Das BAB-Rätsel um Günther S. fasziniert wie gruselt mich seit der damaligen XY-Ausstrahlung. Ich hab mich nun mal hier durch den Großteil der vorigen 100 Seiten durchgekämpft, und muss leider sagen: viel ist dabei nicht rumgekommen.
Aufgrund der geringen Materialvorlage ist's aber auch verdammt schwierig. Bis auf den XY-Filmfall und den Hörzu-Beitrag aus der Serie "Eduard Zimmermann - Meine aufregendsten Fälle" (der mehr oder weniger die XY-Fassung nacherzählt) habe ich nichts Verwertbares im Netz gefunden.
Den XY-Filmfall halte ich persönlich für szenisch überzogen und damit auch für unbeteiligte Zuseher zusätzlich verwirrend. Aber die XY-Filmfälle sind/waren ja nicht dafür gemacht, einer Zuschauergemeinde Stoff für Vermutungen zu liefern, sondern potentielle Zeugen auf diverse Umstände aufmerksam zu machen. Was die Polizei eh schon weiß, wird oft nebensächlich dargestellt oder im Filmfall gar verschwiegen. Die Dialoge beruhen auf Zeugenaussagen und werden von Schauspielern auch nochmals verfremdet.
Nun gut, leider stellen die o.g. Quellen die einzige Diskussionsgrundlage zum Fall dar.
Vielleicht sollte man nochmal den Gaul von hinten aufzäumen. Nimmt man mal alle Aussagen von Personenzeugen einfach mal weg, bleiben nicht viel "nackte" Fakten übrig: Günther S. wird am 26.10.1984 morgens gegen ca. 3 Uhr ca. 100km von seinem Heimatort Anzhausen entfernt schwerst verletzt und völlig unbekleidet in seinem verunfallten Auto (blauer VW Golf) neben der Autobahn bei Hagen aufgefunden und verstirbt kurz darauf. Die Obduktion ergibt, dass seine Verletzungen nicht von dem Unfall bei Hagen stammen, sondern daß er zuvor nackt von einem fremden Auto angefahren/überrollt worden ist.
Zu jeglichen zeitlichen Abläufen an diesem für S. verhängnisvollen Abend bis zu seinem Auffinden gibt es nur Personenzeugen. Diese sind grundsätzlich immer mit Vorsicht zu genießen; im Fall S. können sie teilweise auch nicht gegengeprüft werden, da die Zeugen wie z.B. Frau S. und Frau Hellfritz alleine mit dem Opfer zusammen waren.
Laut Zeugen ergibt sich folgender zusammengefasster Ablauf des Abends:
25.10.1984, bis ca. kurz vor 23 Uhr: Günther S. äußert laut Frau S. zum wiederholten Male beunruhigt Todesängste, spricht von "denen", die ihn töten wollen. Im Verlauf des Abends notiert er beim fernsehen die Buchstaben "YOGTZE" auf einen Schreibblock, streicht diese aber sofort wieder aus. Kurz darauf verlässt S. seine Wohnung in Richtung Wilnsdorf, da er in der Kneipe "Papillon" noch ein Bier trinken möchte. (Anmerkung: Fahrzeit laut google maps ca. 11 Min.)
ca. 23 Uhr: S. erscheint tatsächlich offenbar auf direktem Wege im "Papillon", bestellt sich ein Bier, fällt aber plötzlich vom Barhocker, noch bevor er sein Bier serviert bekommt. Zwei Gäste helfen ihm auf; ihnen gegenüber äußert S., er hätte bisher nichts getrunken, sondern einen Aussetzer gehabt und kurz das Bewußtsein verloren. Der Kneipenwirt gibt S. ein Pflaster, um eine blutende kleine Wunde im Gesicht zu versorgen und spendiert noch einen Schnaps. S. verlässt daraufhin sofort wieder das Papillon, ohne ein Bier getrunken zu haben.
(Anmerkung: Der Vorgang vom Betreten bis Verlassen des "Papillon" dürfte geschätzt ca. 10 Minuten gedauert haben; direkte Fahrzeit von Wilnsdorf zum nächsten bekannten Aufenthaltsort von S. in Haigerseelbach beträgt ca. 13-15min, resultierende unbekannte Zeitspanne ca. 90-95min)
26.10.1984, ca. 1 Uhr: S. läutet in seinem Geburtsort Haigerseelbach die ihm aus seiner Kindheit bekannte Frau Hellfritz aus dem Bett. Auch ihr gegenüber äußert er große Ängste. Frau Hellfritz rät ihm nach Hause zu fahren.
(Anmerkung: das Gespräch inkl. "Wachklingeln" dürfte ca. 5min gedauert haben, Fahrzeit Haigerseelbach bis Autobahnauffahrt Dillenburg ca. 15 min, von dort aus ca. 60min direkt bis zum Fundort bei Autobahnabfahrt Hagen Süd, resultierende unbekannte Zeitspanne ca. 40min)
ca. 3 Uhr: zwei LKW-Fahrer erkennen neben der Autobahn A45 in einer Böschung den verunfallten Golf von S., um den eine offenbar verletzte Person herumläuft. Sie halten an, verständigen den Notruf und begutachten den Unfallwagen. Im Wagen befindet sich S. auf dem Beifahrersitz, völlig nackt und schwer verletzt. S. erwähnt kurz vor seinem Tod noch vier weitere Personen, die im Auto gesessen hätten. Sie wären abgehauen; es wären keine Freunde von ihm gewesen.
Zum geschilderten Ablauf hätte ich einige Anmerkungen zum XY-Filmfall und sonstigen Auffälligkeiten.
Die Diskussion, ob der ominöse Begriff "YOGTZE" oder "YOG'TZE" geschrieben wurde, ist irreführend. Der Zettel, der im XY-Fall gezeigt wird, stammt ja nicht vom echten Günther S., sondern wurde von dessen Darsteller geschrieben. Blöderweise wird dieser Zettel in der Zusammenfassung nochmals gezeigt und suggeriert, es wäre ein offizielles Beweismittel. Handschriftlich ist es übrigens nicht ungewöhnlich, ein grosses G mit einer Serife zu versehen, um einen Unterschied zur Zahl 6 herzustellen.
Ede Zimmermann wäre gut beraten gewesen, den Originalzettel zu zeigen. Das hätte wohl mehr Ansätze gebracht und weniger Spekuliere.
Es gibt keine Angabe im Filmfall, wieviele Zeugen noch im/beim Papillon waren, die S. Aufenthalt bezeugen konnten. Im Filmfall selbst sind in der Kneipe nur noch der Wirt und die beiden hilfreichen Gäste anwesend. Es müssten aber noch mehrere Gäste da gewesen sein, da irgendein Zeuge ja bestätigt hatte, daß der auf dem Parkplatz stehende Golf von S. zu diesem Zeitpunkt noch unbeschädigt war. Sollten wirklich nur noch die drei Genannten vor Ort gewesen sein, könnte man IMO schon vermuten, daß das Papillon u.U. das Zentrum einer Verschwörung gegen Stoll gewesen ist. Je mehr andere Zeugen allerdings noch vor Ort waren, umso geringer wird aber hier mein Verdacht, da ja alle Anwesenden Teil dieser Verschwörung hätten sein müssen. Wenn nicht, hätte es wahrscheinlich unterschiedliche Aussagen gegeben.
Die unbekannten Zeitspannen finde ich persönlich am interessantesten. Hier wurden IMO in der XY-Ausstrahlung einige Dinge nicht bedacht bzw. nur rudimentär angesprochen. Während für die Zeitspanne zwischen Papillon und Hellfritz keine weiteren Ansätze vorhanden sind, die hier Licht ins Dunkel bringen könnten, kann man aufgrund der nötigen Fahrzeiten von Haigerseelbach zum letztendlichen Fundort von S. in der Nähe von Hagen zumindest grob feststellen, daß S. ca. 75-80 min der zwei Stunden in seinem Auto gesessen sein muss - ob alleine oder schon mit Begleitern bleibt allerdings unklar. Zumindest kann er während dieser Fahrzeit nicht angefahren/überfahren worden sein. Dabei ergibt sich also eine Standzeit von 40min, in der S. Opfer eines Mordes/Todschlags/Suizids/Unfalls geworden ist. Die hochgradige Verletzung von S. schränkt IMO den eigentlichen Tatort des Über-/Anfahrens weiterhin ein. Bei einem fast abgerissenen Arm ist ein recht hoher Blutverlust anzunehmen, S. wurde ja offenbar auch nicht von den Tätern versorgt; zudem ist anzunehmen, das S. weitere gefährliche Verletzungen (weitere Brüche, innere Blutungen etc.) davon trug. Länger als eine halbe Stunde Todeskampf kann ich mir bei solchen Verletzungen kaum vorstellen. Genausowenig, dass die Täter mit dem nackten S. auf dem Beifahrersitz über 100km auf der Autobahn nach Hagen fahren - für diesen Anblick hätte es garantiert auf der langen Fahrstrecke Zeugen gegeben. Ich schliesse daher, dass der eigentliche Tatort zwischen Olpe und Hagen liegen müsste; je näher an Hagen, umso wahrscheinlicher. Die letzte Auf-/Ausfahrt vor Hagen Süd liegt bei Lüdenscheid; allerdings gibt es dazwischen noch zwei Autobahn-Parkplätze und ein Rastplatz, von denen aus man über ein Verbindungssträßchen auf die Autobahn gelangen bzw. diese auch wieder verlassen kann. Diese führen jeweils in recht unbewohnte, ländliche Forstgebiete - perfekt für die eigentliche Tat.
Auch bezweifle ich die Angabe von S., daß im Auto vier zusätzliche Personen gesessen haben. Das impliziert, dass die Tatbeteiligten den eigentlichen Mord-/Unfallwagen entweder völlig unbeaufsichtigt am Tatort zurückgelassen haben, oder das es noch mindestens einen weiteren Täter gab, der den Wagen vom Tatort wegfuhr. Daß die Täter den Wagen alleine irgendwo in der Pampa haben stehen lassen und gemeinsam mit S. unterwegs waren, könnte ich mir nur dadurch erklären, dass die Entfernung zwischen Tatort und Fundort auch zu Fuß bewältigt werden kann. Der nächstliegende Parkplatz in südlicher Richtung liegt 2km entfernt, über einen Feldweg erreicht man eine kleine Landstraße. Theoretisch wäre es möglich in 30-40min wieder zu Fuß dorthin zurück zu gelangen. Die Täter mussten aber verdammt sicher gewesen sein, daß ihr ebenfalls mit Unfallspuren behafteter Wagen dort auch nicht zufällig gefunden wird. Sehr unwahrscheinlich.
Gegen die "Vier weitere Personen im Auto"-Angabe spricht allerdings auch die Aussage beider LKW-Fahrer, die nur eine weitere Person an der Fundstelle gesehen haben. Ein Grüppchen von mehreren Personen in der Nähe der Autobahn wäre auch sicher anderen, unbeteiligten Personen aufgefallen.
Ich persönlich gehe von von 1-3 weiteren Personen im Wagen aus und unterstelle mal ganz frech, daß S. mit den vier Personen die Täterzahl gemeint hatte und nicht die Zahl der Mitfahrer. Vielleicht nahm er auch nur an, daß alle Täter mit ihm mitfuhren.
Für mehr als einen mitfahrenden Täter spricht für mich die geöffnete Heckklappe des zweitürigen Golfs. Schon der Fahrer konnte nur sehr schlecht aus dem Auto durch die Fahrertür aussteigen; für Personen im Fond war es um einiges einfacher, aus der Heckklappe zu entschwinden als über die Vordersitze zu klettern und durch die Fahrertür das Auto zu verlassen. Der Beifahrersitz war ja durch Stoll blockiert.
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Abschliessend: schon die bekannte Sachlage lässt so manchen Zweifel aufkommen. Weder lässt diese Basis auf die Art des Deliktes schliessen, noch gibt sie Hinweise für Motive. Ob Unfall, Suizid oder Mord - für jede Theorie gibt es widersprechende Fakten bzw. es fehlen die notwendigen Beweisstücke. Es soll für den Fall Günther S. über 1200 Spuren geben, ich kann mir kaum vorstellen, daß ein Großteil davon Einzug in den dargestellten XY-Filmfall hatten. Ich würde mir wünschen, dass der Fall bei Aktenzeichen XY oder anderer Medienformate nochmals, diesmal unter Betrachtung anderer Auffälligkeiten und Umstände, neu aufgelegt wird. Unabhängig davon verspreche ich mir Möglichkeit, daß sich Tatbeteiligte nun nach insg. 28 Jahren melden könnten. Außer Mord sind andere mögliche Delikte (Beihilfe zum Suizid, Unfallflucht, sogar Totschlag) inzwischen verjährt, was Beteiligte/Mitwisser ggf. zu einer späten Aussage bewegen könnte.
Quellen:
Filmfall XY:
YOGTZE aka BAB Rätsel Fall [ 1/2 ]
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