KonradTönz1 schrieb:Wirklich abgebrüht stelle ich ihn mir jetzt nicht vor.
Ob er der "knallharte Killertyp" ist, kann und will ich nicht beurteilen.
Aber diese Weißwurstessengeschichte zeigt zumindest eine gewisse Chuzpe.
Sollte er schuldig sein (da er rechtskräftig verurteilt, darf man es ja so bezeichnen), passt das zur Chuzpe, wenn er sich als Justizopfer geriert und seine Famile und Freunde im Rahmen der BI für seine Zwecke einspannt.
Mit den Zeitungen... Na ja, es ist nicht eisenhart bewiesen. Aber es passt gut rein, ohne das man es passend machen muss (das mögen andere anders sehen, ich sehe hier kein passend machen auf Teufel komm raus). Wenn dann noch eine handvoll andere Indizien dazu kommen, die auch nicht bewiesen sind (dann würde man sie ja auch Beweise und nicht Indizien nennen und es wäre kein Indizienprozess, nicht wahr?), aber gut rein passen, dann ergibt sich doch Gesamtbild.
Wenn man dann außerdem keine weitere Person ausfindig macht, auf die ebenfalls eine handvoll Indizien oder Beweise passen, dann bleibt halt nur noch eine Person übrig.
Als Jura-Laie sag ich mal so: Angeklagte werden nicht verurteilt, weil man eine Zeitung bei ihnen findet. Oder weil sie Staatsexamensfeiern veranstalten ohne Stex zu haben. Sie werden verurteilt, weil nach Meinung des Gerichts eine schlüssige Indizienkette herausgearbeitet wurde, die das Gericht überzeugt.
In irgendeinem Beitrag ist das Wort "Konstrukt" gefallen. Wenn ich mich recht erinner, als Vorwurf.
Was soll eine Ermittlung bzw. ein Tathergang denn anderes sein? Es kann nur ein Konstrukt sein. Die Frage ist, ob es ein plausibles Konstrukt ist oder nicht.
Aber letztlich sind alle Urteile, selbst wenn sie auf Beweisen basieren, Konstrukte bzw. Rekonstruktionen. Wir müssen uns vom Gedanken verabschieden, dass ein im Urteil beschriebenr Tatvorgang hieb- und stichfest wie ein Drehbuch beschreibt, was der Täter wie und warum in welcher Sekunde ganz genau gemacht hat.
Warum? Menschliches Verhalten ist nicht wie ein Experiment, dass bei gleichen Laborbedingungen immer gleich abläuft. Es variiert, und es ist bisweilen irrational. Zeugen können irren. Indizien und selbst Beweise können verschieden interpretiert werden (eben so, wie es das Gericht für richtig hält). Eine Videokamera z.B. würde von einem anderen Standpunkt aus total andere Aufnahmen machen, die man wieder anders interpretieren könnte (vlt. kennt ja jemand die Malcolm mittendrin Folge, wo Lois einen Fahrfehler macht. Dann taucht eine andere Aufnahme von einem anderen Standpunkt auf, die beweist, dass Lois tatsächlich keinen Fehler gemacht hat.)
Ich kenne zwei andere Urteile, wo die Indizienlage ähnlich dünn war, die beide mit lebenslänglich endeten. Für mich als Laie sieht das so aus, dass die Praxis, wie wir sie auch hier im Urteil finden, Usus ist.
Meine Frage von neulich war durchaus ernst gemeint: Führen wir hier nicht eher eine Grundsatzdiskussion?
Wollen wir, dass es gar keine Indizienprozesse mehr gibt?
Wollen wir, dass man nur verurteilt werden kann, wenn es mindestens zwei Zeugenaussagen gibt, die sich nicht widersprechen und mindestens zwei Videoaufnahmen von zwei verschiedenen Winkeln?
Wollen wir Indizienprozesse beibehalten und damit leben, dass der eine oder andere das Gefühl hat, dass die Falschen im Gefängnis sitzen?