Itsneverbow schrieb: Ich bin der festen Überzeugung, dass Italien ein funktionierendes Rechtssystem hat. Ich sage das, weil meine Familie teilweise in Norditalien beheimatet ist und glaube zumindest einen kleinen Einblick zu haben, wie die Italiener über ihre Polizei und ihre Gerichte denken.
Es gibt Statistiken, die zeigen, dass das Rechtssystem von Italien alles andere als ein funktionierendes ist. Das Endergebnis mag vielleicht in der Regel stimmen, der Weg dahin ist alles andere als Normal und hinterlässt schwere Wunden bei den Betroffenen.
Woran ich das fest mache?
In Italien soll die Anzahl der unterschiedlichen Entscheidungen zwischen 1. Instanz und Berufung 30% betragen. Wenn man bedenkt. 30% ist sehr nahe an den 50%, die man allein durch das Werfen einer Münze erreichen kann, so scheint es mit der Rechtsstaatlichkeit der 1. Instanz in Italien nicht weit her zu sein.
In der Regel werden die Gerichte der Berufungsinstanz mit Laienrichtern ausgestattet, welche in ihrer Bildung bestimmte Mindestanforderungen erfüllen müssen. Außerdem werden dort deutlich erfahrenere Richter eingesetzt. Das bedeutet, dass – ganz unabhängig vom vorliegenden Fall – die Fehlerrate in der zweiten Instanz hoffentlich deutlich besser sein sollte als in der ersten. Wenn nein, würde das bedeuten, dass wir einen Rechtsstaat haben, der sich Gerichte erlaubt, die nicht viel besser Arbeiten als ein Münzwurf.
Woher kommt aber die erschreckend hohe Zahl der falschen Entscheidungen?
Und hier kommen wir auf dieses vorliegende Verfahren zu sprechen.
Sie selber sagen schon , dass der Steinwurf kaum so erfolgt ist, wie es Massei festgestellt hat. Sie selber haben keine Antworten auf den Todeszeitpunkt, der eigentlich durch den Mageninhalt und durch die Mobilfunkverbindung – also durch zwei ganz konkrete Dinge belegt werden kann. Stattdessen nimmt Massei irgendwelche Schreie her, die jemand gehört haben will. Die Frage wäre hier, die auch zu stellen ist, wo sind denn diese ominösen Stahltreppen? An der Villa auf jeden Fall nicht.
Ein Punkt von beiden würde Masseis Urteilsgewölbe schon zum Einsturz bringen.
Fazit: dass Massei-Urteil hat grobe logische Fehler, welche auch Sie nicht wegdiskutieren wollen oder können, welche das ganze Werk masseis exterm leicht zum Einsturz bringt. Urteilen alle 1. Instanzen in dieser Art? Dann wundere ich mich über die 30% in keiner Weise.
Itsneverbow schrieb: Ich bin absolut überzeugt, dass das höchste Gericht den "Migning-Massei-Perugia-Clan" gebremst hätte, wenn es ihn je gegeben hätte.
Jetzt wird es interessant. Wie hätte Ihrer Ansicht nach der Clan gebremst werden sollen? Durch eine Abweisung des Revisionsantrags? Nein, das hätte keinen wirklichen Effekt gezeigt.
Wie hätte der oberste Gerichtshof reagieren sollen?
Itsneverbow schrieb: Des weitern bin ich der absoluten Überzeugung, dass in Florenz ein faires Verfahren stattfinden wird, es kann immer noch ein Freispruch werden.
Ihre Überzeugung in Ehren. Ich jedenfalls weiß es nicht, aber ich hoffe es.
Itsneverbow schrieb:In vielen Dingen sind die "Italiener" nicht so konsequent wie wir und Anfang 2012 bestand vielleicht sogar die Möglichkeit, dass auch das Kassationsgericht "beide Augen zudrückt". Aber die öffentliche Wahrnehmung in den USA, die dort verbreiteten Schauergeschichten, solche wie Du sie auch heute noch verbreitest, blieben in Italien nicht unkommentiert. So entsteht ein öffentlicher Druck, das lässt sich kein Volk bieten.
An diesen Grund glaube ich nicht.
Das wäre in beiden Fällen sowohl wenn die Angeklagten schuldig sind oder nicht mit einem Rechtsstaat in keiner Weise vereinbar.
Es würde bedeuten, wenn ein Schuldiger ein Wohlverhalten gegenüber dem Staat zeigt, wird er nicht bestraft?
Umgekehrt, wenn ein Unschuldiger die Rechtsprechung in einem Land anprangert, wozu er auch allen Grund hat, dann übt der Staat seine ganze Macht aus um diesen fertig zu machen?
Ich hoffe Ihre Theorie stimmt nicht, aber nach augenblicklichem Stand kann man das nicht ausschließen.
Itsneverbow schrieb:Spätestens die Bücher und die Interviews haben diesen Konflikt nun derart polarisiert, dass es mich nicht verwundert, dass der Prozessbeginn in Florenz zu so einem frühen Zeitpunkt nach dem Kassationsgerichtsurteil beginnt und ich bin mir relativ sicher, dass wir ein zügiges Verfahren und einen unmittelbar anschließenden, erneuten Gang zum Kassationsgericht sehen werden.
Nein, die Interviews und Bücher dürften da keine Rolle spielen, da dürften Sie sich etwas vor machen. Nein, der Grund ist schlicht und einfach mit dem Menschenrechten zu erklären. Die Menschenrechte schreiben vor, dass die Verfahren in angemessener Zeit abgeschlossen werden müssen (Artikel 6 Absatz 1 Satz 1).
Schauen wir uns die Rechtsprechung unseres Verfassungsgerichts an, das sagt, dass Gerichte Verfahren priorisieren müssen, wenn Verfahrensfehler bewirkt haben, dass ein Verfahren insgesamt verzögert wurde. Diese Rechtsprechung hat das BVerfG aus den Menschenrechten abgeleitet, würde entsprechend auch für Italien gelten.
Durch die Aufhebung des Berufungsurteils ist das Verfahren insgesamt extrem verlängert worden, damit ist der frühe Termin Pflicht in einem Staat, der sich Rechtsstaat nennt. Für mich war daher der doch recht frühe Termin ein Zeichen, das Rechtsstaatlichkeit in Italien in diesem Fall evtl. noch eine Chance hat. Auch wenn u.U. damit schon wieder der Artikel 6 Absatz 3 b evtl. gefährdet sein könnte. Aber bei etwas mehr als 2 Monaten sehe ich die Gefahr nicht. Da gibt es in D teilweise kürzere Termine.