MisterEko schrieb:Meiner Meinung nach sollte der Zivilprozess auch dazu dienen mehr "Munition" für die Unschuldsthese und daraus resultierend für ein WAV zu erlangen.
Genauso war es. Bzw. so habe ich das auch immer verstanden.
Ausgangspunkt war der Folgende: Das Strafgericht hat den Erbteil von BT quasi zugunsten des Staates verfallen lassen. Um dies zu verhindern, konnte man nur vor einem Zivilgericht eine Erbunwürdigkeitsklage einreichen durch MT. Erbunwürdigkeit wird nur in seltenen Fällen festgestellt, beispielsweise nämlich bei Ermordung des Erblassers, sprich der Tante. Das Zivilgericht hätte also BT eindeutig ebenso als Mörder identifizieren müssen - wohlgemerkt nach zivilprozessualen Regeln, das macht einen deutlichen Unterschied zu strafprozessualen Regeln.
Die Verteidigung wollte das Zivilgericht zweifach nutzen: einmal, um neue Munition fürs WAV zu nutzen. Man erhoffte sich hier abweichende Zeugenaussagen, was wohl auch teilweise so geschehen sein soll, wobei man hier sehen muss, dass das Versäumnisurteil 2012 erging. Das Strafurteil erging 2008, die Tat war 2006. Dass Zeugen vielleicht nach 6 Jahren nicht mehr alles so präsent haben wie nach 2 Jahren halte ich für völlig normal. Zudem wird man sich bewusst die "wackeligen" Zeugen rausgesucht haben, nämlich aus folgenden Gründen:
Ein Zivilprozess folgt anderen Beweislastregeln als ein Strafprozess. Selbst wenn das Zivilgericht (sechs Jahre später!) zu der Einschätzung gekommen sein sollte, es reicht ZIVIRECHTLICH nicht aus, eine Erbunwürdigkeit festzustellen, hat das nichts mehr mit der Feststellung strafrechtlicher Schuld zu tun. Das Zivilgericht beurteilt keine Schuldfrage - es beurteilt nur zivilrechtlich quasi die Beweislage zum Zeitpunkt des Prozesses. Außerdem saß hier auf der Gegenseite kein Staatsanwalt, sondern es "stritten" sich zwei Brüder, die im Grunde das gleiche Ziel haben: Munition für das Zivilverfahren zu sammeln. Es war eben kein "normaler" Erbunwürdigkeitsprozess mit zwei Streitparteien, die sich gegenseitig ans Zeug flicken wollten.
Die Erbunwürdigkeit hätte BT per Versäumnisurteil auch am ersten Tag ergehen lassen können und die Millionen wären gesichert gewesen. Das geht ganz leicht.
Hier wollte man aber etwas anderes. BT in einem anderen Licht darstellen. Im Zivilprozess bringt kein Staatsanwalt Beweisanträge oder Ermittlungsergebnisse, die BT belasten. Hier sind die Parteien die Herren des Verfahrens. Das heißt, das Gericht erhebt nur über die Beweisantritt der Parteien Beweis, wenn es nicht selbst von Amts wegen tätig wird. Jetzt sitzt aber auch der "Gegenseite" der Bruder, der im Grunde neben der Erbunwürdigkeit nur Vorteilhaftes für seinen Bruder erlangen möchte. Logischerweise wird MT also nur Beweise antreten, die für seinen Bruder
günstig sind. Etwas, das negativ für BT gewesen wäre, haben also zumindest beide Parteien nicht vorgetragen.
Der Erbunwürdigkeitsprozess war also nur dazu da, Munition für den WAV zu sammeln. Das Ergebnis war ja von vornherein klar. Die Erbunwürdigkeit musste festgestellt werden. Das konnte BT nur durch zwei Dinge tun: Versäumnisurteil ergehen lassen oder den Mord einräumen. Das zweite war klar, dass er das nicht machen würde.
Ich finde es nur auf Seiten der BT-Befürworter zu einseitig, das Zivilurteil anzuführen als Beweis, dass endlich einmal ein Gericht sich "richtig" mit dem Sachverhalt auseinander gesetzt hat. Nein, konnte es doch gar nicht. Zumindest nicht im klassischen Sinne eines streitigen Prozesses. Es war natürlich ein cleverer juristischer Zug, das Zivilverfahren zu instrumentalisieren für das WAV, aber es war doch im Grunde in diesem Verfahren nichts streitig. Die Brüder waren sich
einig: BT musste erbunwürdig sein (durch Versäumnisurteil) und man wollte ihn günstiger darstellen als im Strafprozess. BT hat ja auch im Zivilprozess geredet und SEINE Version dargelegt. Er konnte ja auch ohne Probleme reden, was er wollte, es bestand ja nicht mehr die Gefahr einer strafrechtlichen Verurteilung. Die war schon da. Schlimmer konnte es nicht mehr werden. Er wird natürlich nur Zeugen benannt haben, die für ihn günstig waren. Jetzt saß aber gleichzeitig jemand auf der "Gegenseite", der ihm ebenso nichts Böses wollte. Es wird doch also der Anwalt von MT einen Teufel getan haben, die Beweisantritte von BT unter Beschuss zu nehmen. Ganz im Gegenteil auch nur er wird bewusst Beweisantritte gebracht haben, die die Verteidigung bzw. BT im Zivilprozess gestützt haben. Da saß doch kein echter Gegner auf der Gegenseite. MT wird die "Tatversion" von BT gar nicht bestritten haben.
Und dennoch scheinen diese Aussagen im Zivilprozess nichts genutzt zu haben für das WAV, so ergiebig schienen sie dann wiederum nicht gewesen zu sein, um die Sache in ein anderes Licht zu rücken aus strafrechtlicher Sicht.
Ergo: für mich hat der Zivilprozess kaum Bedeutung, was die Schuld von BT anging, da beide "Streitparteien" dasselbe Ziel hatten und demgemäß die Beweisantritte auch nur so gewählt worden sein werden, dass sie für BT günstig waren. Sicher hat auch das Gericht noch das ein oder andere von Amts wegen geprüft, aber im Zivilgericht ist prozessleitend der Vortrag und der Beweisantritt der Parteien. Dass das Gericht also möglicherweise sogar tatsächlich zu einem anderen Urteil gekommen wäre, beweist meines Erachtens aber in keiner Weise die Unschuld von BT.
Gleiches gilt übrigens auch für das neuere Gutachten von Herrn Petermann. Dieses zeigt, dass der Tathergang anders gewesen sein kann als es das Gericht damals angenommen hat. Es lässt aber alle anderen Indizien
nicht entfallen. Es kann ja sein, dass der Täter hinter der Tante stand und sie dann erschlagen hat. Aber wieso sollte das auf einen anderen Täter hinweisen? Ganz im Gegenteil, es stützt aus meiner Sicht sogar die Täterschaft des BT. Ich sehe überhaupt keinen Grund, warum CB nicht die Tür geöffnet haben sollte, wenn BT dastand und sich zu erkennen gegeben hätte. Es kann auch gut sein, dass er mit seiner Tante noch kurz gesprochen hat, möglicherweise oben war und mit ihr gemeinsam die Treppe runterging. Und dann wird er zugeschlagen haben. Vielleicht sogar im Affekt, das will ich zu seinen Gunsten gar nicht ausschließen - dann wäre er allerdings "nur" Totschläger und nicht Mörder. Das ist ja auch das was der Staatsanwalt meinte: hätte er was in diese Richtung erklärt, hätte er wahrscheinlich "nur" auf Totschlag und nicht Mord plädiert. Der Staatsanwalt war mit dieser Aussage doch nicht von seiner Überzeugung abgerückt, dass BT der Täter war. Er hätte die Tat nur anders juristisch bewertet, das ist alles. Aber das scheinen die BT-Befürworter leider nicht zu verstehen und wittern Zweifel beim Staatsanwalt oder bei der Justiz. Die sehe ich allerdings überhaupt nicht.
Sollte CB tatsächlich BT hereingelassen haben, würde das sogar den "Overkill" erklären. BT hätte dann ganz sicher sein müssen, dass sie tot ist und nicht schwer verletzt überlebt, denn dann hätte sie ihn identifizieren können. Aus meiner Sicht ist also das Gutachten von Herrn Petermann nicht unbedingt günstig für BT. Es zeigt nur einen alternativen Tathergang auf. Aber ich bin mir sicher, dass das Gericht ihn auch bei diesem Tathergang verurteilt hätte. Die anderen Indizien bleiben alle. Und was den alternativen Todeszeitpunkt angeht, der danach möglich gewesen sein soll (es sind bei jeder Todeszeitbestimmung Ungenauigkeiten dabei), hatte BT dennoch kein Alibi, soweit ich weiß.