willybald schrieb:Ich frage dich ernsthaft, Warum das Risiko? Warum die Fahrerei?
Das Thema "Ortung" wird hier -denke ich- manchmal überbewertet. Die Vorstellung, es würde nur Sekunden nach dem Rufaufbau die exakte Position des Anrufenden irgendwo auf einem Bildschirm der Polizei PB angezeigt werden können, ist schlichtweg falsch. Man muß sich die Situation damals klar machen. Die Polizei hatte eine Vermisstenmeldung. Es gab den Anfangsverdacht, FL könnte unfreiwillig d.h. gegen ihren Willen festgehalten werden. Aber es gab keinen Beweis. Im Gegenteil. Die Anrufe nebst Rückkehrankündigungen sprachen genauso wie das Ausbleiben von Forderungen oder Bedingungen für eine Rückkehr faktisch ersteinmal gegen eine Freiheitsberaubung.
Natürlich war den Angehörigen/Freunden sofort klar, dass FL niemals freiwillig in diese Situation gegangen wäre und die Anrufe ein ernsthafter Grund zur Besorgnis waren. Aber auf den Handlungsspielraum der Polizei reduziert, gab es -zumindest am Anfang- keinen besonderen Grund einen Großalarm auszulösen. Man konnte im "Rahmen der Streife" Ausschau halten, es wurde sogar ein Ortungsauftrag für vergangene Anrufe/SMS angefordert. Aber das war mMn auch schon das Maximum dessen, was der Polizei -gemessen an der Verhältnismäßigkeit- an vertretbaren Möglichkeiten zur Verfügung stand.
Was hätte man machen können, wenn ein "Großalarm" gerechtefertigt gewesen und ausgelöst worden wäre ? Eine Liveortung mit mobiler Ortungseinheit erscheint mir -aus polizeilicher Sicht- zu ineffektiv und zu weit hergeholt. Diese theoretische Möglichkeit hätte zu viele Kräfte vor Ort gebunden, ohne das man sicher hätte davon ausgehen können, dass der Täter weitere Anrufe aus dem überwachten Gebiet tätigt.
Eine Funkzellenortung ist effektiver, aber relativ ungenau. Es hätte einige Zeit gedauert, entsprechende Kräfte zur Fahndung in den georteten Bereich zu bringen. Wie gesagt, man konnte jetzt keine Hundertschaften in Bereitschaft versetzen und in der Nähe auf die Stunde "X" warten lassen. Die Polizei hat ja auch noch andere Einsätze zu bewältigen.
Das Risiko für den Täter war zwar messbar vorhanden, konnte aber durch bestimmtes Verhalten zumindest gemindert werden. Diese Faktoren waren mMn:
-Kurze Anrufdauer (Anrufort anfahren, kurzes Gespräch, Anrufort sofort verlassen)
-Unauffällige Mobilität (z.B. Transporter, Wohnmobil)
-Gesicherter "Unterschlupf" in der Nähe (kurze Fahrstrecke, blickgeschützt, befriedet)
-Unauffälliges Verhalten (kein Rasen, kein auffälliger Parkplatz, kein Publikum/Anwohner)
-Verkehrsgünstige Lage (mehrere Möglichkeiten der An-/Abfahrt, Schnellverkehrswege in der Nähe)
Daraus ergibt sich für mich folgender Ansatz:
Entweder wußte der Täter sehr genau, dass sein Verhalten und die begünstigenden Faktoren einen Zugriff der Polizei unwahrscheinlich machen würden, oder er ließ es einfach darauf ankommen, weil es ihm nicht vollumfänglich klar war. Das Restrisiko einzugehen, mußte dennoch einen Grund haben, da ich den Täter nicht als bildungsfern und leichtfertig einschätze.
Also zurück zur Eingangsfrage. Warum die Fahrten und die Inkaufnahme des Restrisikos ?
Meine Vermutung ist die Folgende: Er minimierte durch die Lebenszeichen des Opfers und Rückkehrankündigungen die polizeilichen Möglichkeiten. Zweitens erweiterterte er gleichzeitig den Opferkreis, ohne weitere Personen direkt angehen zu müssen. Ein mMn sehr wichtiger Aspekt. Da er keine Forderungen stellte und FL auch nicht zurückkehren ließ, ist diese Unterstellung für mich das derzeit plausibelste Motiv für die Anrufe. Die maximale Befriedigung/Erreichung seiner Tatmotive ließen ihn das Restrisiko eingehen.
Daraus ergibt sich aber auch eine weitere Vermutung. Wenn der Täter so hochgradig pervers und voll krimineller Energie war, wie ich in meiner Annahme unterstelle, weshalb wurde er scheinbar nie wieder auffällig ? An diese Frage knüpfe ich eine weitere Vermutung, nämlich das der Täter sein Opfer UND das Umfeld kannte und diese Tat der Gipfel und Abschluß eines lang gehegten Planes war. Nach dem Ableben des Opfers endete diese Episode. Er hatte es quasi zuende gebracht. Für neue Taten gab es dann ersteinmal keinen Anlass mehr. In der Zwischenzeit könnten sich dann auch Umstände geändert haben, weshalb der Täter scheinbar nie wieder in Erscheinung trat.