpretiert wurde.Du missverstehst den Argumentationspunkt.
Es geht darum, dass das Gericht davon ausgeht, dass CB am Tattag eben nicht, wie es sonst ihre Gewohnheit war (mehrfach bezeugt), erst gegen 19:30 Uhr beim Stammtisch anzukommen beabsichtigte. In diesem Fall wäre sie (bei einem Fußweg von 7-8 Minuten) erst um ca. 19:22-19:23 Uhr aufgebrochen. Falls sie etwa gemütlich gehen und noch die Schaufenster in der Rieger-Passage inspizieren wollte, wäre sie etwa um 19:15-19:17 Uhr aufgebrochen.
Am Tattag aber (und nur da) wollte sie aufgrund der Verabredung mit Dr. R. pünktlich erscheinen und brach laut Urteil deswegen bereits frühestens um 18:53 Uhr oder spätestens um 19:00 Uhr auf. Das Gericht betont mehrfach, dass aufgrund der Verabredung mit Dr. R. der sonstigen Gewohnheit von CB, erst um 19:30 Uhr den Stammtisch aufzusuchen, am Tattag keinerlei Bedeutung zukommt.
Das widerspricht der Tatsache, dass der mit ihr verabredete Dr R. selbst höchstwahrscheinlich sogar erst nach 19:30 Uhr beim Stammtisch ankam. Er schien davon auszugehen, dass auch am Tattag, trotz Verabredung, CB erst um 19:30 Uhr zum Stammtisch kommen würde. Das würde ich darauf zurückführen, dass er sie und ihre Gewohnheiten gut kannte.
Ansonsten (wenn er sie als Person gekannt hätte, die bereits um 19 Uhr auf ihn wartet) hätte er sicherlich versucht, anzurufen um ihr mitzuteilen, dass er erst ab 19:30 Uhr zum Stammtisch käme, wo sie (speziell am Tattag!) verabredet waren.
Wichtig ist diese Frage allerdings nur aufgrund der Tatsache, dass bei einem alternativen Tathergang, z.B. wenn CB eben nicht im Aufbruch zum Stammtisch befindlich war, sondern die Tat bereits früher geschah, ab 18:15 Uhr (wie ich bereits ausführlich erläutert habe, ist es inkorrekt, dass der Gerichtsmediziner einen Todeszeitpunkt von 19 Uhr nahelegt. Vielmehr liegt die höchste Wahrscheinlichkeit um 17 Uhr (das heißt nicht, dass es um 17 Uhr ist! Schließlich hat sie noch telefoniert um 18:14 Uhr, aber ab 17 Uhr sinkt die W´keitskurve und ab 19 Uhr wird es immer unwahrscheinlicher).
Das heißt nichts anderes als: Ja, die Tat könnte zwischen 18:15 und 19 Uhr begangen worden sein, aber je weiter weg du von 18:15 weg- und zu 19 Uhr hingehst, desto geringer die Wahrscheinlichkeit.
Warum ist das wichtig, wo Wahrscheinlichkeiten doch nur Wahrscheinlichkeiten sind?
Weil es hier, aufgrund mangelnder Beweise, darum geht, bei einem Bild, das sich am Tatort präsentiert, inklusive sämtlicher Tatsachen wie Obduktionsbericht, Spuren etc. eine möglichst wahrscheinliche Ursache für das Bild (nämlich die ermordete CB) zu finden.
Die wahrscheinlichste Ursache ist aber nicht eine ausgewählte Version, eine ad hoc-Theorie, für die sich jemand entscheidet und dann die Indizien so deutet, dass sie die Theorie stützen.