@Nightrider64 Über den von Dir angesprochenen Themenkreis habe ich schon mehrfach intensiv nachgedacht, als Kind der 80er und 90er. Auch ich kam zum Entschluss: Das erscheint sehr unwahrscheinlich.
Nightrider64 schrieb:Wo sollten die "Rächer" mitten in der Nacht aufzutreiben gewesen sein ?
Das wäre nicht so einfach gewesen, da wir ja 1984 haben. Wer das nicht kennt, kann sich das im Zeitalter der Instant Messenger kaum vorstellen.
Kommunikation hatte viel mit "Ich geh / fahr mal kurz vorbei" zu tun. Und "Ich rufe (natürlich auf Festnetz) an". Wenn nachts um elf noch jemand dranging. Viele hätten einfach abgehoben und wieder aufgelegt (das heutige Wegdrücken). Nach zehn Uhr angerufen zu werden war für die meisten Menschen sehr unhöflich, da die Telefone fest mit der Leitung verbunden waren. Die Hörer mussten auch auf der Gabel liegen, sonst meldete sich jemand vom Amt und forderte dazu auf, die Leitung frei zu machen. "Du kannst mich auch nachts um drei anrufen" war der ultimative Freundschaftsbeweis. Vielleicht wäre man nach zehn Minuten und mehrfachen Anrufen mal rangegangen.
Beides dauert.
Als modernes Kommunikationsmittel stand Festnetztelefon mit Wählscheibe (Impulswahl) zur Verfügung. Die meisten, aber nicht jeder, hatte eins. Es gab Dörfer und Weiler, die gar nicht an das Fernsprechnetz angeschlossen waren. Hinzu kommt, dass eine gewisse Scheu bestand, ungesetzliche Themen über das Telefonnetz zu klären.
Dafür gab es in jedem noch so kleinen angeschlossenen Ort mindestens eine Telefonzelle, in den Postämtern (sic) hingen öffentliche Fernsprechapparate, ab 1983 fand man dort auch BTX (Teletext)-Maschinen, ein Internet-Vorläufer. 1984 waren sie noch selten.
Für Privatleute war Netzwerkkommunikation nur über BTX oder Akustikkoppler möglich - etwas für Nerds. Auch für die wurde das erst mit dem
1985 halbwegs leistbar. Die amtlich zugelassenen Modems der Bundespost waren nicht billig. Sie kosteten etwa einen Facharbeitermonatslohn.
Der Vorgänger des Internet, das ARPA-Net hatte 1984 1000 angeschlossene Rechner... weltweit.
Die Deutsche Bahn hatte auch 1984 schon ein eigenes Kommunikationsnetz. An Bahnlinien gab es auch Streckentelefone - bei Gesprächen über sie konnten aber viele mithören.
Weitere Kommunikationsnetze waren Notruftelefone an Autobahnen, Bundesstraßen und Unfallschwerpunkten. Hier war die Björn Staiger Stiftung sehr aktiv.
Hätte man diese Netze zum Absetzen von Privatbotschaften nutzen wollen, hätte man wissen müssen, wer am anderen Ende sitzt. Dieser wiederum hätte Anrufe protokollieren müssen und sich nicht von seinem Platz entfernen können.
Eine weitere Kommunikationsmöglichkeit war Funk. Neben offiziellen Funksttellen wie Polizei, Bundesgrezschutz, Zoll, Feuerwehr, THW, und der Armee gab es auch Betriebsfunk bei Bahn, Post, großen Unternehmen - nicht nur Taxis - und Privatfunkamateure. Darüber sorgte Radio Norddeich für die Kommunikation mit der deutschen Handelsflotte auf den Weltmeeren.
Satelittentelefone gab es (für Privatanwender an Land) nicht. Imarsat stellte sie erst 1989 bereit.
Mobilfunk war etwas für die Reichen und Schönen - 1984 war das B2-Netz aktiv. Es gab 1986 158 Funkfeststationen und etwa 27.000 Teilnehmer.
Fraglich, welche Abdeckung die Region um Anzhausen hatte. Hinzu kommt, dass die Verbindungen unverschlüsselt waren - jeder, der wollte, konnte mithören.
Es gab CB-Funk, der war lizenzfrei. Viele Taxi- und LKW-Fahrer, aber auch einige Autofahrer hatten ihn.
Alle anderen Frequenzen benötigten eine Funklizenz und einen eindeutigen Funkrufnamen.
Der Inhalt der Funksprüche war und ist streng reglementiert, damals wie heute waren alle Frequenzen streng überwacht. Auf den dienstgenutzten Frequenzen wäre ein Übermitteln privater Botschaften undenkbar gewesen.
Sie hätten in Form von vorher verabredeten Zeichen (z.B. bestimmte Abfolge von Fehlern und Korrekturen) erfolgen können. Auf den anderen wären sie aufgefallen. Fehler aber auch.
Nicht lizensierte "Schwarzfunker" wurden von der Bundespost regelrecht verfolgt.
Die schnellste Möglichkeit, einen Text zu übermitteln, waren Fernschreiber (
Telex) und Fax. Die Geräte waren jedoch noch seltener als Telefone -
1984 gab es 13 212 Fax - Anschlüsse bundesweit, dafür gab es 1978 123.298 Telexanschlüsse. Also hatte etwa jeder 500. der 61 Millionen Bundesbürger einen Telex- oder Faxanschluss.
Alle anderen schrieben ein
Telegramm , wenn es schnell gehen musste. Das war binnen weniger Stunden da. Sonst einen Brief oder eine Postkarte, Postlaufzeit etwa eine Woche.
Wenn es schneller gehen musste, musste man persönlich vorbeikommen (und die Tochter alleine lassen), oder einen Zettel in den Briefkasten werfen, ihn irgendwo deponieren, wo ein anderer ihn abholt oder findet. Letzteres ist nachts um 11 eher unwahrscheinlich - es sei denn, man hätte vorher was ausgemacht.
Blieb nur noch das Telefon, sofern die Stolls einen Anschluss hatten - oder loslaufen und persönlich Meldung machen. Jemanden aus dem Bett klingeln.
Im Anschluss daran wäre eine Koordination jeglicher Aktivitäten, für die man sich trennen muss (Suche - wir waren hier, dort, haben neue Informationen, wir haben ihn, kommt alle) sehr erschwert gewesen: Man hätte das über Telefonzellen machen müssen. Einer hätte als Relaisstation dienen müssen, ständig anwesend. Und das wäre aufgefallen, auf dem platten Land bei Siegen.
Nightrider64 schrieb:Und wo sollte man ihn auflauern ?
Darüber habe ich mehrfach viel und lange nachgedacht. nachgedacht. Wenn Herr Stoll in der Nähe seiner Heimat entführt und nach Hagen verschleppt worden wäre, wäre das zentral: Wo?
Interessante Parameter sind:
-Was wusste man über die Gewohnheiten des Herrn Stoll bezüglich Routenwahl?
-Was wusste man wann über seinen letzten Aufenthaltsort?
-Zu wievielt war man?
-Wor war man?
-Welche Fortbewegungsmittel hatte man? Fuß, KFZ?
Nehmen wir an, man war zu viert: Man kann vier einzelne Stellen besetzen, um ihn abzupassen - dann ist man aber alleine. Man kann zu zweit zwei Stellen besetzen. Oder zu viert eine Stelle.
Ich habe für mehrere Szenarien mögliche Punkte ausfindig gemacht - heute habe ich dafür ja osm, google maps, TIM (NRW), Lagis (Hessen). Die ermittelnden Beamten werden das das früher mit topographischen Karten gemacht haben - teils zehn Jahre alt. Vermutlich werden sie auch die Ortophotos gehabt haben Auch werden sie viel rumgefahren sein und in echt gesehen haben, was ich am PC sehe- aber ich vermute, diese Plätze haben sie allesamt gründlichst untersucht.
Nightrider64 schrieb:Sind die denn alle arbeitslos in Anzhausen, um die Zeit zu haben sich die Nacht um die Ohren zu schlagen, bis der mal nach Stunden zurückkehrt oder auch nicht?
Richtig. Nachts Leute zu finden, die arbeiten und sich dabei frei bewegen können, ist auch schwierig.
Das muss bei allen Szenarien mit bedacht werden: Wer mitmachen kann, arbeitet wahrscheinlich nachts. Und kann in den allermeisten Fällen maximal für sehr kurze Zeit mal auf's Klo, eine rauchen / Kaffee trinken gehen, ohne dass es auffällt. Oder er muss plötzlich krank werden.
Oder riskieren, dass er gebraucht wird, aber nicht da ist. Und das fällt auf in einer Nacht, in der jemand ermordet wird.
Mitwisser zusammenzuziehen dauert nachts auch seine Zeit. Die muss man entweder wach kriegen - oder sie müssen sich loseisen. Dann müssen sie noch da hin, wo sie gebraucht werden. Und wieder zurück. Da sind ein, zwei Stunde schnell rum - das fällt auf.
petersi schrieb:Das weiß ich nicht. Der ganze Fall ist ziemlich abstrus, unabhängig davon, welche Theorie am
Ende die richtige ist.
Dem pflichte ich bei. Der ganze Fall ist sehr - konfus.
petersi schrieb:Zuhause bei Frau Stoll. Vielleicht kam er ja tatsächlich dann zurück.
Auch das wäre möglich. Nur wäre da der Flurweg schon - mutig, bei ihm zu Hause. Wo die Polizei wirklich jeden Kiesel umdrehen wird.
Der Frau Hellfritz hat er jedenfalls gesagt, dass er nach Hause fahren wird. Entweder hat er gelogen, es hat sich nochmal etwas verändert - oder ihm wurde tatsächlich zu Hause aufgelauert.