Hallöchen,
im Einverständnis mit
@aberdeen möchte ich gern meine Gedanken aus unserem PN-Verkehr offen posten, da ich mir erhoffe, dass hierzu weitere Anregungen, Kritik und Überlegungen von allen Usern kommen, damit wir vielleicht Fragen zu Theorien klären können, die auch bei mir bestehen. Sorry, wenn ich jetzt also einfach in den Thread platz, aber mich/uns würden eure Meinungen interessieren.
Grob gings bei uns nochmal um die Frage, ob und inwieweit narzisstische Tendenzen im Verhalten von Bence und der Gesamtsituation eine Rolle spielen könnten und Parallelen zur Tat erkennbar wären.
Hier also mal meine Gedanken:
Sicherlich spricht eine mögliche narzisstische Persönlichkeit Bences auch nicht gleichzeitig für seine Täterschaft, da hast du Recht. Ich finde halt einige Dinge einfach auffällig, womit ich nicht gesagt haben will, dass Bence der Täter war (ich war schließlich nicht dabei, als es passiert ist).
Zu deinen Fragen:
Zum Bindungsverhalten und der systemischen Sicht:
Narzissten sind i.d.R. durchaus in der Lage, langfristige Bindungen einzugehen - doch selbst diese müssen nicht zwangsläufig, nur weil sie von Dauer sind, "stabil" und "intensiv" sein. Über die Dauer bestimmt meist der Grad der Abhängigkeit des Partners (Co). Dessen Zugeständnisse sowie der "Zweck" oder Benefit, den ein solcher Partner für den Narziss darstellt, sind da u.a. aufrechterhaltende Faktoren.
Zu meiner Vermutung einer mangelnden Empathiefähigkeit:
Auch diese verhindert keine langandauernden Beziehungen, da sie meist (zumindest bei Narzissten) mit Manipulation kompensiert wird. Voraussetzung dafür ist "lediglich" ein Partner, der manipulierbar ist und/ oder sich bereitwillig manipulieren lässt. Interessant bei solchen partnerschaftlichen Konstellationen ist meist, dass der Partner denjenigen, der manipuliert oder auch lügt, vor Anderen entschuldigt ("der meint's nicht so").
Zur Systemik der familiären Geschäftsstruktur:
In ungarischen Familien, insbesondere, wenn sie der mittleren Oberschicht angehören, spielt der Erstgeborene eine wichtige Rolle. Ob es Zufall ist, dass er Benjamin genannt wurde ("der Glückliche")? Der Erstgeborene wird i.d.R. als "Stammhalter" angesehen, was weiter reicht, als unsere deutsche scherzhaft geäußerte Zuschreibung. Er ist nicht nur der "Stolz der Familie", sondern wird tatsächlich als potentieller Nachfolger und Träger der familiären Werte, Traditionen und Geschäfte angesehen und erhält entsprechende Förderung, die bei dem zweit und drittgeborenen Kindern diese Tragweite meist nicht hat.
Der Erstgeborene wird von vornherein als "fehlerfrei" aufgefasst, als würdig und fähig, ohne, dass er dafür etwas leisten muss. Salopp gesagt, wird das erste Kind von Geburt an "gehypt". Wiederkehrend wird diesen Kind gesagt, wie gut es ist und wie besonders und für welche besonderen, wichtigen Aufgaben es vorgesehen ist.
Ob dies bei Bence so war, weiß ich nicht - ich denke, ich muss nicht wiederholen, dass ich mir bewusst bin, dass ich mich auf dem Boden von Hypothesen bewege.
Wie dem Urteil bzgl. der Aussagen der Fam.-Angehörigen zu entnehmen ist, war das Erbe und die Weiterführung der Geschäfte von Ch.B. durch Bence wiederkehrend Thema, wobei allen klar gewesen sei, dass er alles weiterführen werde. Ich frage mich: Wenn das alles doch "klar" war und feststand - warum wurde dann wiederkehrend darüber gesprochen? Warum nahm das wiederkehrend Platz in den familiären Gesprächen ein?
Zur Systemik der Bedeutung der Parkgarage für B.T.:
Ich setze voraus, dass meine Ausführungen als Hypothesen aufgefasst werden (!).
Bence wurde frühzeitig wiederkehrend klargemacht, dass er der "Auserwählte" ist, der die Familientradition weiterführen werde, die der ganze Stolz seines Onkels war. Dieser Onkel hat innerhalb der Familie (und wahrscheinlich darüber hinaus) großes Ansehen gehabt, so dass die Tragweite, eine Parkgarage zu übernehmen, weniger mit einer Edeka-Verkaufsleitung vergleichbar ist, sondern vielmehr mit Respekt, unternehmerischem Talent und Ehre. Es wäre aus Böhringer-Sicht eine "Ehre", das Unternehmen weiterführen zu dürfen. Nicht zuletzt der Stolz der ganzen Familie wäre einem sicher gewesen.
Wahrscheinlich bereits zu Schulzeiten ist Bence also klargeworden, dass Großes auf ihn wartet und er begann nach dem Abi auch mit der Erfüllung der dazugehörigen Voraussetzungen. Als frischer Student dürfte man zunächst den Druck haben, für sein Auskommen zu sorgen und gleichzeitig sein Studium auf die Reihe zu bekommen. Dieser Druck mag für Bence weit weniger existent gewesen sein, da dies mit den Zuwendungen durch seine Tante und die Arbeit bei ihr bereits geregelt war. Die Sorge um einen Job während und nach dem Studium musste sich Bence auch nicht machen, da auch dies bereits im Vorhinein geregelt war (welcher Student kann derart entspannt an sein Studium gehen?). München ist ein teures Pflaster, selbst 1000 Euro pro Monat sind da sehr wenig Geld, es sei denn, man hat Quellen, die zusätzlich angezapft werden können. Insofern dürfte die Abhängigkeit Bences von seiner Tante "erträglich" gewesen sein.
Problematisch wird eine solche Situation aus meiner Sicht erst dann, wenn diese Abhängigkeit dazu führt, in seinem eigenen Leben beschnitten und kontrolliert zu werden sowie dann, wenn zwar alles fertig geregelt ist (das Ziel also feststeht), der Weg dahin sich aber als kaum gangbar erweist.
ich vermute, dass die Parkgarage aus Bences Sicht nicht nur aus finanziellem Interesse interessant war, sondern letztlich der Garant, seine Lebensperspektive zu sichern - in sozialer, zukünftiger und persönlicher Sicht. Man muss sich Folgendes vor Augen halten:
Jahrelang bist du nur auf EIN Ziel ausgerichtet und dieses Ziel steht für dich fest. Was, wenn du plötzlich feststellst, dass dieses Ziel mit den gesetzten Vorgaben nicht erreichbar ist? Das Einzige, das Bence hatte, war sein Abitur. Hätte er gesagt: ich schmeiße alles hin, dann hätte das bedeutet, dass er:
a) seine Familie enttäuscht
b) mit 30 vor der Frage steht, wofür er überhaupt taugt
c) der Einzige aus seinem Freundeskreis ist, der nichts vorzuweisen hat, während alle anderen gerade ihre Studienabschlüsse feiern
d) sein bester Freund derjenige ist, der es zum Anwalt gebracht hat, aber er nicht
e) Bence keinen Anspruch auf BAföG oder ähnliche Leistungen hat, schon gar nicht mit zwei abgebrochenen Studien und somit ein erneutes Studium kaum machbar gewesen wäre (und selbst wenn? Das was er meinte, was sein Interesse WIRKLICH treffen - nämlich Schauspielerei/ Kreativität - wurde ihm als nicht ausreichend beschieden!)
f) er in München hätte versuchen müssen, über Aushilfsjobs erstmal dafür zu sorgen, dass er überhaupt seine Miete zahlen kann
g) er einen Sturzflug hingelegt hätte von einstigen Stolz der Familie hin zum Versager auf ganzer Linie
Bence hätte mit dem Verlust der GF in der Parkgarage weitaus mehr verloren, als nur die Knete...
Gehen wir weiter zu M.T.:
Ja, auch ich frage mich, wie er die mögliche, jahrelange "Bevorzugung" seines Bruders erlebt haben könnte. Er erscheint mir recht still, hintergründig und farblos. Hat auf der anderen Seite allerdings einen beruflich sehr zielstrebigen, klaren Lebenslauf hingelegt, wobei sich vermuten ließe, dass er sowohl über Disziplin als auch Zuverlässigkeit verfüge. Zu seinem Alibi gab es im Urteil für meinen Geschmack zu wenige Ausführungen, da lediglich gesagt wurde, dass seine Täterschaft ausgeschlossen werden könne, da er im Kassierraum bei hohem Publikumsverkehr schlecht hätte weggehen können. Als Täter hätte seine Kleidung allerdings mit Blut verschmutzt gewesen sein müssen (es sei denn, er hat einen Mechaniker-Overall getragen), so dass ein Umkleiden nach Rückkehr in den Verkaufsraum sicher anderen Beschäftigten aufgefallen wäre. Zu M.T. liegen leider zu wenige Informationen vor, als dass man Hypothesen aufstellen können, zu möglichen Tatmotiven. Im Vergleich könnte man nur Folgendes feststellen:
M.T. hatte ebenso wie B.T. die Aussicht auf ein Erbe, allerdings hatte M.T.nie die Aussicht auf die GF. Schaut man sich seinen Lebenslauf an, scheint unwahrscheinlich, dass es in seinem Interesse lag, eines Tages eine Parkgarage zu leiten. Bliebe noch auch bei ihm das Motiv Bestrafung. Da liegen mir allerdings zu wenige Hinweise zu seiner Persönlichkeit und seinen Verhaltensweisen vor, als dass ich dazu ne Hypothese aufstellen könnte.
Weiter geht's mit seiner Beziehung und dem Freundeskreis:
Trotz, dass sich alle Beteiligten derart für Bence ins Zeug legen um ihn zu unterstützen, hatte ich im Vid den Eindruck, dass er eher die Rolle eines "Angeheirateten" innehat. Ich fragte mich die ganze Zeit, ob sie ihn wirklich deswegen unterstützen, weil er ihr Freund ist, oder ob sie ihn unterstützen, weil er der Freund ihrer Freundin Frauke ist. Die gewisse Absolutheit in ihren ihn verteidigenden Aussagen sind mir aus dem Umfeld von Narzissten gut bekannt und zeichnen sich durch extreme Haltungen aus: entweder Idealisierungen seiner Person (einschließlich aller Bewertungen einer möglichen Täterschaft als "unmöglich", "absurd" und "er ist so ein Lieber und jeder der was anderes sagt kannte ihn nicht wirklich", "wir sind die einzigen die ihn wirklich kennen") oder aber extreme Ablehnung, so, wie seine Freunde und auch Frauke z.B. das erste Kennenlernen beschrieben.
Umfassende Lügen, Legenden, die bis zu Fakten reichen, wann sich Bence wo und wie aufgehalten hat, was er plane und womit er befasst sei, rufen auch bei sehr engen Bindungen zunächst die normal-menschliche Reaktion der Ablehnung, Enttäuschung und Wut hervor. Man klagt denjenigen an, fragt ihn, warum er einem das angetan hat. Auch, wenn klar wird, dass er dies unter Druck getan hat, ist die erste Reaktion im normalen zwischenmenschlichen Gefüge Wut und persönliche Verletztheit - meist verbunden mit dem Wunsch, Abstand von dieser Person zu nehmen.
Nicht so bei Frauke. Ihre erste Reaktion: Revidierung der tatsächlichen Zeit ihres Aufbruchs zu Geburtstagsfeier, nachdem ihr ein Ermittler von davon differierenden Angaben Bences erzählte.
Das erscheint mir wie der dringende Wunsch, ihn nicht zu belasten und ihn über jeden Zweifel erhaben sein zu lassen. Schaut man sich das näher an, hat sie eine klassische Falschangabe gemacht, die zudem durch ihre Freunde zusätzlich offenbar wurde. Sie hat gelogen, sich damit selbst in ein zwielichtiges Licht gerückt und ist die Gefahr eingegangen, selbst bestraft zu werden durch eine potentielle Falschaussage. Den rechtlichen Hintergrund dürfte sie gekannt haben, da sie unmittelbar im Anschluss, als sie der Beamte fragte, ob sie von Bences Studienlüge wusste, sich auf ihr Recht berufen hat, ihren Anwalt zu konsultieren und dazu nichts zu sagen.
Darüber hinaus deutete Frauke im Vid und auch in Interviews der Printmedien mehrmals an, eine Familie geplant und einen Kinderwunsch zu haben. Ein Kinderwunsch spielt für eine Frau nicht in der gleichen Riege, wie z.B. die Anschaffung eines Haustieres, sondern hat die Tragweite eines neuen, erweiterten Lebensentwurfs und grundsätzlichen Lebensziels, dass Frauen seltenst freiwillig einfach aufgeben.
Sie spricht von Liebe zu Bence und der Akzeptanz, dass dieser Lebensentwurf durch dessen Inhaftierung nun nicht mehr umsetzbar sei.
Ihr Verhalten (nicht nur das o.g.) erscheint mir dependent. Wie wir wissen, beinhaltet auch co-abhängiges, dependentes Verhalten eine narzisstische Komponente, z.B. dadurch, dass man Anerkennung durch Aufopferung erhält. In ihrer Person erscheint sie mir farblos, ein wenig naiv und dem Gutmenschentum verbunden, wobei ich mich den Eindrucks nicht erwehren konnte, dass sie inbesondere in Bezug auf die Kinderfrage die Rolle der heroischen, sich aufopfernden, da liebenden Frau skizziert. Dieses Verhalten ist mir von Partnerinnen narzisstisch-gestörter Männer sehr gut vertraut. Systemisch und sozialpsychologisch betrachtet funktionieren narzisstische Beziehung durch die Verbindung des Narzissten mit einem co-abhängigen - meist selbstunsicheren Partner, da er einen Spiegel benötigt, der ihn idealisiert und der Co einen Partner benötigt, der ihm die vertraute Rolle bereitstellt, sich aufzuopfern - und dabei das Gefühl zu haben, etwas Bedeutsames geleistet zu haben.
Die Frage, die sich mir stellt ist:
Über welche Eigenschaften müsste eine Frau verfügen, um für einen Partner enorme Unterstützung bereitzustellen und ihren Wunsch nach Familie, Kinder und ein schönes Leben (ja, hier geht's nämlich auch um ihren Lebensentwurf) aufzugeben, der sie jahrelang belogen und hintergangen hat und mangels beruflichen Abschlusses nicht in der Lage ist, eine Familie ernähren zu können, sondern von einer Frau abhängig ist, die seine Partnerin nicht ausstehen kann und sogar kränkt, weil Sonderschullehrerin nicht in noble Konzept passt? Welche mit gesundem Selbstwert und Selbstbewusstsein ausgestattete Frau nimmt das alles in Kauf?
Zur Rolle von Witting und der ersten Vernehmungssituation:
Ausgehend von der Hypothese, Bence könnte narzisstisch geprägt sein, ist Folgendes sehr interessant. Sein Freund (der übrigens seit kurzem Anwalt ist - d.h. seine StE bestanden hat^^) organisiert ihm Unterstützung durch Witting und sagt Bence das auch. Er sagt ihm auch, dass er nicht weiter mit den Vernehmungsbeamten sprechen solle. Weder an seinen Freund noch an den Ratschlag von Witting hält er sich. Wie deutlich wurde, hat er damit sowohl seinen Freund als auch Witting damit ziemlich unter Druck gesetzt. Sie gaben sich Mühe, um ihn in dieser Situation zu beraten - und er macht einfach so weiter und verschlechtert damit nicht nur seine eigene, sondern auch die Ausgangsposition einer Verteidigung für ihn. Gut, man könnte sagen: er war einfach zu unsicher und ängstlich, um sich durchzusetzen und den Beamten zu sagen, dass er sich nicht weiter äußern werde. Man könnte allerdings genausogut den Eindruck haben, dass hier jemand "sein Ding" durchzieht (recht egoistisch übrigens), weil er der Meinung sei, er habe es im Griff.
Bence hat seinen Freund selbst angerufen. Ihm wird also klar gewesen sein, dass dieser Freund sich mit derlei Situationen auskennt und einen beraten wird (warum sonst sollte man ihn sonst anrufen?). Die Frage ist: Wieso hält er sich dann nicht an dessen Ratschlag? Und auch nicht an den Ratschlag eines erfahrenen Anwalts, der noch mehr Umgang mit derlei Situationen hat, als der Freund?
Die Frage, die sich für mich stellt, ist:
Welche Eigenschaften/ Haltungen/ Auffassungen muss ein Mensch haben, dass er in einer Bedrohungssituation zwar Hilfe aufsucht, diese jedoch nicht annimmt?
Von welchen Auffassungen/ Haltungen muss ein Mensch motiviert sein, um sich anschließend als Opfer der Vernehmungsbeamten zu skizzieren?
Die Haltung, die sich mir dabei erschließt (Alle böse - ich gut) ist eine narzisstische.
Zu Herrn Wilfling:
Ich kann nicht behaupten, ein besonderer Freund dieses Kommissars zu sein. Und ja, auch und besonders in seinen Ausführungen zum Fall Kaufmann hat er sich nicht mit Ruhm bekleckert.
Zum Fall Böhringer:
In einer Mordkommission, die mit Ermittlungen zu einem Tötungsdelikt betraut ist, ermittelt nicht nur ein Beamter. Sondern eine Vielzahl von Beamten. Der verschwörungstheoretische Ansatz, dass ein Ermittler die Ermittlungen (ob bewusst oder unbewusst) in eine bestimmte Richtung gelenkt habe, erachte ich als absurd, da dies impliziert, dass auch die SpuSi, die Labore usw. in exakt DIESE und keine andere Richtung untersuchen und auch nur Aufträge erhalten, Untersuchungen vorzunehmen, die in Bences Richtung zeigen. Wie man im Urteil insbesondere an der Alibiüberprüfung Dritter (einschließlich Weg/Zeitberechnungen) sowie DNA- Untersuchungen (auch bei den unwahrscheinlichsten Kandidaten) erkennen kann, war das nicht der Fall. Bei "gelenkten" Ermittlungen dürften später vor Gericht häufiger die Sätze fallen: "Öhm.... das haben wir nicht untersucht", "das schien uns nicht relevant".