@frauZimt frauZimt schrieb:Als Vormund des kleinen Josef war ja Andreas Gruber eingetragen.
Das wurde sicher vom Vormundschaftsgericht bestimmt und hatte nichts damit zu tun, dass "Opa-Gruber" möglicherweise der Vater seines Enkels war.
frauZimt schrieb:Auch in dieser Frage muss man sich in die Zeit zurückdenken.
Die Halbschwester der Jungbäuerin wäre nicht als Vormund bestimmt worden, da sie eine Frau war. Dann schon eher der Schwager.
Der Schlittenbauer hätte die Vormundschafft beantragen können, aber wie das Gericht entschieden hätte?
Solange er in der Mordsache befragt wurde und nichts entschieden war, wäre vielleicht eine Pflegschaft für das Kind infrage gekommen.
Der Vormund musste durchaus nicht der näheren Verwandtschaft entstammmen.
Ich halte durchaus für möglich, dass das Kind einen ganz fremden Vormund erhalten hätte.
AGr wurde entweder gem. § 1776 Abs. 1 Nr. 2 oder Nr. 4 BGB aF als Vormund bestimmt. Dh entweder, weil er schon von VGa als Mutter des Mündels zum Vormund bestimmt worden war, oder weil er eben der Großvater mütterlicherseits war. Das war insofern klar gesetzlich vorgegeben. LS selbst konnte als "Vater" nichts bestimmen, weil er gem. § 1589 Abs. 2 BGB aF eben gerade als nicht mit seinem Kind verwandt galt. Das geht auch noch einmal deutlich aus § 1777 Abs. 1 BGB aF hervor.
Kam keiner der in § 1776 BGB aF genannten Personen in Betracht (weil zB tot, oder weil kein konkreter Vormund benannt worden war) entschied das Vormundschaftsgericht nach Anhörung des Gemeindewaisenrats gem. § 1779 Abs. 1 BGB aF. Dabei waren gem. § 1779 Abs. 3 S. 3 BGB aF Verwandte und Verschwägerte des Mündel zunächst zu berücksichtigen. Letzteres war eine zwingende Vorschrift. Angesichts der vielen denkbaren Optionen (Familie der Halbschwester von VGa, die große Familie des Großonkel BGr) wäre ein Fremder sehr wahrscheinlich nicht in Betracht gekommen. Und da LS gem. § 1589 Abs. 2 BGB aF als nicht mit JGr verwandt galt, wäre seine Chance die Vormundschaft zu erlangen sehr gering gewesen. Das musste ihm auch klar gewesen sein.
Die entsprechenden Paragraphen in ihrer 1922 gültigen Fassung lassen sich hier nachlesen:
http://lexetius.com/leges/BGB/Inhalt;jsessionid=q55sang0f7puggm53f6lsdxx?0@BobGray Du hast völlig recht, wenn Du LS als möglichen Täter in Betracht ziehst. LS ist definitiv tatverdächtig. Zum einen liegt bei LS ein ganzes Motivbündel vor. Zum anderen gibt es durchaus auch noch weitergehende Indizien, die ihn belasten. Allerdings reichen mE die Indizien keinesfalls aus, um sich auf ihn als Täter festzulegen. Da gibt es auch noch andere mit klarem Motiv (Erbschaft), und auch Raubmörder (ob fremd oder aus der Gegend) sind definitiv in Betracht zu ziehen.
Zum Motiv von LS: Zunächst steht da die Vermeidung von Unterhaltszahlung für JGr im Raum. Anfang März 1922 - also nur wenige Wochen vor der Tat - war im Schrobenhausener Wochenblatt ein Artikel veröffentlicht worden, dass das LG Neuburg aD in einem jüngsten Urteil entschieden habe, dass einem Kind, das durch Abfindungsvertrag seine Unterhaltsansprüche eigentlich verloren hatte, wegen der Inflation ein Anspruch auf monatliche Zusatzrente zustehen würde. Damit standen für LS wieder erhebliche Unterhaltszahlungen im Raum, sollten sich die HKler entscheiden diese geltend zu machen. Darüber hinaus war der Abfindungsvertrag zwischen JGr und LS, der 1919 geschlossen worden war, sowieso nichtig und das gleich aus mehreren Gründen. Wenn man sich ansieht, mit welcher Vehemenz LS die drohenden Unterhaltszahlungen 1919 bekämpft hatte - und dabei auch die Existenzvernichtung der HKler (zu der eine Verurteilung wegen Inzests mit gewisser Wahrscheinlichkeit geführt hätte) in Kauf nahm, dann wird klar, wie sehr LS diese Zahlungen vermeiden wollte. Hinzu kommt, dass LS in seiner Vernehmung 1931 (immerhin über elf Jahre nach den Ereignissen 1919!) für einen Moment irritiert die Fassung verliert und zugibt, dass er sich deswegen grün und blau geärgert habe und sein Sohn ihm wegen der Vaterschaft bezüglich JGr Vorwürfe gemacht habe. Mit wiedergewonnener Fassung streitet er das dann zwei Sätze später ab, eine ziemlich offensichtliche Lüge. Dazu kommt dann noch der Tod des neugeborenen eigenen (und ersten mit der neue Ehefrau gemeinsamen) Kindes kurz vor der Tat, was durchaus einen emotionalen Ausnahmezustand bewirken kann.
Motiv und Möglichkeit allein machen einen jedoch noch nicht zum Täter. Es gibt noch andere Indizien gegen LS, aber mE ist es zu wenig, um berechtigte Zweifel auszuräumen. Leider ist es auch so, dass gegen andere potentielle Täter nur sehr ungenügend oder gar nicht ermittelt wurde. Wenn man einmal Pielmayers Bericht von 1926 als damaligen Ermittlungsstand zu Grunde legt, dann fällt zB auf, dass die Familie St. dort mit keinem Wort erwähnt wird. Zumindest gegen die Familie Ga. scheint in irgendeiner Form ermittelt worden zu sein. Mangels überlieferter Akten zu diesen Ermittlungen bleibt es aber auch völlig unklar, was da konkret ermittelt worden ist und wie sorgfältig diese Ermittlungen geführt wurden.
@Hathora @frauZimt@egahtWas die Fütterung der Tier anbelangt, stehe ich dieser nach wie vor skeptisch gegenüber und neige eher wie
@Hathora dazu, davon auszugehen, dass diese nicht erfolgt ist. Neben den wissenschaftlich fundierten Ausführungen, die hier bereits mehrfach zitiert worden sind - und konträr einer zur Zeit erschreckend populären anti-wissenschaftlichen Strömung in der Gesellschaft - nicht in einem Labor aus der Luft gegriffen wurden, sondern durch entsprechende Beobachtungen und Studien vor Ort, sind hier auch die entsprechenden Zeugenaussagen ausschlaggebend. Dabei ist zu beachten, dass von den Zeugen, von denen Aussagen zu dem Zustand der Tiere überliefert sind, überhaupt nur zwei diese
vor deren Fütterung durch LS gesehen haben, nämlich Schwaiger und LS selbst. LS äußerte sich in seinen Aussagen nicht zu dem Zustand der Tiere und wird dazu leider auch nicht befragt, ein schweres Versäumnis der ermittelnden Beamten (und nicht das einzige). Schwaiger hingegen erläutert detailliert nicht nur den Zustand der Tiere und ergänzt diesen mit seinen praktischen (für alle die wissenschaftlich gewonnene Erkenntnisse ablehnen) Erfahrungen als Landwirt, sondern auch den Zustand des Stalles. Und hier ist eben nicht nur bemerkenswert, dass seine Darstellung mit der der bereits zitierten Quellen über das Verhalten von Vieh übereinstimmt, sondern auch und gerade, dass er im Stall explizit keine Spuren einer Fütterung vorfindet. Er beschreibt den Stall und den Stallgang als äußerst sauber
abgesehen von dem Kot der Tiere. Ein fütternder Täter hätte also die zwangsläufig anfallenden Fütterungsspuren beseitigen müssen, ohne dabei aber den Kot anzurühren. Das erscheint mir schwer vorstellbar.
Sigl behauptet zwar die Tiere gesehen zu haben, mE entspricht das aber nicht der Wahrheit. 1922 sagte Siegl nicht aus, dass er im Stall gewesen war. Vielmehr erzählte er, dass er zusammen mit Pöll nach dem Fund der Magd im Zimmer neben der Küche das Haus verlassen habe. Darüber hinaus hatte Sigl im Jahr 1952 auch ein nicht unerhebliches Interesse daran LS zu belasten.
Von den anderen Zeugen, die sich zu den Tieren äußern waren auch nur wenige wirklich auf dem Hof:
- die Kaffeehändler (5.4.1922): Beide hören sowohl Vieh als auch Hund (geben Laut). Es ist also auch nicht so, dass die Tiere völlig ruhig gewesen wären.
- Briefträger Mayer (1952): Das Vieh ist unruhig und brummt.
- Hofner (1925): Das Vieh brüllt und der Hund bellt.
- J Schlittenbauer: Zu ihm gibt es widersprüchliche Informationen. Sein Vater (LS) gab 1922 an, dass seine Söhne das Vieh schreien hörten und der Hund winselte. 1952 sagt er selber aus, der Hund habe (aber nur ein paarmal) gebellt, als er an die Stalltüre stieß. Das Vieh habe nicht geschrien, weil es dazu zu durstig/erschöpft gewesen sei.
Alle anderen waren nicht auf dem Hof gewesen. Einige waren erst viel später - also nach der Fütterung - eingetroffen. Andere waren in der Nähe vorbeigegangen oder hatten auf einem Feld in der Nähe gearbeitet. Dabei ist überhaupt nicht klar, wie gut hier die Mauern des Stalles den Schall isoliert haben können, selbst wenn das Vieh geschrien hätte. Immerhin fiel der Schreitest im Haus ja auch negativ aus. Besonders bemerkenswert ist auch bei Pölls Aussage die Qualifikation der Stille mit Bezug auf den Hund. Das erscheint mir insoweit interessant und folgerichtig, weil der Hund nämlich normalerweise tagsüber sich im Hof aufhielt. Da war es natürlich gut vorstellbar, dass man den dann auch weiter weg auf dem Feld noch bellen hört. Nachdem der Hund aber im fraglichen Zeitraum im Stall eingesperrt war, war dessen fehlendes Gebell - dass eben nicht so weit aus dem Stall heraus noch zu hören wart - entsprechend auffällig.
@frauZimt @jaska Zum Thema Spuren im Schnee.
@jaska hat prinzipiell nicht Unrecht wenn sie auf die relativ große Anzahl an Zeugenaussagen zu dem Thema verweist. Auch ich tendiere eher dazu anzunehmen, dass diese Spuren tatsächlich existiert haben. Dennoch gibt es auch hier beträchtliche Lücken in der Dokumentation dieser Spuren und der Zeugenaussagen dazu, die eine berechtigte Skepsis hervorrufen können. Zunächst ist festzuhalten, dass zeitnah zum Tatgeschehen überhaupt nur eine Zeugenaussage zu den Spuren im Schnee überliefert ist, das ist die von LS. Natürlich ist es auch so, dass mit den verbrannten Unterlagen in Augsburg uns einiges an Aktenmaterial verloren gegangen ist. Es ist also durchaus denkbar, dass es auch noch weitere zeitnahe Aussagen zu diesen Spuren gab. Pielmayer erwähnt in seinem Bericht 1926 - der immerhin eine Art Überblick über den Stand der Ermittlungen darstellen soll - nur zwei Zeugenaussagen dazu: Die von LS und eine von K. Stegmaier, die aber leider nicht überliefert ist (oder zumindest zur Zeit noch nicht im Internet veröffentlicht wurde). Das heißt jedenfalls, dass Pielmayer 1926 eine entsprechende Aussage von Stegmaier vorlag. Leider ist aber eben nicht klar, wann diese Aussage von Stegmaier gemacht wurde und ob diese nicht entsprechend kontaminiert war (zB durch den Bericht in der Augsburger Zeitung, wo dieser Sachverhalt bereits am 8.4.1922 veröffentlicht und auch nur
ein Zeuge erwähnt wird). Bemerkenswert ist in dem Zusammenhang, dass Sigl in seiner Aussage 1922 diese Spuren nicht erwähnt, obwohl er in seiner Aussage 1952 angibt, dass Stegmaier (sein Schwiegervater) ihm davon noch an demselben Tag erzählt und ihn deshalb gewarnt habe, er solle schnell nach Hause gehen. Wenn also Stegmaier tatsächlich schon zum Zeitpunkt der Entdeckung der Tat von den Spuren wusste, muss man sich fragen, warum sein Schwiegersohn von diesen in seiner Aussage 1922 nichts erwähnt hat. Bemerkenswert ist an der Zusammenfassung von Pielmayer 1926 auch, dass er - immerhin nunmehr vier Jahre nach der Tat - nur zwei Zeugen erwähnt, die davon erfahren haben wollen. Ritzl, Mayer, Th. Schwaiger werden alle nicht erwähnt. Und bemerkenswert ist auch, dass Pielmayer schon 1926 noch mindestens eine uns unbekannte weitere Aussage von LS (zusätzlich zu der vom 5.4.1922) vorgelegen haben muss, in der dieser den "abgehenden Hausschlüssel" erwähnte, der in der ersten Aussage 1922 aber von ihm nicht erwähnt wurde (warum?). Für das alles kann es natürlich auch "harmlose" Erklärungen geben, zB eine schlampig arbeitende Gendarmerie, generell schlechte Dokumentation von Aussagen, Sigl/LS waren zu aufgeregt/konnten sich nicht daran erinnern/hielten es aus unerfindlichen Gründen nicht für wichtig, usw. Trotzdem bleibt bei mir ein schaler Nachgeschmack zurück.
@Hathora Ich muss Dir auch in Bezug auf die Plöckl-Aussage im Großen und Ganzen zustimmen. Der Aussage von Plöckl ist auf jeden Fall mit großer Skepsis zu begegnen. Leider ist die Original-Aussage nicht überliefert. Wir haben nur Pielmayers kurze Zusammenfassung. Aber wieso sich Plöckl dergestalt unwesentliche Wahrnehmungen gemerkt und dann auch noch konkret mit einem zu dem Zeitpunkt unwesentlichen Datum verknüpft haben will, bleibt völlig unklar. Hinzu kommt, dass die Wahrnehmungen nachts mE so von ihm nur schwer oder gar nicht zu machen gewesen sind. Aber selbst wenn man die Aussage als wahr unterstellt, muss das noch nichts mit der Tat zu tun haben. Nach Aussage seiner Schwester hatte es kurz vor seinem Heimweg (also bevor er die Wahrnehmungen am Backhaus gemacht habe) ein schweres Gewitter gegeben, weswegen sich sein Heimweg auch verzögert habe. Da ist es durchaus denkbar, dass überraschte Reisende kurzfristig in dem Backhaus - von der Straße aus einsehbar - Schutz suchten und eventuell sogar versuchten an dem Feuer sich aufzuwärmen und Kleidung zu trocknen. Das würde auch erklären, warum sie das Backhaus dann in aufgeräumten Zustand (frisches Holz eingelegt) zurückließen. Täter hätten für letzteres überhaupt keinen Bedarf gehabt.
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