@raydenrayden schrieb:Nicht zuletzt stellt sich für mich aber auch die Frage, ob jemand so etwas als Ersttat hätte ausführen können.
Warum nicht?
Von einem Einbrecher kann man eher vermuten, dass er mit Diebstählen und kleineren Einbrüchen beginnt, bevor er sich einer Villa mit Alarmanlage zuwendet. Ich vermute, der Wert solcher "Erfahrungen" besteht für einen Einbrecher vor allem in zunehmender Selbstsicherheit und Nervenstärke.
Nach meiner Meinung ist ein - zumal intelligenter - Psychopath darauf nicht angewiesen. Er ist, wenn man sich auf die Definition dieses Begriffs beschränkt, nicht psychisch krank oder geistesgestört, sondern das, was man "anormal veranlagt" nennt: ein Mensch ohne Empathie und moralische Skrupel.
Ich halte es für möglich, dass es für ihn reichte, das Verbrechen immer wieder in Gedanken durchgespielt zu haben, und der Schritt von der Vorstellung in die Realität für ihn dann nicht mehr groß war.
Ein Beispiel aus England:
Vor einigen Jahren habe ich mit großem Interesse in englischen Zeitungen die Aufklärung eines Mordes verfolgt, der in Großbritannien ziemliches Aufsehen erregte.
Eine junge Gartenarchitektin wohnte mit ihrem Verlobten zusammen in einer gutsituierten Gegend. Nach einer kleinen Weihnachtsfeier mit Kollegen ging sie nach Hause und verschwand kurz nach ihrer Ankunft spurlos - ohne Handy, Schlüssel, Handtasche und Wintermantel. Ihr Verlobter war für 2 Tage verreist; in der Wohnung gab es keinerlei Einbruchsspuren. Nach einer Woche fand man ihre Leiche.
Und nach einiger Zeit auch den Täter. Es war ihr Nachbar, der mit seiner Verlobten zusammenlebte und mit der er bereits die Hochzeit plante. Ein junger, promovierter Ingenieur, beruflich erfolgreich, von Kollegen als sehr kompetent, tüchtig und sympathisch beschrieben. Er nahm gern an Marathonläufen teil, hatte Freunde, war für seine Verlobte die "Liebe ihres Lebens" und für deren Eltern der ideale Schwiegersohn.
Er kam aus völlig normalen bürgerlichen Verhältnissen, der Jüngste unter seinen Geschwistern, die ebenfalls erfolgreiche Akademiker waren und nach seiner Verhaftung nicht eine Sekunde an seiner Unschuld zweifelten. Gemeinsam mit dem Vater seiner Verlobten, einem renommierten Juristen, organisierten sie sofort die Verteidigung, und ehemalige Kommilitonen veröffentlichten ihre Empörung über eine solche Verdächtigung.
Schließlich gestand er, um Verharmlosung bemüht, die Tat. Das Gericht ging jedoch davon aus, dass er das Opfer aus sexuellen Motiven erwürgt hatte. Die Auswertung seines PCs zeigte, dass er intensiv Pornofilme konsumierte, in denen die Frauen - meistens durch Strangulation - umgebracht wurden. Seine Verlobte, die nicht das geringste geahnt hatte, hatte noch Jahre danach Probleme, das Geschehene zu bewältigen.
Und noch zu der Tat: Das Opfer sah ihn vom Küchenfenster und winkte ihm freundlich zu, sie kamen ins Gespräch und sie öffnete ihm die Tür. Nach der Tat lud er ihre Leiche in seinen Kofferraum, brachte sie zu einem umzäunten, aber kaum genutzten Gelände (wo sie nur durch Zufall gefunden wurde) und ging auf der Rückfahrt noch in einem Supermarkt einkaufen. Anschließend holte er seine Verlobte fürsorglich von einer Firmenfeier ab und gemeinsam aßen sie dann noch etwas in einem Imbiss.
Er zeigte sich tief bestürzt über das Verbrechen an seiner Nachbarin und meinte, das könne nur die Tat eines Psychopathen sein.
Nach der Aufklärung gab es die Vermutung, das könne doch nicht seine erste Tat sein. Die Polizei forschte nach - nichts. Es war sein erstes Verbrechen, und niemand unter denen, die ihn kannten, hätte es ihm zugetraut.