Der Yogtze-Fall
23.09.2023 um 14:39
Nach leidvoller Erfahrung aus dem eigenen engsten Freundeskreis möchte ich mal ein paar Gedanken zur hier immer wieder angeführten Psychose, bzw. den unterstellten "Wahnvorstellungen" loswerden.
Wie im Thread ja bereits angeführt, wohnt der konstruierten "Wahnwahrnehmung" des Betroffenen eine innere Logik inne. D.h. aber eben auch, dass es für ihn konkret benennbare Gründe seiner Angst gibt, auch wenn diese mit der realen Situation nichts zu tun haben.
Der Paranoide hat eben keine Angst vor ihm Unbekannten, sondern vor konkret bennenbaren Auslösern. Sei es vor einer Verschwörung - die er dann aber eben auch als Verschwörung konkreter Personen bennnt -, sei es vor bestimmten Situationen, die aber auch stets "aussprechbar" sind, nur halt für die Umgebung nicht nachvollziehbar. Grundlose Angst vor einer selbst nicht erfassbaren und nicht benennbaren Gegebenheit oder Personen, ist eigentlich fast immer auszuschließen.
Hätt GS z.B. geäußert, das ein bestimmter Personenkreis "gegen ihn" sei, dass er sich "durch X und Y" bedroht fühle, ohne dass es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, bzw. auch nur den Hauch einer Möglichkeit, dass dies der Realität entsprechen könnte, so wäre eine paranoide Störung sogar noch naheliegender, die eben die irrealen Ängste auf eine konkret wahrgenommene Bedrohung fokussiert.
Eine irreale Bedrohung ohne diesen selbstkonstruierten Anlass hingegen gibt es eigentlich nicht. Ob sich jemand nun von Mickey Maus, der Buttermafia oder dem Nachbarn verfolgt fühlt - die Paranoia hat stets einen Kristallisationspunkt und eben keine "diffuse Bedrohungsempfindung" (höchstens im Frühstadium, bis diese einen solchen Kristallisationskeim findet), wobei zumeist sogar reale Triggersituationen als "Anziehungspunkte" für die Ängste herhalten können. Da wird aus einer Meinungsverschiedenheit mit dem Nachbarn dann die irreale Bedrohung vor Dauerüberwachung und Tod per Rasenmäher, aus der sauer werdenden Milch die Vergiftung sämtlicher Lebensmittel seitens der Supermarktmafia, aus Ehestreit die Angst vor dem Messer unter'm Kopfkissen, usw...
Das Nicht-Bennen der konkreten Bedrohung geht, a.m.S., nicht von der eigenen "Unkenntnis" der Bedrohung, dem Faktor "Unbekannte als Bedrohung" aus, der sich dann nicht in Aversion, Konfrontation bzw. Meidung als konkrete Handlung aus der Bedrohungswahrnehmung kristallisieren kann, sondern vom inneren Konflikt des Betroffenen zwischen Scham-/Schuldempfinden und höchster Angst; wobei die Angst nicht einmal internalisiert sein muss, also als konkrete Todesangst auftritt, sondern es auch eine externalisierte Angst vor dem Zusammenbruch der als sicher und/oder glücklich empfundenen Lebenswelt sein kann. Sprich, nicht nur Angst um das eigene Leben, sondern auch um die Familie und/oder wirtschaftliche/soziale/etc. Zukunft kann auf diesem hohen Level auftreten.
Und gerade bei solcher Externalisierung ist eben nicht auszuschließen, dass Schuld- und Schamgefühl dazu führen, dass eine konkrete Bennenung der Bedrohung unterbleibt, gerade auch, wenn diese vom eigentlich als bedroht wahrgenommenen Umfeld abgetan und nicht selbst wahrgenommen wird.
Wenn GS beispielsweise (rein als Demonstration ohne konkreten Fallbezug!!!) gesagt hätte "mein Schwager XY hat mir damit gedroht unsere Familie zu zerstören, weil er mich für einen Taugenichts hält und seine Schwester besseres verdient hätte; der will mich sogar umbringen...", wie hätte wohl die Ehefrau reagiert, die ja besagte Person schon ihr Leben lang kennt?! Und dies lässt sich auch weit außerhalb des engsten Bekanntenkreises erweitern, bis hin zu nur ihm selbst bekannten Personen, die von Fr. S gar nicht hätten korrekt eingschätzt werden können - damit dann als "grundlose Ängste" und "Wahnvorstellungen" abgetan, bis hin, dass GS sich gar nicht mehr getraut, diese dezidiert zu benennen und seine "Anschuldigungen" mangels Beweisen und selbst dann noch fehlendem "Verständnis" seitens seiner engsten Umwelt, lieber für sich behält, dabei aber unter zunehmender Panik leidend.
Wenn aus der konkreten Benennung dann sogar noch Vorwürfe gegen einen selbst entstehen, auch wenn dies nur vorwegnehmend so empfunden sein mag, ist die Hemmschwelle zu konkreten Benennung des Stressors noch weitaus höher.
Auch kann man annehmen, dass im Falle GS der Ehefrau zuerst einmal die Verhaltensänderung hin zu Niedergeschlagenheit, Rückzug, Traurigkeit, später Getriebenheit, Gereiztheit, Agitation,... aufgefallen ist, was dann zur Rückfrage geführt hat, was denn los sei. Als Antwort kam dann, dass GS Angst hatte, die bis hin zu panischer Angst wuchs, welche am letzten Abend dann ihren Höhepunkt erreichte. Er mag sogar Andeutungen gemacht haben, wovor diese Angst bestand, wurde aber darin nicht ernstgenommen, sodass der Schamkomplex stetig mitwuchs. Auch kann es mit eigener Schuldhaftigkeit (u.U. auch nur so wahrgenommen) oder dem Resultat aus eigenem (als schwer womögl. auch nur empfundenem) Fehlverhalten verknüpft sein, wo GS die Überwindung zum Eingeständnis gegenüber seiner Frau nicht aufbrachte, sei es aus eigenem Verantwortungsbewusstsein (er muss die Situation selbst lösen, vor der er Angst hat) oder aus Schutz der eigenen Familie.
Daher würde auch die Suche nach einem Gespräch mit einer unbeteiligten Person naheliegen, die einen "objektiveren" Blick auf die andere Partei haben mag, bzw. ihm als verständnisvolle Vertrauensperson naheliegt - Fr. Hellfritz.
Interessant übrigens, dass nie über eine Konfrontation der Eltern GS bzgl. seiner Ängste berichtet wurde - stets kam entsprechendes nur von der Ehefrau, auch wenn jetzt betont wird, dass diesen "selbstverständlich" die Verhaltensänderungen (depressiv, melancholisch, dysphorisch, fatalistisch) ihres Sohnes aufgefallen sein sollen...
Übrigens kann die fehlende Vehemenz und das ausbleibende Drängen und Beharren auf Gesprächsbedarf auch gegen eine "Psychose" sprechen, wo der Betroffene eben kaum klein beigibt und sich im Gegenteil eher noch in seiner wahrgenommenen Dringlichkeit steigert.
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Leider ist über die versemmelte Prüfung GS wenig Konkretes zu finden, nur, dass sie wohl in starkem Kontrast zu seinen vorherigen Leistungen steht. Inwiefern besteht hier womögl. ein Zusammenhang mit seiner Verhaltensänderung? Trat diese vorher oder nachher in Erscheinung? Kulminierte sein "die sind alle gegen mich" u.U. in diesem Punkt? War es für ihn der Ausgangspunkt einer Verschwörung, die sich bis zur Todesangst aufschaukelte?
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Wenn Stoll an jenem Abend aber dermaßen aufgebracht und unruhig war, passt sein stilles Verhalten im Papillon wieder nicht so recht ins Bild. Dort hätte er ja die Anwesenden auch mit seinen "diffusen Ängsten" "zuquatschen" müssen. Stattdessen fällt er einfach vom Hocker.
Eine Synkope kommt aber auch nicht so aus heiterem Himmel... Was war wohl der Auslöser? Angst nur, wenn es einen konkreten Trigger gab. Übermüdung aufgrund vorheriger schlafloser Nächte?
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Nur kommen wir dann dennoch immer zu dem Punkt, wo aus "Wahn" "Handeln" wird...
Da bis zum Schluß keinerlei Anhaltspunkt für selbstschädigendes oder selbstgefährdendes Verhalten auszumachen sind, fällt es äußerst schwer, ausgerechnet für die Todesumstände suizidale Absicht anzunehmen. Auch will dies nicht so recht zur Todesangst, ja damit dem Klammern am Leben passen.
Dann kommt hinzu, dass die Form der angenommenen Suizidierung äußerst ungewöhnlich ist. Er ist eben nicht von der Brücke gesprungen, hat das Auto gegen einen Baum gesteuert, hat sich nicht erhängt, hat sich nicht vor den anrollenden Zug geworfen, sondern soll sich von einem Fahrzeug in der Pampa nackt überrollen lassen haben... (Wie lange er da wohl schon auf der Straße gelegen hat, ehe endlich mal der Todeswagen angebrettert kam...)
Anschließend sollen der/die so zu Täter/n gemachte/n ihn dann in seinem eigenen Auto auf dem Beifahrersitz nackt (was auch eine psychische Belastung für Insassen/Fahrer ist! Helfer würden wohl zumindest die Scham mit irgendeinem Kleidungstück bedecken) und ohne jegliche Erstversorgung mit unbekanntem Ziel verbracht haben, wobei er/sie dann noch den Wagen beabsichtigt oder unbeabsichtigt in die Böschung verunfallte/n. Wie die Schuhe dann in den Fußraum des Fahrers kamen, ist womöglich durch Translokation oder spontane Diffusion zu erklären...
Wer häufiger nachts auf einsamen Landstraßen unterwegs ist, weiß auch, wie weit vorab man eine nackte Person auf der Fahrbahn ausmachen kann, v.a. wenn daneben noch das Fahrzeug steht und man ohnehin dadurch aufmerksamer ist (Könnten ja auch die B..len sein...). Ein zufälliges Überrollen (mit welcher Geschwindigkeit überhaupt?) ist da eigentlich äußerst unwahrscheinlich. Und dann noch die Unternehmung von der Unfallstelle aus erstmal auf die Autobahn aufzufahren, um den Verunfallten wohin eigentlich zu schaffen (und dann noch in dessen eigenem Fahrzeug), macht die Helfertheorie m.M.n nicht gerade plausibel.
Wie stellen sich denn eigentlich die Verfechter der "Psychose-Therie" die konkreten Todesumstände eigentlich genau vor???
Selbst wenn er an seinem letzten Abend einen aktuten psychotischen Schub gehabt hat, müsste dies ja immer noch irgendwie konkret zu seinem Ableben geführt haben.
Gegen eine aktive Tatbeteiligung Unbekannter spricht ja v.a., dass das Ausziehen scheinbar durch ihn selbst erfolgte, es keine Gegenwehr gab, auch nicht beim eigentlichen Überrollen...
Was könnte aber jemanden dennoch zur Selbsttötung oder Einwilligung in den eigenen Tod trotz panischer Angst treiben?
Bedrohung mit einer Waffe? Die Sorge um die eigene Familie?
Wenn deren Sicherheit gewährt wäre in dem Fall, dass man selbst in den Tod geht, sich selbst opfert, wäre dies ausreichend, um sich durch Entkleiden vor Dritten zu erniedrigen und Folter mit schwersten Verletzungen zu erdulden, sich von einem Fahrzeug überrollen zu lassen und letztlich dadurch zu sterben?!
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Ach, und nochwas:
Der Ehefrau wurde ja die Todesnachricht GS überbracht, als die Polizei noch von einem normalen Unfallgeschehen ausging (mit Stoll als Beifahrer). Somit gab es für die schriftliche (!) Aussage zu dem Zeitpunkt noch keinen Anlass, außer der Nachfrage, mit wem er unterwegs gewesen sein könnte.
Und warum diese Einlassung schriftlich erfolgte, statt im Gespräch auf der Polizei oder bei einem Hausbesuch der Ermittler, ist irgendwie suspekt, zumindest umgeht sie damit die Bewertbarkeit der eigenen emotionalen Verfassung. Anstatt dann Trauer zu empfinden, evtl. Selbstvorwürfe, die Ängste nicht ernstgenommen zu haben oder ihn "in seinem Zustand" noch aus dem Haus zu lassen, enthält ihr Statement dann das Verdikt der "Unzurechnungsfähigkeit", der "Wahnvorstellungen" und "diffusen Ängste", unterstrichen durch das "wirre YOG'TZE-Gekritzel" und den Vorwurf der häuslichen Gewalt, sprich, macht ihn selbst zum Schuldigen an seinem Schicksal. War halt "wahnsinnig" (bis hin zu "geschieht ihm Recht, dem verrückten Frauenprügler")...
Alle anderen Zeugen an diesem Abend haben ihn höchstens als still und introvertiert grübelnd (woher stammt die Behauptung, sie hielten ihn bereits für "betrunken"???) (Papillon) oder leicht verwirrt agitiert = betrunken (Fr. Hellfritz) wahrgenommen, mithin nicht mit irgendeiner selbstgefährdenden Wahnvorstellung oder gar Todessehnsucht.
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Leider erlauben mir die Forenregeln nicht, meine Theorie zu äußern oder auch nur andeutende Fragen in diese Richtung zu stellen...
Nur soviel: Ich sehe keine konkrete Tötungsabsicht, mithin keinen Mord. Und bzgl. der Täter kommen für mich Buttermafia, holländischer Drogenring oder Rockerbande ebensowenig infrage, wie Zufallstäter, die auf einen todessehnsüchtigen Angstsuizidenten treffen, aber ihre Tat dann doch bereuen und ihn auf 'nem Krankenhausparkplatz abstellen wollen...