Mordfall Tristan
01.09.2015 um 12:00Axolotl schrieb:Das ist meiner Meinung nach auszuschließen, dass die "Hektik" oder schlechtes Wetter die Polizeibeamten davon abhielt. Alles Taktik.Mag sein, aber die sind schon auch vielen Spuren nachgegangen. Da sie anfangs von einem Psychotiker ausgingen, der jederzeit wieder zuschlagen kann, waren die Ermittler auch unter Druck. Das mit der "Hektik" scheint mir nachvollziehbar. Viel versucht haben sie jedenfalls:
Mit massiven Kräften kontrolliert die Polizei rund um die Uhr den Stadtteil und sucht in dunklen Hauseingängen und Gartenhütten nach »auffälligen Personen«. Verdeckte Ermittlungen im Stricher-Milieu laufen an. [Kommissarin] Rudolph [...] stöbert im Müll von Verbrennungsanlagen, ob dort abgetrennte Körperteile gelandet sind. Leichensuchhunde werden nicht nur in Wohnheime geschickt, sondern auch in das Bett des Liederbachs, der für Stunden trockengelegt wird - alles ohne greifbares Ergebnis.Stern 29/99
Und viele Spuren waren einfach konkreter.
Zu einem Hinweis - ein Mann mit blutigen Hemd sei vor ein Auto gelaufen - entstand sogar ein Phantombild. Und dann war da noch die Spur mit dem angeblich "blutverschmierten" Messern auf dem Beifahrersitz.
Frankfurter Rundschau, 15.05.1998 via Beitrag von funkygirl83 (Seite 325)
Dann gab es noch einen Ex-Bosnien-Kämpfer der am Tattag einen "Russen" gesehen haben will:
Dann endlich, im September 1998, gibt es eine heiße Spur. Safet B. ist 37 Jahre alt, Jugoslawe, Ex-Bosnien-Kämpfer, studierter Volkswirt und zur Zeit Sozialhilfeempfänger. Der ehemalige Süchtige mit dem scharfen Gesicht und den kurzgeschorenen Haaren wird von einer Streife aufgegriffen, als er am Liederbach steht, und gibt falsche Personalien an. Den »K11«- Leuten erzählt er, daß er am Tattag 50 Meter vom Bach entfernt einen »Russen« gesehen habe, der ein Kleidungsstück so anhatte, als wolle er etwas verbergen. Der Mann habe einen roten Fleck am Bein gehabt und einen Gegenstand getragen. Einen Rucksack vielleicht. »Das war die Info, auf die alle gewartet hatten«, sagt Rudolf Thomas, »die paßte wie die Faust aufs Auge.« Zu gut eigentlich, fand nicht nur er. Er fürchtet »eine Katastrophe für das Verfahren, wenn wir in die falsche Richtung marschieren und vielleicht mit einem falschen Phantombild in die Öffentlichkeit gehen«. Am 3. Oktober wird Safet B. nach Köln zu Professor Udo Undeutsch gefahren. Der Spezialist für Lügendetektoren verkabelt ihn an einem Polygraphen. Schon bei den ersten Fragen schlagen die Zeiger so aus, daß die Glaubwürdigkeit des Jugoslawen zusammenbricht. In einer Nachvernehmung gesteht er, daß er den »Russen« erfunden habe und die Geschichte mit echten Beobachtungen ausschmückte, um als wichtiger Zeuge einer Abschiebung zu entgehen. Spur Nummer 4940 ist tot.weiter heißt es:
Je länger die Leute von »K11« nach Tristans Mörder suchen, desto tiefer sind die Abgründe, an die sie bisweilen geraten. Durch einen anonymen Hinweis stoßen sie auf ein Sado-Maso-Studio, in dem ein Schwert in einer Blutlache gefunden worden ist. Schließlich wird klar: Dort ist ein dunkelhäutiger Dealer wegen eines Crack-Geschäfts fast zerstückelt worden. Eine Verbindung zu Tristan läßt sich so wenig nachweisen wie bei dem Mann, in dessen Keller ein Berg von Menschenknochen gefunden wird. In seinem Horror-Haus bewahrte der 30jährige Frankfurter auch 110 Urnen auf, dazu Grabkreuze und Grabplatten, die er auf Friedhöfen stahl. Aber er mordete niemals selberStern 29/99
Alles recht wichtig erscheinende Spuren und Hinweise.
Im Vergleich dazu war vielleicht die vage Beschreibung eines zwölfjährigen Mädchens das aus mindestens 10 Metern Entfernung einen schlanken, nicht allzualten Mann mit Kopfbedeckung und nach hinten gebundenen Haaren aus dem Gebüsch kommen sah, nicht so vielversprechend. Die Auffälligkeit an der Oberlippe wird dann erst von den Kanzleifrauen hinzugekommen sein. Und ob da überhaupt ein Zusammenhang zum Täter besteht - da müsste schon auch viel Glück dabei sein.
Mir würde es schon einleuchten, wenn der "Zopfträger mit Narbe"-Spur anfangs wenig Bedeutung beigemessen wurde, und erstmal - weil es wichtigere Spuren gab - beiseite gelegt wurde. Zumindest ein Jahr lang wurde intensiv in ganz andere Richtung ermittelt. Das mit einem möglichen "wir kenne den Mann - können ihm aber nichts nachweisen", müsste dann wesentlich später gewesen sein.
In den Gefängnissen hatten sie das Zopfmann-Phantombild auch erst 2010 ausgehängt - und die Gefängnis-Verbindung hatten sie von den Kanzleifrauen - also kurz nach der Tat. Hätten sie schon damals das Pahntombild gehabt, hätten sie es doch zumindest schon da an Gefängnisse weiterleiten können. Mir fällt zumindest grade nichts ein, was dagegensprechen würde. War das auch Taktik?
Das Phantombild war im März 2009 anlässlich des Jahrestags des schrecklichen Verbrechens an dem 13 Jahre alten Schüler erstellt worden. Doch trotz Fernsehausstrahlung kam es zu keinem Durchbruch. Auch der erneute Versuch habe bislang «zu keinem Treffer» geführt, sagt Möller-Scheu. Die Hinweise seien vage, es handele sich nicht um eine heiße Spur. Dass im Gefängnis nach Personen gesucht wird, die sich an den Mann mit Hasenscharte und Pferdeschwanz erinnern, ist kein Zufall. Kurze Zeit nach der Tat war der Verdächtige bei einer Anwaltskanzlei für Wirtschaftsrecht aufgetaucht und hatte erwähnt, er sei im Gefängnis gewesen, habe nun aber wieder etwas angestellt. Die Anwälte schickten ihn zu einem auf Strafrecht spezialisierten Kollegen, in dessen Kanzlei der Verdächtige aber nie erschien.FNP 24.04.2010 via Beitrag von Vorsichtfalle (Seite 211)