@pfiffi pfiffi schrieb:Die Familie Toth entkam unstreitig einer gewaltbereiten Diktatur (hör ich Widerspruch?). Aberdeens Spekulation, ausdrücklich auch sprachlich als solche deklariert, ist also mehr als plausibel.
Ja, natürlich. Als mal wieder das Hungerstreikthema angesprochen wurde und ich Friseur-Besuch-Assoziationen hatte, dachte ich, ich bilde auch mal ein paar Hypothesen.
Offenbar übersteigt es das Einfühlungsvermögen, sich zu überlegen, was eine Familie dazu veranlassen könnte, das Heimatland zu verlassen und auszuwandern - was ja eine starke Zäsur darstellt und häufig auch mit deutlichen, nachhaltigen Konsequenzen verbunden ist. Wahrscheinlich liegt einer solchen Entscheidung nicht das absolute Wohlbefinden zugrunde.
Natürlich gibt es keinen Beleg für die Annahme, B. T. habe sich isoliert gefühlt, wobei es sehr oberflächlich ist, von der Anzahl der Freunde und sozialen Kontakte auf die zugrundeliegende, erlebte Beziehungsqualität zu schließen. Aber wie mag sich B. T. als "Fremder" in der kleinen Gemeinde in Bayern, die wahrscheinlich nicht für ihre Weltoffenheit berühmt ist, gefühl haben? Eine Menge, unerwünschter Aufmerksamkeit, mit der man auch erst einmal fertig werden muss, war da sicher. Dann auch noch guter Schüler, noch mehr Aufmerksamkeit und von der Gruppendynamik muss das dann auch nicht immer einfach sein.
Was mich an dem Beitrag von B. T.s Vater im "Nachtcafé" am meisten beeindruckt hat, war dessen Sprach- bzw. Ausdruckslosigkeit. Mein Eindruck war, dass der Vater weder die Fragen richtig verstehen, geschweige denn auch nur ansatzweise ausdrücken konnte, was in ihm oder der Familie vorgeht/vorging.
In dem wenigen Wortmaterial, was von B. T. im O-Ton zur Verfügung steht, gibt es dann ebenfalls Auffälligkeiten, die fast schon maniriert wirken, wie z. B. "Salti mortali" und die ich mal so interpretiert habe, dass es da ebenfalls Schwierigkeiten gibt, sich auszudrücken bzw. zum Ausdruck zu bringen, was eigentlich gemeint ist. Auch so etwas, gepaart mit einem ganz starkem Gefühl ungerecht behandelt zu werden, bei der gleichzeitig erlebten Hilf- und Wehrlosigkeit, kann die Ausbrüche von B. T. vor Gericht erklären. Möglicherweise lässt sich sogar B. T.s Affinität zum Theater durch diesen Wunsch, sich auszudrücken erklären, aber natürlich gibt es für diese gesamten Hypothesen keine Notwendigkeit.