@Scipper ch sage es mal so: Wenn der Bence der Polizei sofort gesagt hätte: "Ich bin kein Jura-Student, muss aber so tun als ob, damit meine Freunde und meine Verwandtschaft nicht entäuscht ist" hätte man seitens der Polizei sicherlich Verständnis dafür gehabt und vertraulich behandelt.
Ich teile Deine Einschätzung, dass diese Lüge der Startpunkt des ganzen war. Aus diesem Grund bekommt diese "angstmotivierte" Dummheit der "Studienlüge" auch den übernatürlich erhöhten Stellenwert in dem Verfahren.
Auf der anderen Seite bin ich mir auch nicht sicher, ob ich in dieser Angelegenheit ausgerechnet der Polizei vertraut hätte. Weiterhin gehe ich davon aus, dass für B. T. das Konstrukt "Studienlüge" zur zweiten Haut geworden ist, dass er das ganz automatisch, ohne nachzudenken angegeben hat.
Interessant ist, was die Kammer damit macht:
"[...]Es wäre schon nicht plausibel, dass der Angeklagte als einzige Person gerade seine Tante hierüber informieren(sic!) haben sollte, aber sein Umfeld, zu dem nach den Angaben der Verwandten und Freund(sic!) ein ausgezeichnetes, vertrauensvolles Verhältnis bestand, weiterhin belügen sollte. Es ist auch kein Grund ersichtlich, dass die Tante diese für sie selbst und die Familie brisante Information geheim halten sollte. Die Brisanz ergibt sich daraus, dass der Angeklagte seine Verlobte, seine Eltern, seinen Bruder und seinen Freundeskreis jahrelang hintergangen hatte [...]"
Der Kammer ist hier die Empörung über die "Ausbildungslüge" anzumerken. Aus meiner Sicht ist folgendes interessant:
Auf welcher Grundlage behauptet die Kammer eigentlich, was für das Verhalten in dieser speziellen Situation plausibel ist und was nicht? Worauf, außer auf Vorurteile, kann sie sich stützen?
Natürlich ist es völlig plausibel, dass Ch. B. als Ausgangspunkt der Studienlüge auch die Person war, bei der eine Offenbarung am wahrscheinlichsten ist. Schon allein wegen des Umstands, dass sie auch Arbeitgeberin war.
Weiterhin kann man es zwar interessant finden, dass B. T. sein Umfeld jahrelang und über das Outing bei seiner Tante belogen hat, tatsächlich spielt das für das Verfahren aber eigentlich keine Rolle.
Und, zu guter Letzt: Die Kammer widerspricht sich, wenn sie es für unwahrscheinlich hält, dass Ch. B. ihre Schwester nicht informiert habe. Den an anderer Stelle stellt die Kammer selbst fest, dass auch über die geplante Erbfolge zwischen den Schwestern nicht gesprochen worden ist. Es gibt hier auch überhaupt keine fundierte Grundlage, so etwas - Unplausibilität des Nichtaustausches - zu behaupten.