Mord an Frauke Liebs
03.08.2018 um 15:48
Um die Sache mit dem „3 x Mama“ mal zum Abschluss zu bringen…
Mitte der 90-er Jahre begann ich eine Studie zur Kraft der Mythen und dessen Wirken auf das kollektive Bewusstsein des Menschen. Mythen werden von Generation zu Generation weiter getragen und wirken unbewusst auf uns und in uns. In der heutigen Zeit spielen Mythen kaum noch eine Rolle, trotzdem wirken einige Teile immer noch unbewusst auf uns. Und zwar in Form der Symbolik. Es ist erstaunlich, wie Jahrtausende alte Symbole auch heute noch unbewusst auf uns wirken. Und damit meine ich nicht nur das Kruzifix.
Dieser Exkurs musste sein, damit ich den Bogen in einigermaßen verständlicher Weise auf die „Drei“ hin bekomme. Auch Zahlen sind Symbole. Und nun kann sich ja jeder mal überlegen, wie präsent die „Drei“ in seinem Leben ist…
Bereits seit dem Altertum trägt sie Symbolcharakter. Sie begegnet uns täglich und überall. Wir alle wachsen bereits in unserer Kindheit mit der „magischen“ Drei auf. Sie findet sehr oft in Märchen und Volkssagen Erwähnung. Es gibt drei Prüfungen zu bestehen, drei Wünsche einer Fee, drei Brüder, drei Schwestern usw. In den Religionen finden wir wiederum die drei: Das Prinzip der Heiligen Dreifaltigkeit, die Heiligen Drei Könige… Das dreiblättrige Kleeblatt bringt Glück. Alle guten Dinge sind drei… Selbst das weltweite SOS-Signal besteht aus der Drei (3-mal lang, 3-mal kurz, 3-mal lang) Wenn wir irgendwo anklopfen, so klopfen wir in der Regel 3-mal. Und das machen wir unbewusst. Kaufe 3, zahle 2 usw. Die Drei ist bereits so stark im kollektiven Gedächtnis verankert, dass wir das ohne nachzudenken tun.
Aber wie verhält es sich unter starken physischen und psychischen Belastungen? Vielleicht ein Beispiel: Ich hatte vor einigen Jahren einige Berichte von verunglückten Bergleuten in Südamerika gelesen. Sie waren Untertage eingeschlossen. Tagelang versuchten Rettungsmannschaften zu den Verschütteten vorzudringen. Die Eingeschlossenen waren in einem erbärmlichen Zustand, der Sauerstoffgehalt sank rapide und die Erschöpfung war groß. Dann aber hörte man Geräusche der Räumkommandos. Die Eingeschlossenen nahmen alle Kraft zusammen und gaben Klopfgeräusche und zwar im Dreier-Takt. Die Eingeschlossenen wurden befreit und später hatte man sie befragt, wer auf die Idee gekommen sei, im Dreier-Takt zu klopfen. Die Antwort verblüfft: Wir haben nicht darüber nachgedacht, sondern einfach nur geklopft, der Dreier-Takt ergab sich von allein… er schien uns am vertrautesten…
In der Gesamtbetrachtung aller Anrufe und Mitteilungen, ergibt sich eine Zweiteilung. Sowohl vom Inhalt, als auch vom Sinn. Der Anruf vom 22.06.06 (Donnerstag) sowie die SMS vom 23.06.06 (Freitag) tragen rein informativen Charakter und scheinen vom Täter initiiert. Sie dienen nur einem Zweck: Von Nieheim abzulenken und den Fahndungsdruck zu mildern.
Donnerstag 22.06.2006 22.25 Uhr aus Funkzelle Paderborn-Sennelager OT Dreihausen
Inhalt (sinngemäß):
Frauke: "Hallo Christos, ich wollte sagen, dass es mir gut geht und ich bald nach Hause komme.
Sage Mama und Papa und den anderen Bescheid."
Bereits in dieser Mitteilung gibt es eine erste Information… die veränderte, sonst nicht übliche Ansprache des Vornamens. Der erste Hinweis, dass etwas nicht stimmt.
Freitag 23.Juni 2006 23.04 Uhr SMS von Frauke an Chris - aus Funkzelle Paderborn Gewerbegebiet Dören
Inhalt: "Ich komme heute zurück nach Hause. Bin in Paderborn. Hdgdl"
Bedeutet, Hallo ich bin noch da und komme heute nach Hause…
Freitag 23.Juni 2006 23.06 Uhr Anruf von Fraukes Bruder auf Fraukes Handy - sie war noch in der gleichen Funkzelle Gewerbegebiet Dören.
Inhalt (sinngemäß):
Frage des Bruders : "Wo bist du, was machst du, wann kommst du nach Hause?"
Antwort Frauke: "Komme nach Hause, auch nicht zu spät, bin in Paderborn, frag nicht, ich komme nach Hause."
Dieser Anruf kam nur dadurch zustande weil Fraukes Bruder eine entsprechende Funktion in seinem Handy eingestellt hat. Inhaltlich ist der Anruf eine Wiederholung der zuvor gesendeten SMS. Mehr dazu unter „Ortungsdaten“.
Alle weiteren Anrufe wurden wahrscheinlich von Frauke initiiert. Deutlich erkennbar am Dialog-Charakter. Möglicherweise konnte sie den Täter zu den weiteren Anrufen bewegen. Da ihr nun klar wurde, dass der Täter sie nicht mehr gehen lassen würde, musste sie sich etwas einfallen lassen und fasste einen Plan. Frauke muss sich intensive Gedanken darüber gemacht haben, wie sie Informationen in den folgenden Anrufen weiter geben kann.
Wahrscheinlich half ihr der „angeborene“ Sinn zur Paradoxie. Und das müsste Chris doch verstehen, er wusste doch wie sie „tickt“. Heute wissen wir, dass die Anrufe Fraukes, für alle Beteiligten ein Rätsel waren. Man ahnte zwar, dass das dreimalige wiederholen vielleicht ein versteckter Hinweis wäre, verfolgte diesen wohl nicht weiter.
Frauke war sich also darüber im Klaren, dass sie nicht frei kommen würde und überredete den Täter zu einem Anruf.
Samstag 24.Juni 2006 14.23 Uhr Anruf von Frauke bei Chris - aus Funkzelle Paderborn Industriegebiet Mönkeloh
Inhalt (sinngemäß):
Frauke: "Ich komme nicht so spät zurück. Komme heute Abend nach Hause."
Chris: "Bist du verletzt?"
Frauke: "Nein, ich bin in Paderborn. Ich bin in Paderborn. Ich bin in Paderborn."
Dieser Anruf hatte nur eine Funktion: Chris etwas zu signalisieren, auf etwas vorzubereiten.
Auf die Frage von Chris, ob sie verletzt sei, konnte Frauke nur mit einem „Nein“ antworten. Alles andere wäre kontraproduktiv, ja konnte sogar ihre momentane Lage verschlimmern. Dieser Anruf ist aus einem weiteren Grund interessant. Fraukes Handy hat sich in den Funkmast im Industriegebiet Mönkeloh eingebucht. Dazu weiter unter "Ortungsdaten".
Sonntag 25.Juni 2006 22.28 Uhr Anruf von Frauke bei Chris - aus Funkzelle Paderborn -Berliner Ring
Inhalt (sinngemäß):
Frauke: "Komme heute nach Hause"
Chris: "Bist du in Gefahr?"
Frauke: "Nein"
Chris: "Warum bist du gestern nicht nach Hause gekommen?"
Frauke: "Kann ich dir erklären"
Chris: "Wo bist du?"
Frauke: "Erkläre ich dir, wenn ich zu Hause bin."
Der Anruf am Sonntag hat nur eine Funktion, weiteres Vertrauen aufzubauen. Dem Täter zu signalisieren: ich gebe keine Informationen weiter, ich möchte nur reden… Möglich, dass der Täter seinen Unmut über die dreimalige Nennung von Paderborn am Vortag äußerte und Frauke deshalb nichts verlauten ließ…
Dienstag, 27.Juni 2006 23.24 Uhr Anruf von Frauke bei Chris - aus Funkzelle Paderborn Industriegebiet Benhauser Feld
Inhalt (sinngemäß): In diesen Anruf legt Frauke alles hinein:
Antworten habe ich mit Korrespondierenden Ziffern kommentiert.
Frauke: "Hallo Chrissy. Mir geht es gut."
1 Chris: "Wo bist du?"
1 Frauke: "Kann ich nicht sagen."
Chris: "Komm doch nach Hause."
Frauke: "Nein, das geht nicht."
Chris: "Warum denn nicht?"
Frauke: "Kann ich dir nicht sagen."
2 Chris: "Wirst du festgehalten?"
2 Frauke: "Ja ... Nein! Nein!"
Chris: "Hast du Angst?"
Frauke: "Nein."
Chris: "Wer ist bei dir?"
Frauke: "Kann ich dir nicht sagen."
Chris: "Bist du müde?"
Frauke: "Ja, sehr müde."
3 Chris: "Weißt du, dass die Polizei nach dir sucht?"
3 Frauke: "Ja, ich weiß."
3 Chris: "Woher weißt du das?"
3 Frauke: "Ich bin ja fast eine Woche weg."
4 Chris: "Warum bist du denn weg?"
4 Frauke: "Das weißt du doch, Chris."
5 Chris: "Nein. Hast du einen anderen Typen kennengelernt?"
5 Frauke: "Du weißt doch, dass ich nicht wegen ’nem Typen eine Woche weg bleibe. Du kennst mich doch."
Chris: "Karen ist bei mir. Wir machen uns alle Sorgen."
Frauke: "Sind Mama und Papa auch da?"
Chris: "Die waren hier."
Frauke: "Sag ihnen, dass ich sie ganz doll liebe."
Chris: "Wann kommst du zurück?"
Frauke: "Ich weiß nicht."
Chris: "Warum bist du nicht gekommen, obwohl du gesagt hast, dass du heute zurückkommst?"
Frauke: "Erklär ich dir später."
Chris: "Soll ich dich abholen?"
Frauke: "Nein, das geht nicht."
Chris: "Können wir uns irgendwo treffen?"
Frauke: "Das geht nicht."
6 Chris: "Wo bist du?"
6 Frauke: "Mama."
6 Chris: "Wo bist du?"
6 Frauke: "Mama."
6 Chris: "Wo bist du?"
6 Frauke: "Mama."
Chris: "Wann meldest du dich?"
Frauke: "Weiß ich noch nicht."
Chris: "Melde dich doch wenigstens einmal am Tag."
Frauke: "Hab ich die anderen Tage doch auch gemacht."
Chris: "Ich war sehr traurig, dass du dich gestern nicht gemeldet hast."
Frauke: "Ja, ich weiß, dass du sehr traurig warst ... Gib mir Karen, bitte."
Karen: "Hast du Angst, nach Hause zu kommen?"
Frauke: "Nein."
Karen: "Wir räumen auch die Wohnung, und keiner fragt dich, was passiert ist. Komm doch wieder."
7 Frauke: "Das geht nicht, ich lebe noch!"
Karen: "Bist du mit einer oder mehreren Personen zusammen?"
Frauke: "Bitte frag mich nicht. Ich würde gerne bei euch sein. Ich würde gerne nach Hause."
(Chris nimmt das Handy)
Chris: "Melde dich wenigstens einmal am Tag."
Frauke: "Ja, mache ich. Ciao. Bis bald."
Zu1.
Chris macht den Fehler und stellt die Eingangsfrage:“ Wo bist du?“ Das ist deutlich zu früh um die Antwort zu „verpacken“.
Zu 2.
Frauke antwortet auf Chris Frage ob, sie festgehalten wird, zunächst mit einem Ja, revidiert diese Antwort aber sofort wieder mit der zweimaligen Verneinung „Nein“
Entscheidend ist die Erstnennung mit Ja, weil das „Nein, Nein“ mit Fraukes Schlussantworten wieder entkräftet wird.
(„Ich würde gerne bei euch sein. Ich würde gerne nach Hause.")
Zu 3.
Diese Frage ist interessant, weil Frauke offensichtlich genau weiß, wie lange sie schon festgehalten wird. Wer ständig unter Drogen steht, verliert schnell das Zeitgefühl. Vielleicht ein weiteres Indiz dafür, dass hier keine Drogen im Spiel waren.
Zu 4.
Chris scheint nichts begriffen zu haben. Er fragt, warum Frauke fort ist und Frauke antwortet mit: das weißt du doch Chris, aber Chris antwortet mit „Nein“, obwohl Frauke diese Frage bereits indirekt unter Pkt. 2 (mit Ihrem „Ja“) beantwortet hat.
Zu 5.
Chris fragt Frauke, ob sie bei jemandem ist, den sie kennen gelernt hat. Frauke antwortet, dass Chris es eigentlich wissen müsse, dass sie nicht mit einem Fremden loszieht. Ist eine indirekte Antwort auf die Frage bei wem sie ist: Es ist kein Bekannter!
Zu 6.
Frauke hat auf diese Frage die ganze Zeit gewartet, aber ob Chris ihre Mitteilung am Ende des Gespräches vom Samstag verstanden hat? Was beide nicht wissen, in diesem Dialog kommt es zum größten Missverständnis auf beiden Seiten.
Chris fragt das erste Mal: „Wo bist du?“
Frauke antwortet: „Mama“
Chris vermutet, dass Frauke ihn nicht verstanden hat und fragt nochmals nach: „Wo bist du?“
Frauke antwortet wiederum mit „Mama“ und denkt, wenn er jetzt noch einmal fragt, dann hat Chris den Hinweis verstanden.
Chris fragt ein drittes Mal nach: „Wo bist du?“ und denkt, wenn Frauke jetzt wieder mit „Mama“ antwortet, frag ich nicht mehr nach…
Dieser Teil des Gespräches gehört zum größten Diskussionspunkt und spaltet alle Beteiligten in zwei Lager. Eine Seite vermutet darin einen versteckten Hinweis, die andere hingegen begründet den Dialog mit Fraukes Verfassung und dem nahen Ende.
Dazu folgendes:
Die einfachste Form der offenen Codierung besteht darin, bestimmte Schlagwörter innerhalb eines beliebigen Textes als Codewörter festzulegen, die nur Sender und Empfänger bekannt sind. Auf die Besonderheit der Zahl 3, die als allgemeines Symbol aufgefasst werden kann und mehr oder weniger fest im kollektiven Bewusstsein verankert ist, habe ich bereits hingewiesen. Was heißt das in diesem Fall? Frauke hat durch die dreimalige Nennung des Ortes Paderborn, den „Decodier-Apparat“ gleich mitgeliefert. „Mama“ bedeutet in diesem Fall eindeutig Bad Driburg. Dort war Mutter Liebs Direktorin am Gymnasium und hatte auch ihre Zweitwohnung. Vermutlich gab es im Vorfeld einen Auslöser, warum Frauke das Wort „Mama“ wählte. Da der Täter vom Festhalteort mehrmals zum Telefonieren mit Frauke nach Paderborn in die Gewerbegebiete gefahren ist, müssen sie durch den Ort gefahren sein. Frauke könnte das registriert haben. Das bedeutet allerdings auch, dass der Täter nicht gewusst hat, wo Fraukes Mutter arbeitet. Deshalb konnte Frauke es geschickt „verpacken“.
Zu 7.
Karen: … Komm doch wieder.
Frauke daraufhin: „Das geht nicht“, und schiebt noch die Worte: „ich lebe noch“ hinterher.
Könnte gleichbedeutend sein mit: Es geht mir schlecht, aber ich halte durch… macht nicht so lange… habe euch doch gesagt wo ich bin…
Die Ortungsdaten
Die erste SMS wurde aus Nieheim-Entrup gesendet.
Donnerstag 22.06.2006 22.25 Uhr aus derFunkzelle Paderborn-Sennelager OT Dreihausen
Dieser Ort ist der am weitesten entfernte, also möglichst weit weg vom Festhalteort?
Freitag 23.Juni 2006 23.04 Uhr SMS von Frauke an Chris - aus Funkzelle Paderborn Gewerbegebiet Dören
und
Freitag 23.Juni 2006 23.06 Uhr Anruf von Fraukes Bruder auf Fraukes Handy - sie war noch in der gleichen Funkzelle Gewerbegebiet Dören.
Der Rückruf von Fraukes Bruder hat keine Bedeutung, weil Frauke lediglich den Inhalt der SMS wiederholt. Auch hätte es diesen Anruf ja nie gegeben. Allerdings ist dieser Anruf dahingehend von Bedeutung, weil dieser sich in einem anderen Abstrahlwinkel eingebucht hat. Das Handy also innerhalb der 2 Minuten scheinbar eine Süd-Ost Bewegung in Richtung B 64 vollzogen hat. Interessant ist auch, dass Frauke noch im Besitz ihres Handy’s war, obwohl hier offensichtlich bereits die Weiterfahrt angetreten wurde. Hatte der Täter so viel Vertrauen in Frauke, dass sie noch das Gespräch annehmen durfte? Oder hat Frauke tatsächlich noch an eine Freilassung geglaubt und vertraute dem Täter?
Samstag 24.Juni 2006 14.23 Uhr Anruf von Frauke bei Chris - aus Funkzelle Paderborn Industriegebiet Mönkeloh
Hauptstrahlrichtung des Senders ist 180°. Mögliche Abweichungen werden mit +/- 60° angegeben. Aber gehen wir einmal davon aus, dass es nur minimale Abweichungen gibt, dann führt eine gedachte, senkrechte Linie (180°) über die Halberstädter Straße. Und fast Punktgenau dort, befand sich bis 2016 ein bei LKW-Fahrern beliebter Imbiss mit großem Parkplatz, der Trucker-Treff Mönkeloh. Samstags Nachmittag war dort kaum etwas los und dieser schloss um 16.00 Uhr.
Sonntag 25.Juni 2006 22.28 Uhr Anruf von Frauke bei Chris - aus Funkzelle Paderborn -Berliner Ring
Am Montag, 26.06.2006 gab es keinen Anruf. Der Grund ist nicht bekannt.
Dienstag, 27.Juni 2006 23.24 Uhr Anruf von Frauke bei Chris - aus Funkzelle Paderborn Industriegebiet Benhauser Feld
Die meisten sowie die letzten Anrufe unterliegen der Besonderheit, dass sie aus dem Gewerbegebiet Dören/Benhauser Feld erfolgten. Das könnte an die schnelle Erreichbarkeit zum einen sowie dem kürzesten Weg nach Bad Driburg zum andern liegen.
In der Gesamtschau ergibt sich eine Verdichtung auf Bad Driburg und scheint eines der zentralen Orte zu sein. Möglicherweise ist das sogar der wirkliche Festhalteort, zumal der Hinweis von Frauke auf Bad Driburg verweist. Der Anruf aus Mönkeloh, wo sich ein Trucker-Treff befand, das ansteuern von Industrie- und Gewerbegebieten könnte auf die Art des Fahrzeuges hinweisen. Die B 64 scheint dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Ein echter Hinweis kann der Anruf vom Sonntagabend sein. Die 22.00 Uhr Marke könnte sich als Zeit- und Entfernungsmesser erweisen. Auch wenn der Täter mit seinem Fahrzeug nicht dem Sonn- und Feiertagsfahrverbot unterlag (> 7,5 t) könnte er wegen der Risikominimierung (Zufallskontrolle durch die BAG) erst um 22.00 Uhr losgefahren sein. Von Bad Driburg bis ins Gewerbegebiet Dören benötigt man 20-25 min. Per LKW vielleicht ein paar Minuten mehr. Der Anruf erfolgte um 22.28 Uhr. Es kann aber eben auch ganz anders sein…
Aber wie passt Nieheim, der ja für die Ermittlungsbehörden der wahrscheinliche Festhalteort war. Nieheim würde passen, wenn der Täter rein privat unterwegs gewesen wäre und sein zu Hause in Nieheim ist. Wäre der Täter aufgrund seiner Arbeit unterwegs und Nieheim lediglich eine Zwischenstation, dann wäre die von dort gesendete SMS reiner Zufall gewesen.
Der Fundort liegt auf der linken Seite (aus Richtung. Asseln)der L817, erste Wegeinmündung hinter der Bahnquerung nach Norden. Es handelt sich um einen damals mit einem Schlagbaum gesperrten Waldweg, der allerdings schon in Karten um 1896 verzeichnet ist. Aus Richtung Neuenheerse kommend, sind es bis zum Ablageort nur wenige Kilometer.
Der Täter kannte sich also recht gut in dieser Gegend aus. Auf Grund der geringen Entfernung von der Straße und der oberflächlichen Abdeckung vermutete man eine gewisse Eile. Die Umkehrung würde in diesem Fall eine Kontroll- bzw. Überwachungsroutine bei jeder Vorbeifahrt bedeuten.
Wir haben ein Gebiet, das sich von Paderborn bis Nieheim einerseits und Nieheim, Lichtenau, Paderborn andererseits erstreckt, in dem der Täter sich gut auskennt und offensichtlich auch regelmäßig vielleicht beruflich unterwegs ist? Was verbindet Nieheim, Paderborn, Lichtenau/Asseln und Bad Driburg miteinander? Was wurde dort nachts beliefert?
Wie konnte Frauke Liebs überhaupt in diese Lage kommen?
Frauke wird von Familienangehörigen, Freunden und Bekannten als selbstbewusster, offener Mensch beschrieben. Sie war ein sehr hilfsbereiter Mensch, kam sogar mit schrägen Vögeln auch in komplizierten Situationen klar. Aber sie war nicht der Typ, der sich einfach so von Männern anquatschen und schon gar nicht „abschleppen“ lässt, so ihre Schwester. Sie wollte überall helfen und hatte fast ein Helfersyndrom, sagt Chris, ihr ehemaliger Freund über sie.
Diese Eigenschaften zeichnen häufig altruistisch veranlagte Personen aus. Sie treffen oft paradoxe, in sich widersprüchliche und uneigennützige Entscheidungen, die auf das Wohlwollen des Hilfebedürftigen abzielen. Diese Art macht sie zu Menschen mit denen man durch „Dick und Dünn“ gehen kann. Sie sind sehr beliebt.
Als Frauke am 20.06.2006 gegen 23.00 Uhr den Pub verließ, verliert sich ihre Spur. Niemand weiß, welchen Heimweg Frauke genommen hat. Keiner hat etwas Ungewöhnliches bemerkt. Frauke war einfach spurlos verschwunden… Auf Grund der schon fortgeschrittenen Stunde, sie müde war und das sie am nächsten Tag früh aufstehen und zur Schule musste und Chris zu Hause auf sie wartete weil sie ihm ihren Schlüssel gegeben hatte, ist eine Verabredung mit einer unbekannten Person eher unwahrscheinlich. Eine gewaltsame Entführung wäre möglich – nur wie begründet man die freiwillige SMS aus Nieheim? Eigentlich gibt es hier nur eine schlüssige Antwort, in der sich auch ihre altruistische Eigenschaft widerspiegelt. Eine paradoxe Situation! Irgendwo auf dem Heimweg muss es eine unfreiwillige Situation gegeben haben, aus der sich im Anschluss ihr freiwilliges mitfahren begründet. Vielleicht ein kleiner Unfall, den niemand mitbekommen hat?
Erstaunlich finde ich die Berichte von Chris sowie Fraukes Bruder und Schwester. Alle drei kommen hinsichtlich Fraukes Geisteszustand und Sprachqualität, übereinstimmend zum Ergebnis, dass sich Fraukes Stimme eher langsam und verwaschen anhörte. Vergleichbar mit Zuständen nach Drogenkonsum oder der Einnahme anderer Sucht- und Betäubungsmittel. Wenn man derart „zugedröhnt“ wird, kann man dann noch solche Telefonate führen, wo man nicht mehr ganz „Herr seiner Sinne“ ist? Frauke hat alle Fragen exakt verstanden und überlegte ausweichende Antworten gegeben. Kann man das, wenn man in „anderen Sphären schwebt“? Ich befragte dazu einen Bekannten, der schon viele Jahre in der Kinder- und Jugendsuchthilfe arbeitet. Auch für ihn ist es schwer vorstellbar. Aber woher kommt diese vernommene Stimmlage? Viele wissen bzw. kennen den Zustand nach einem Drogenkonsum, aber niemand kann sich mehr vorstellen, wie es sich anhört, wenn im vorderen Zahnbereich, ein Zahn fehlt. Durch die Zahnlücke entweicht ungewollt Luft, was sich deutlich auf die Sprachqualität auswirkt. Das wäre meiner Meinung nach die plausibelste Erklärung. Eine Anspielung auf den fehlenden Zahn (31?) im Unterkiefer. Wildverbiss oder Unfall? Gab es vielleicht doch einen Unfall, eine Kopfverletzung mit Schädel-Hirn-Trauma o.ä. Auf Röntgenbildern sind die oftmals damit verbundenen feinsten Haarrisse, kaum bzw. gar nicht sichtbar. CT bzw. MRT liefert deutlich bessere Details.
Daraus entwickelte ich eine Arbeitshypothese, wie es sich meiner Meinung nach vielleicht zugetragen haben könnte.
Es könnte einen Unfall auf dem Heimweg gegeben haben, den niemand wahrgenommen hat. Frauke trug eine Verletzung davon, welche ihren Zustand während der Anrufe erklären würde. Der Fahrer bettelt Frauke an…keine Polizei zu rufen… vielleicht Alkoholfahrt? Schwarzfahrt? Aus Sicht des Fahrers steht für ihn zu viel auf dem Spiel. Er bietet Frauke an, sie zur Klinik zu fahren… müsse aber erst noch dringend einen Auftrag erledigen…. in Nieheim. Frauke, trotz ihres Zustandes immer hilfsbereit, willigt ein. Zwischenzeitlich konnte Fraukes Handy aufgeladen werden, weil sie Chris noch eine Nachricht schreiben musste, ohne einen Hinweis auf die Ereignisse zu geben. Vielleicht auf Wunsch des Täters.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Täter, Frauke im Anschluss tatsächlich in eine Ambulanz fahren wollte. Möglicherweise überforderten die Ereignisse den Täter und so verschob er die Freilassung bzw. Klinikfahrt auf den nächsten Tag. Frauke vielleicht mit Schmerzmittel ruhig gestellt, willigt wiederum ein. So gelingt es dem Täter, Frauke bis zum Freitag hinzuhalten. Dann wurde Frauke immer bewusster, dass sie nicht frei kommen würde. Und genau das, kann man aus dem Verlauf der Anrufe und Mitteilungen ersehen.
Der Täter muss sich natürlich Gedanken gemacht haben, wie es mit Frauke weiter gehen soll. Irgendwann in den ersten zwei bis drei Tagen muss er die Entscheidung getroffen haben, dass es für ihn keinen Weg „Zurück“ gibt. Vermutlich hat die nun angelaufene offizielle Suchaktion die Entscheidung begünstigt. Da es sich nun offiziell um einen Entführungsfall handelte und er aus dieser Sache nicht mehr schadlos heraus kommen würde. Jetzt gab es für den Täter nur noch eines zu tun: Verzögerung und Ablenkung.
Er informierte sich intensiv über die angelaufenen Suchaktionen und erfuhr von der SMS aus Nieheim. Die zufällig aus dem Raum Nieheim abgesetzte SMS erwies sich nun als außerordentlicher Glücksfall für den Täter. Die Ermittler legten sich auf den Großraum Nieheim fest und der Täter brauchte nichts weiter tun, als sie in diesem Glauben zu lassen. Perfekt, besser konnte es gar nicht laufen…