@tisch tisch schrieb:ch stelle mir einen typen vor, der in einem bestimmten milieu durchaus kontakte pflegt aber von der allgemeinheit eher ein wenig gemieden wurde. vielleicht wurde er als "asozial" bezeichnet oder als jemand, "dem man krude dinge zutraut", dem "keiner so recht traut" etc. das, was man eben auf dem dorf so sagt.
wahrscheinlich hat er eine arbeit aber die ist deutlich flexibler zu gestalten als wir hier immer diskutieren und da man diesem typen "eh nicht so recht über den weg traut" wundert es die nachbarschaft auch nicht, dass er abends nochmal unterwegs ist weil er eben schon öfters durch solches verhalten aufgefallen ist. wenn er dann noch dafür bekannt ist, an autos oder motorrädern rumzuschrauben nach der arbeit, wundert es vielleicht noch weniger, wenn er auch abends noch durch die gegend fährt, um zu seinem schuppen, zur garage, seine werkstatt o.ä. zu fahren.
ich glaube nämlich nicht, dass er FL einfach in seinem haus oder in seiner wohnung festgehalten hat. die ermittler ziehen ja auch ganz klar schuppen, alte garagen etc. in betracht als ort des festhaltens. wenn die ein wenig außerhalb liegen, dann sehe ich eigentlich keine große gefahr, dass es für die paar tage so auffällig ist, dass er bei einsetzen der dämmerung nochmal ins auto steigt und losfährt. vielleicht ist er ja auch schon früher hin und hat eben nur bis zur ersten dunkelheit gewartet, um dann FL loszufahren.
Ich finde Deine Beschreibung der Person sehr zutreffend. Ich meine, dass FL ihren Mörder am Ende nicht im
Sinne eines mitternächtlichen Kaffeekränzchens auf Zuruf auge-in-auge kennengelernt hat, sondern eher im
Internet.
Ich denke, FL war sehr vorsichtig und zurückhaltend, was ihre Bekanntschaften anging. Ihre Schwester Karen
sagte z.B. , dass FL nicht der Typ für einen ONS war. Eine gewisse Sonja, die auch hier im Forum einmal
schrieb, berichtete, dass sie zwar öfter in Discotheken angesprochen wurde. Am Ende entstand aber wohl nur
ein einziges Mal eine engere Beziehung "Der Ex-nach-Chris", die wohl auch nicht lange andauerte. FL zog auch
zu Chris in die WG. War es das Gefühl der Sicherheit, was sie nach dem Umzug in die Stadt brauchte? Zumindest
eine Rettungsinsel für alle Fälle? Es gäbe mehr Gründe, nicht zu Chris zu ziehen, wie auch Mutter Liebs seinerzeit
bemerkte (siehe Crime-Artikel).
Ich würde denken, FL nutzte das Internet, um ihre Bekanntschaften besser steuern zu können. Erst mal taxieren,
mit wem man es da zu tun hat. KHK Östermann
spricht noch heute voller Bewunderung für FLs leidenschaftliches Gechatte mit den 100en von Chatpartnern, die
überprüft wurden. Im Chatroom kann man steuern, wie lange und mit wem man sprechen kann. Im Zweifel
kann der Aus-Knopf gedrückt werden, wenn man keinen Bock mehr hat. Man kann dort selbstbestimmter
agieren, auch Initiative zeigen, und vll. war genau das FLs Antrieb, das Internet zu nutzen. Dem unmittelbaren
ersten Kontakt aus dem Weg zu gehen, und nur dort weitermachen, wo sie gerade wollte.
Ich denke, dass eine Überprüfung ihrer Chatkontakte durch die Behörden im Falle des Täters in Leere gelaufen
sein könnten.
Am Verhalten des Täters in der Woche vom 20.06. an ab spricht einiges dafür, dass er sich den Möglichkeiten,
jemanden zu identifizieren, durchaus bewußt war. Es gab schon damals die Möglichkeit, im Internet anonym
zu surfen. Entsprechende Dienste sind auch heute noch teilweise kostenlos und werden in Listen geführt, die
jeder aufrufen kann. Die Möglichkeit, seine Identität zurückzuverfolgen anhand von IPs, könnte er über diese
Dienste erfolgreich blockiert haben. Eine Überprüfung der Chat-Bekanntschaften durch die Ermittler wäre bei
ihm ins Leere gelaufen. Und selbst wenn es den Ermittlern möglich war, 699 Personen von 700 zu
überprüfen, es wäre nötig gewesen, die Fehlende - auf die es ja ankommt - zu identifizieren..
Er nutzte FLs Handy für die Kontakte, und verbrachte sie nach PB für die weiteren Kontakte. Verstreut über das
Stadtgebiet. Auch wenn man es im Moment nicht handfest beweisen kann, aber die Vermutung liegt nahe, dass
es dem Täter durchaus darauf ankam, seinen eigentlichen Wohnort bzw. Aufenthaltsort zu verschleiern. Wozu sonst
dieser Aufwand und das Risiko?
Man kann sich dann fragen, wie es überhaupt dazu kam, dass der Täter schon im Vorfeld diese Vorkehrungen
traf. Ich fand Deinen Ansatz "der in einem bestimmten milieu durchaus kontakte pflegt" sehr treffend formuliert.
Ich denke, es gibt durchaus gewisse Kreise, in denen es "guter Brauch und Sitte" ist, sich den Zugriffsmöglichkeiten
der Behörden, so oft wie möglich zu entziehen. Und wo auch Kenntnisse bestehen, wie man das am besten schafft.
Z.B. anonyme Handys, Internet-Anonymisierer, verteilte Liegenschaften (d.h. unter der Hand gemietete Garagen,
wo nicht leicht nachvollziehbar ist, wer dort gerade "einmietet", weil die Mietverhältnisse nicht gemeldet werden),
etc. Eine Parallelwelt.
Auch "dem man krude dinge zutraut" paßt dann ins Bild. Es ist ja nicht so, dass das ganze nach einer
Affekttat aussieht. Von außen betrachtet jedenfalls wirkt es so, als wäre der Täter relativ locker mit der Situation
umgegangen. Was immer vorgefallen war, es war erst einmal nicht der unmittelbare Auslöser für den Mord.
Man nahm sich Zeit für Weiteres (Überzeugungsarbeit? Oder schaute man, ob FL hinterlassen hatte, wo sie
hinwollte?). Und gewann durch die Telefonate und SMSe auch tatsächlich Zeit. Ermittlungen gab es in der Zeit
nicht, FL signalisierte (wenn auch nicht perfekt glaubwürdig) "alles sei in Ordnung, alles klärt sich auf, wenn ich
wieder nach Hause komme".
Ich denke vor allem, dass es einen großen Unterschied gibt zwischen einem Mord im Affekt (den ich unter
entsprechenden emotionalen Randbedingungen vielen Menschen zutrauen würde), und einem kühlen Mord, nachdem
man sein zukünftiges Opfer erstmal eine Woche in Gewahrsam hatte. Das zu vollziehen gehört m.M.n. in
eine ganz andere Liga, eben eher zu "einem bestimmten milieu". Demenstprechend denke ich, dass der Täter
von vorneherein mit FL perspektivisch etwas anderes vorhatte, als umgekehrt FL mit ihm.
Möglich, dass seine auf den ersten Blick "unkonventionelle" Art auf FL eine gewisse Anziehung ausübte. Vll.
erkannte sie aber irgendwann, wer er wirklich war. Möglich wäre, dass das Treffen am 20.06 für FL
als Schlußstrich gedacht war. Vll. hatte sie schon etwas von dem "bestimmten milieu" mitgekriegt. Wer weiß.
Was denkst Du?