@meermin Es freut mich, dass du eine Frage zur Aussage des Gerichtsmediziners zum wahrscheinlichsten Todeszeitpunkt stellst. Darüber bin ich nämlich auch im Urteil gestolpert.
Auf S. 73 steht im Urteil, dass dem Gerichtsmediziner Prof.Dr. P. natürlich eine exakte, differenzierte Angabe bezügl. des Todeszeitpunktes nicht möglich ist, aber er anhand der Analyse des Mageninhalts (letzte Mahlzeit am Tattag ca. 14 Uhr, Obduktion ca. 37 h danach, Berechnung durch noch vorhandene Speisemenge und Andauungszustand) den "wahrscheinlichsten Todeszeitpunkt bei 17:00 Uhr" angeben kann. Es ergibt sich außerdem ein Streubereich mit 90% Wahrscheinlichkeit von 15 bis 23 Uhr, Gipfel bei 17:00 Uhr.
Die Frage, ob der Todeszeitpunkt zwischen 18:15 und 19:00 Uhr denkbar ist, bejaht er, schränkt aber ein, dass es nach 19 Uhr immer unwahrscheinlicher wird.
Man kann sich also ganz gut die Kurve der Wahrscheinlichkeitsverteilung vorstellen (90 % Streuung von 15-23 Uhr, aber nicht symmetrisch, sondern linksschief mit Gipfel bei 17:00 Uhr, wäre die Kurve symmetrisch, läge der Gipfel bei 19 Uhr, aber das sagt der Gerichtsmediziner ja eben nicht!).
Nun zum Punkt, der mich stutzig macht: die o.g. Aussage des Gerichtsmediziners wird immer wieder im Urteil so verkürzt wiedergegeben, dass sie m.E. verzerrt wird. Z.B. S. 70f.: "Der gerichtsmedizinische Sachverständige hält einen Todeszeitpunkt zwischen 18:15 Uhr und 19:00 Uhr für plausibel, kann aber einen Todeszeitpunkt nach 19:00 Uhr nicht ausschließen." So findet sich das an zahlreichen anderen Stellen im Urteil und wurde auch von den Medien genau so übernommen: CB starb aller Wahrscheinlichkeit nach zwischen 18:15 und 19:00 Uhr. Man muss schon ganz schön tief im Urteil herumstöbern, um die eigentliche Aussage des Gerichtsmediziners zu finden, die definitiv etwas anderes besagt.
Es geht mir hier natürlich nicht um statistische Spielerei, sondern darum, dass die Aussage des Gerichtsmediziners ja nicht ganz unbedeutend ist und er sicher nicht versehentlich eine linksschiefe Verteilung angibt, sondern auf der Basis seiner medizinisch-forensischen Befunde.
Entsprechend seltsam finde ich es, dass die Angabe durchgehend falsch bzw. auf eine Weise verkürzt wiedergegeben wird, die eine Tat um kurz vor oder um 19 Uhr nahegelegt wird.