@egaht Ich möchte generell zu Bedenken geben, dass Probleme bei den Ermittlungen nicht zwangsläufig auf eine Einflussnahme entweder durch einen sich bedroht fühlenden Politiker oder rechtsradikale Elemente im Justizwesen zurückzuführen sind. Viel wahrscheinlicher ist menschliches Versagen und generell schwierige Verhältnisse.
Zunächst ist festzuhalten, dass zahlreiche Ermittlungsbehörden an den Ermittlungen beteiligt waren, aber die noch überlieferten Akten eher mäßige bis schlechte Koordination nahelegen. Am Erstzugriff waren die Gerichtskommission aus Neuburg aD, die StA Neuburg aD, die Gendarmeriestationen Hohenwart und Schrobenhausen und die Kripo München beteiligt. Später kam dann noch die StA Augsburg hinzu. Das sind sechs verschiedene Behörden in einer Zeit ohne Computer, Internet, Fax und noch recht spärlichem Telefonnetz und mangelhafter Transportinfrastruktur. Ich denke, dass es auch viel naheliegender ist, Reingrubers kolportierten Spruch "Da haben zu viele mitgeredet" auf dieses Durcheinander zu beziehen, als auf etwaige Einflüsterungen übergeordneter proto-Nazis.
Dann muss man einfach sehen, dass Kripo-Beamten aus München um Reingruber zu später Stunde erst den Tatort erreichten, noch mitten in der Nacht die Vernehmung von Greger durchführten und mit entsprechend wenig Schlaf dann die anderen Verhöre. Das würde zumindest die gravierenden Mängel bei denselben erklären. Es fehlt an entscheidenden Fragen bei fast allen Zeugen:
- LS wird überhaupt nicht zu seinem Verhältnis zu den Opfern befragt, obwohl er angibt der Vater eines der Opfer zu sein. Heute hätte das sofort die Frage nach dem Alibi ausgelöst und man hätte weitere Erklärungen zu seinem Verhältnis zur Mutter des Kindes verlangt, einschließlich der Unterhaltsregelungen usw. Dazu kam nichts, nichtmal nachdem Siegl sich bei seiner Vernehmung dazu geäußert hatte. Auch keine Nachfragen dazu, woher er meint sich so gut über die finanziellen Verhältnisse der Opfer auszukennen, während der Bruder eines der Opfer aussagt, dass er überhaupt nicht wüsste, wie es um die Vermögensverhältnisse der Opfer bestellt ist. Das Opfer hätte sich dazu nie geäußert.
- Die Auffindezeugen wurden nicht weiter befragt zum Zustand des Stalles oder Viehs bei Auffindung und weiteren Details.
- Die Zeugin Schäfer wird lediglich um die Identifikation ihrer Schwester gebeten. Nicht eine Frage dazu, wie sie auf den Hof kam, was da gesprochen wurde, ob ihr etwas auf dem Heimweg aufgefallen war. Dabei war sie vermutlich die letzte Zeugin, die die Opfer noch lebend gesehen hatte! Auch nicht eine Frage, ob denn bei den Habseligkeiten der Schwester irgendetwas fehle.
- C Starringer, die Schwester der Hofeigentümerin und damit (korrekterweise) naheliegende Alleinerbin wird nicht weiter nach einem Alibi für sich oder ihren Ehemann befragt. Letzterer gar nicht - zumindest ist nichts überliefert. Ihrer Behauptung, sie habe der Schwester größere Summen Geld innerhalb eines kurzen Zeitraumes vor der Tat geliehen, wird nicht weiter nachgegangen, obwohl das damals noch hochgradige sexistische BGB es zumindest rein rechtlich der Schwester ohne Einverständnis des Mannes gar nicht möglich gemacht hätte. Keine Frage nach einem etwaigen Schuldschein usw.
- Die Gabriels werden gleich gar nicht vernommen - zumindest sind keine Protokolle überliefert. Dabei waren auch diese über das Enkelkind zumindest teilweise erbberechtigt. Jedenfalls aber gehörten sie zu der nächsten Verwandtschaft und damit in den Kreis potentieller Beziehungstäter. 1937 waren dann mal die Ga Brüder in U-Haft. Klar, 15 Jahre nach der Tat schaut man dann mal in die Richtung.
Während man für diese Fehler noch die Übermüdung und mglw. auch Überforderung angesichts eines Massakers dieses Ausmaßes verantwortlich machen kann, so ist das für die schnelle Festlegung auf Raubmord nicht mehr nachvollziehbar. Wenn auch generell noch in andere Richtungen ermittelt wurde, so wurde dies doch von der Vorgabe Raubmord, die sich in allen Akten/Berichten nach dem 6. April findet, überlagert. Es wird schnell klar, dass man erwartete mit diesem Motiv zum ZIel zu kommen und andere Motive nur noch pro forma in Betracht gezogen wurden.
Abgesehen von diesen ersten Mängeln, die sich prinzipiell auch nur schwer später wiedergutmachen lassen, da es eine "erste Vernehmung" eben nur einmal gibt, hab es dann auch erhebnlilche Probleme bei dem Einsatz der Gendarmerie. Einer der wichtigsten Zeugen, der Monteur Hofner, der vermutlich der letzte Zeuge auf dem Hof vor der Auffindung war, wird nur telefonisch kurz angefragt, ob er der Monteur war, der auf HK die Reparatur durchführte. Keine Vernehmung, keine Protokoll bis ins Jahr 1925 (!), wo es dann mal auffällt, dass der Monteur ja nie befragt wurde. Auch Renner kritisiert die Arbeit der Gendarmerie ("zu schwerfällig", "nicht genug Initiative") und fordert deshalb nochmal die Kripo aus München an. Das führt dann dauzu dass Krim.Kom. Neuss nochmal vor Ort ermittelt und immerhin eine ehemalige Magd und ein paar Diebe ausfindig macht. Auch er äußert sich zumindest implizit kritisch über die Arbeit der Gendarmerie.
Ferner ist kritisch anzumerken, dass die ermittelnden Beamten trotz Kenntnis der Umstände nicht in der Lage gewesen sind, das mögliche Motiv LS zu entdecken. Pielmayer liefert die lehrbuchartige Definition für Nichtigkeitsgründe hinsichtlich des Abfindungsvertrages und ist nicht in der Lage daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen. Das gilt selbst für Riedmayr, der es immerhin schafft ganz grob in die richtige Richtung zu denken. Und dann dennoch vor der Zielgeraden scheitert. Sein Verhör von LS ist dann auch wohl mit Abstand das Schlechteste, was ich so bislang gelesen habe.
Neben diesen Mängeln, die konkret die ermittelnden Personen zu verantworten haben, muss weiter bedacht werden, dass die Kriminalistik damals noch nicht so weit fortgeschritten war wie heute. Bspw. ist der Ausschluss eines Tatverdächtigen aufgrund dessen liebenswürdigen Persönlichkeitsstruktur und guten Leumunds - ich beziehe mich hier auf LS - heutzutage undenkbar. Es gibt Hinweise darauf, dass tatsächlich mglw. ermittlungswillige Beamten in dieser Richtung Schwierigkeiten bereitet wurde. Ramelmeier gibt in einer Vernehmung an, dass der Oberwachtmeister von Schrobenhausen ihm gesagt habe, dass LS "einen guten Leumund habe und man nicht recht gegen ihn vorgehen könne". Damals hingegen waren so Irrlehren wie die von der Verbrecherpersönlichkeit weit verbreitet. Hinzu kam das "Klassendenken". Generell standen erst mal auch nur die unteren sozialen Schichten unter einem Generalverdacht. Das begünstigte dann wieder die schnelle Festlegung auf Raubmord.
Dann fehlte es auch an moderner Technik und Vorgehensweise. Spurensicherungstechnik, Fingerabdrücke (zwar bekannt, aber nicht genutzt), Fotografie mit langen Belichtungszeiten und körnigem Film, fehlender Strom für Beleuchtung, fehlende moderne Geräte für die Obduktion, DNA-Analyse unbekannt, fehlende Kenntnise in Aussagepsychologie. Da kann das schon mal schwierig werden.
Und schließlich erschwerende andere Faktoren: Der Tatort war völlig kontaminiert. Leichen bewegt, Vieh versorgt, Stall gesäubert, mglw. Geschirr gewaschen, unzählige Personen diurch das Haus marschiert, Sachen angefasst und mglw. mitgenommen. Da kam es fast schon nachsehen, dass man darauf verzichtet hat, Fingerabdrücke zu nehmen oder Fußspuren zu sichern. Dann eine brodelnde Gerüchteküche begünstigt durch eine hohe Belohnung, die damals jeder gut gebrauchen konnte.
Wenn man sich das so anschaut, sollte es relativ klar sein, dass es viel wahrscheinlicher ist, dass individuelle Fehler, eine ineffiziente Organisation und Koordination der Behören in Kombination mit noch unterentwickelten Techniken und Infrastruktur, sowie unglückliche, nicht beherrschbare Einflüsse von außerhalb hier die Ermittlungen nachhaltig behinderten und für den fehlenden erfolgreichen Abschluss verantwortlich sind, als die ungebührliche Einflussnahme von Rechtsextremen oder eines MdL und eine darauf folgende vorsätzliche Fehlermittlung.
Das gilt gerade auch für die angenommene Fememord-Theorie. Immerhin wird gerade Reingruber von Ulrike Hofmann in ihrer Abhandlung "Verräter verfallen der Feme", Fememorde in Bayern in den zwanziger Jahren, bescheinigt, dass er entgegen der Widerstände ermittelt hat. Bemerkenswert ist auch, dass durchaus einige dieser Fememorde aufgeklärt wurden. Das Problem lag zumindest bei diesen aufgeklärten Morden weniger im Bereich der Ermittlungstätigkeit, als bei der anschließenden Durchsetzung der Strafverfolgung nach der Aufklärung der Tat. Auszuschließen ist zwar eine entsprechende Einflussnahme durch entsprechende höhergestellte Beamte oder die StA in Augsburg nicht (wobei auch Ramer bei Hofmann eine unabhängige Polizeiarbeit bescheinigt wurde). Aber gerade bei Reingruber kann das nicht überzeugen.
Abschließend sei nochmal darauf hingewiesen, dass niemand ernsthaft behaupten kann, er habe den oder die Täter gefunden. Alles was heute noch möglich ist (unabhängig von der Entdeckung noch unbekannter Akten/Beweismittel). ist der Versuch einer Feststellung der Fakten und darauf basierend das Finden on Erklärungsansätzen. Dabei muss man berücksichtigen, dass es aufgrund der spärlichen Informationen nur schwer möglich ist, einen Erklärungsansatz auszuschließen. Möglich ist allenfalls eine sehr grobe Zuordnung von Wahrscheinlichkeiten, wobei die Mehrzahl der verbreitesten Theorien gleich wahrscheinlich sein dürften (CSt und Anhang als Täter wg Erbschaft, KGa sen. und Anhang als Täter wg. Erbschaft/Inzest/Rache for KGa jun., LS und Anhang als Täter wg. Unterhaltsnachforderung/Rache/Beseitigung einer empfundenen persönlichen Schande/Inzest, bekannte oder unbekannte Täter wg. Raub zB Gump, Bärtl, Schreier, Bichler). Der Fememord-Theorie halte ich mangels konkreter Anhaltspunkte für weniger wahrscheinlich, aber auch sie kann nicht ausgeschlossen werden. Die KGa jun.-Theorie halte ich dank recht umfassender Zeugenaussagen und Dokumentierung für so unwahrscheinlich, dass man sie auch getrost als ausgeschlossen bezeichnen kann.