@Schissler :
Du hast gerufen?
Natürlich kommt man an der Person K.Ga. bei der Betrachtung des Falles HK nicht vorbei. Die Überlegung ist nicht neu. Ob die Ermittler damals von selbst darauf kamen oder ob sie durch Hinweise aus der Bevölkerung darauf gebracht wurden, ist nebensächlich.
Ludwig Meixl, Polizei-Oberwachtmeister, formulierte es zeitnah so:
Schutzmannschaft Schrobenhausen
Schrobenhausen, den 29.April 1922
An die Polizeidirektion München
Betreff: Sechsfacher Raubmord in Hinterkaifeck.
Nachdem die umfassenden Ermittlungen in nebenbezeichneter Mordsache bisher zu keinem Ergebnis führten, möchte ich die Polizeidirektion dringend ersuchen, bei den einzelnen zuständigen Fürsorgestellen in München, wie auch bei den übrigen Stellen in Bayern darüber Erhebungen einzuleiten, ob nicht der Ehemann der ermordeten Besitzerin namens Karl Gabriel, welcher nach einer im Schrobenhausener Wochenblatt seinerzeit erschienen Todesanzeige vom 12.12.14, bei Neuville gefallen sein soll und im 13.Inf.Rgt., 1.Komp. gedient hat, mit einem kurz vor der Mordtat eingetroffenen Gefangenentransport zurückgekehrt ist.
Der Umstand, daß schon in hundert derartigen Fällen der vom. Regt. Angeblich Gefallene wieder in die Heimat nach Jahren zurückkehrte, bewegt mich auf den Gedanken, daß es nicht ausgeschlossen ist, daß auch Karl Gabriel heimkehrte und schließlich, was bei den zerrütteten Verhältnissen, die in der Familie Gruber und Gabriel herrschten – Vater und Tochter treiben Blutschande – die Ehefrau des Gabriel hat im Witwenstande geboren, als Täter in Frage kommen kann.
Die Umstände, unter denen die Mordtat begangen wurde, läßt die bestimmte Vermutung zu, daß der Täter mit den einschlägigen Verhältnissen aufs genaueste bekannt gewesen sein muß.
Wäre meine Vermutung nicht unzutreffend, so ist damit zu rechnen, daß Gabriel, falls er noch am Leben und zurückgekehrt sein sollte, einen falschen Namen führt. Mit Rücksicht auf die etwa für Angehörige entstehenden peinlichen Folgen ersuche ich, Gegenwärtiges streng vertraulich zu behandeln und mir über die Maßnahmen, die auf Grund meiner Anregung eingeleitet werden, Nachricht zu geben.
Das hätten die Ermittler übergehen können. Sie haben sich aber für die Frage, ob er tatsächlich am 12.12.1914 gefallen ist, und die Umstände seines Todes interessiert, Ermittlungen angestellt, die Ergebnisse in für HK erstaunlichem Umfang festgehalten
und die Akte von vor dem II. WK hat sogar auch "überlebt".
Der Tod K.Ga.´s ist somit für HK-Verhältnisse erstaunlich gut belegt.
Den damaligen Ermittlern, selbst zeitnah am Geschehen dran und mit Masse selbst WK. I - Veteranen, haben die Militärakten im weiteren Verlauf auch nicht gereicht bevor nicht die Schilderung des darüberhinaus befragten Zeugen Brunner vorlagen.
Danach aber sehr wohl.
Deine Überlegungen zu K.Ga. haben einige Schwachpunkte.
Karl Gabriel hatte ich auch vor längerer Zeit schon mal auf meiner "Favoritenliste" (da waren schon einige drauf ...). Ich stelle hier mal einen Beitrag von mir rein, den ich vor ca. einem Jahr mal geschrieben hatte. Besonders für @Jessica-.
Karl Gabriel als Täter setzt natürlich voraus, dass er gar nicht gefallen ist.
Folgende Möglichkeit wäre nicht völlig anwegig:
KarlGabriel geriet in franz. Gefangenschaft. Die Kriegsgefangenen wurden ja irgendwann nach ein paar Jahren wieder heim transportiert. Die liefen nicht einzeln planlos durchs Land. Also lassen wir ihn mal so fünf Jahre in Gefangenschaft gewesen sein. Nach Inkrafttreten des Versailler Friedensvertrages begann 1920 der Heimtransport von Kriegsgefangenen, 10.000 sogar nach Bayern. Unter welchem Namen er in Gefangenschaft war ist nicht von Belang, er kann angegeben haben, dass er im Gefecht Papiere nebst "Hundemarke" verloren hat. Irgendeinen Namen kann er angeben.
Denken wir das mal durch:
K.Ga. lag bei winterlichen Temperaturen mit leicht gespaltener Stirn, geöffnetem Mund und sichtbarer Unterkieferverletzung ( mögliche weitere Verletzungen sind nicht überliefert ) mehrere Tage sichtbar unter Beschuss drei Meter vor der eigenen Stellung.
Wäre er von da verschwunden, wäre das eine kleine Sensation gewesen, die man sicher gemeldet hätte. Anstatt übrigens der dann völlig unnötigen Meldung, er wäre im Stellungsgrab begraben worden.
Irgendwie geriet er also in die Hände der Franzosen. Da die ihn in seinem Zustand vermutlich nicht drei Meter vor dem deutschen Graben aufgeklaubt haben, muss er selbst zu ihnen gekrochen oder gewankt sein, ohne dass ihm noch weiteres Unheil widerfuhr oder er ganz banal erschossen wurde, sobald er in Sicht- und Schussweite geriet. Allgemein war nämlich Krieg, da war das üblich, was von unserer friedensverwöhnten Gesellschaft gerne vergessen wird.
Aber lassen wir ihn mal der Überlegung halber in die Hände der Franzosen fallen. Die hätten ihn ins Lazarett gebracht und dort hätte man ihn behandelt. Lassen wir mal die damaligen Behandlungsmöglichkeiten der beschriebenen Verletzungen ( die übrigens im Verlauf des Krieges enorm weiterentwickelt wurden ) und seine Überlebenschancen außer Acht und ihn auch das überleben.
Allerspätestens nachdem er sein Bewusstsein wiedererlangt hatte, hätte man seine Personalien aufgenommen. Also Name und Dienstnummer. Wenn seine Papiere das nicht schon preisgegeben hätten. Aber lassen wir die mal verlorengegangen sein.
Jetzt gab´s mehrere Möglichkeiten:
1.) Er konnte sich ( noch ) nicht erinnern.
2.) Er konnte sich erinnern.
Zu 1.) In dem Fall wäre er vorerst als unbekannt geführt worden. Wäre sein Gedächtnis "weg" geblieben, ist es fraglich, ob er jemals nach Hause gefunden hätte. Wäre es weidergekommen, wäre Fall 2.) eingetreten.
Zu 2.) Warum hätte er einen falschen Namen angeben sollen? Das hätte für ihn unmittelbare Nachteile gehabt. Er hätte genau gewusst, dass ihn seine Angehörigen dann für vermisst oder tot halten mussten. Und er hätte keine Post versenden oder bekommen können.
Zum Thema Gefangenenpost:
http://www.heimkehrerpost.de/30201.htmlAuszug:
Die Gebührenfreiheit der Kriegsgefangenensendungen ist zuerst vom Postkongreß in Rom (1906) beschlossen worden, der damit einem Beschluß der ersten Haager Friedenskonferenz (1899) gefolgt ist, dem die Absicht zugrunde lag, das ohnehin beklagenswerte Los der Kriegsgefangenen durch weitestgehende Erleichterung ihres Verkehrs mit der Heimat soviel wie möglich zu lindern. Die späteren Postkongresse haben die Gebührenfreiheit in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der zweiten Haager Friedenskonferenz (1907) aufrechterhalten.
Also warum hätte er sich seine Gefangenschaft auf diese Weise erschweren sollen?
Nehmen wir an, der Transport kam also in Bayern an, er macht sich zu Fuß auf nach Laag. Das kann Monate dauern (evtl. geschwächt usw.). In Laag angekommen, erfährt er wie 's um seinen Hof steht.
Ja, nehmen wir also an, er hätte seine Verletzungen und die fünf Jahre Gefangenschaft überlebt. Lassen wir der Annahme halber mal außer Acht, welche Lebensbedingungen in französischen Gefangenenlagern herrschten. Du siehst hoffentlich, wieviel man im Verlauf dieses Gedankenganges an Realitäten und Wahrscheinlichkeiten ignorieren muss, nur damit die Story weiterholpert.
In Bayern hält der Zug mit den Heimkehrern und K.Ga. latscht los. Stellst Du Dir so vor, was? Das war aber nicht so.
Sowas schonmal gesehen?
http://ww1.habsburger.net/de/medien/heimkehrer-entlassungsschein-von-karl-artner-1920 (Archiv-Version vom 08.03.2017)Die Männer wurden erfasst, untersucht, versorgt. Bei Gedächtnisverlust wäre er in eine entsprechende Einrichtung gekommen.
Warum an dieser Station einen falschen Namen nennen? Oder warum die Station übergehen? Er wäre nichtmal seine Läuse losgeworden....
Nächste Station:
K.Ga. kommt nach Laag. Und die lassen nicht die Party des Jahres steigen? Mit ihm hätte die Familie drei Söhne verloren anstatt zu jubeln hocken die sich hin und schmieden finstere Pläne?
Ich frag´ mich immer, was für Leute das sind, die anderen sowas zutrauen.
Das will er mit eigenen Augen sehen. Beobachtet den Hof vom Wald aus. Er will mit Viktoria reden, will wissen, wer jetzt Bauer auf HK ist und trifft sich im Stadel mit ihr. Sie rechtfertigt sich, sie sei ja von seinem TOD benachrichtigt worden. Was ihn dann ausrasten läßt ist die Tatache, dass sie den Inzest mit ihrem Vater weiter betrieben hat.
Das ist jetzt einfach nur platt melodramatisch. Und, sorry, Unsinn. Wer jetzt Bauer auf HK war, konnten ihm seine Verwandten schon sagen, um das rauszukriegen musste ausgerechnet er nicht am Waldrand stehen.
Und was hätte er da zu sehen gekriegt? Spätwinterlichen Bauernhofbetrieb. Langeweile pur. Orgien auf dem Heuboden hätte er auf die Entfernung nichtmal hören können...
Wer Josef Gr.´s Vater war, darüber gab´s Gerüchte, mehr nicht. Offizielle "Tatsache war der L.S. als Vater. Den als Witwentröster hätte er akzeptieren müssen, nachdem er sich ja selbst totgestellt hatte.
Das Szenario driftet hier an dem vorbei, was den Leuten damals wirklich wichtig war. Nicht irgendwelches Romantisieren, sondern "das Sach´ ". Als Besitzer des Hofes hätte er am hellen Tag dort auflaufen können.
Er kann danach vier Tage auf dem Hof verblieben sein - wo sollte er auch hin!
Abgesehen davon, dass an das Ende einer Frage ein "?" gehört, warum nicht heim nach Laag?
Oder sollte das eine Feststellung sein?
Dort hätte er risikoärmer versteckt werden können.
Damals sind sehr viele Deutsche nach Amerika ausgereist. Evtl. hat sein Vater oder einer seiner Brüder ihm so eine Gelegenheit verschafft und er mußte dafür sorgen, dass die Tat nicht vorher schon auffliegt, dass keiner ihn sieht (Wiedererkennung) und er bei der Nacht den "Abflug" macht ...
Abgesehen davon, dass so eine Überfahrt Geld gekostet hätte, hätte er da schon wieder Papiere gebraucht und man buchte da nicht "last minute".
Dafür, dass ihn keiner wiedererkannte, hätte er ununterbrochen die ganze Zeit sorgen müssen, also seit dem 12.12.14.
Also, das ist jetzt reine Phantasie, keine belegte Grundlage hierfür, ich sage nur, es KÖNNTE so gewesen sein, wäre für mich alles logisch und schlüssig. Was spricht dagegen?
Die Wahrscheinlichkeit, dass es so gewesen ist, ist extrem gering aus der damaligen Situation heraus. Logik und Schlüssigkeit können hier nur unter extremer Verdrehung der Realität vorgespiegelt werden.
Und hier noch ein paar Gedanken:
Karl Gabriel. Er hätte das stärkste Motiv für die Morde gehabt. Während er sich fürs Vaterland den Hintern aufreißt, wird auf HK Inzest betrieben und ein Kind gezeugt, das nicht seines sein kann. Für seinen Aufenthalt nach der Tat auf dem Hof muss von außen alles nach "Normalität" aussehen. Warum er nach der Tat auf dem Hof verblieben ist, könnte entweder bedeuten, dass er darauf wartete abgeholt zu werden oder auch der Gedanke "eigentlich ist das mein Hof und ich bin rechtmäßig der Bauer".
Nicht "eigentlich", er
war der Bauer. Solange er lebte und auf dem Papier jedenfalls.
Was natürlich gegen ihn spricht, ist die Tatsache, dass er gefallen war.
Da stimme ich mal zu.
Aber das ist m.E. zu wenig hinterfragt worden.
Oh doch.
Wenn einer im Schützengraben von einem Geschütz im Gesicht getroffen wird, wird der mit Sicherheit ohnmächtig.
K.Ga. wurde
vor der Stellung seiner Kompanie durch eine Werfermine getötet. Und zwar, nach der Beschreibung der Verletzungen, durch einen Splitter derselben.
Da unter "Granatsplitter" hauptsächlich Kuchen kommt, guckst Du hier unter Bombensplitter:
https://www.google.de/search?q=Bombensplitter&biw=1024&bih=673&tbm=isch&tbo=u&source=univ&sa=X&ei=sM2zVM-0KYbpywOtwoLYBA&ved=0CCAQsAQSo ein paar hässliche Dinger hatten ihn getroffen.
Hier haben sich insbesondere Laien oft vertan und eine tiefe Ohnmacht nicht von Tod unterscheiden können. Was, wenn er nach einem Tag langsam zu sich kam,
Nicht dass ich darauf nicht schon eingegangen wäre. Nach Zeugenaussagen lag er zwischen zwei und vier Tagen dort, ohne zu sich zu kommen.
Auch die Hemmschwelle zum Töten ist für einen Kriegsheimkehrer eher niedriger.
Soso. Nach zwei Tagen an der Front....
Ich kenne natürlich die Beiträge von @Dew, der ganz energisch die Meinung vertritt, dass KG gefallen ist.
Du hast sie möglicherweise gelesen, keinesfalls verstanden. Statt "energisch" setze "sachlich".
Und auch seinen Ausspruch, der war nicht James Bond oder so.
Auch diesen hast Du offensichtlich nicht verstanden.
Aber dass in den WKen I und II gelegentlich Soldaten als gefallen erklärt worden waren, aus welchen Gründen auch immer, ist auch Tatsache!
Unbedingt richtig.
Aber:
Die Riege der "K.Ga.-Reanimatoren" macht grundsätzlich den Fehler, K.Ga. schon vor seinem unseligen Kontakt mit der Werfermine zu unterstellen, er habe vorgehabt, sich "in Luft aufzulösen", um Dinge zu rächen, die zu dem Zeitpunkt noch garnicht geschehen waren. Als er dann mit leicht gespaltener Stirn zu sich kam, musste er nur noch die paar anderen Kleinigkeiten durchziehen ( und überleben ) um dann als Rächer aufzulaufen und wieder im Nichts zu verschwinden.
Der "bayrische Odysseus" ist halt zu verlockend.
Dass mich jetzt hier keiner falsch versteht. Ich will nicht auf Biegen und Brechen behaupten, dass KG der Täter war,
Das fällt bei nüchterner und tatsachenorientierter Betrachtung der vorgetragenen Gründe nicht unbedingt leicht.
aber es lohnt doch allemal, Dinge einfach mal zu hinterfragen und zu überdenken und zu diskutieren.
Oft sicher, "allemal" eher nicht. Manches Pferd ist tatsächlich zu tot, um noch zu versuchen, darauf zu reiten.
Es ist dieses "einfach mal hinterfragen", das bei mangelnder Grundlagenkenntnis des Fragers oftmals ermüdend wirkt.
Wohlgemerkt:
Ich könnte mir im Rahmen damaliger Befindlichkeiten auch einen K.Ga. vorstellen, der als Held zurückkehren wollte um dann das Ruder in die Hand zu nehmen und der deshalb den Kopf nicht schnell genug einzog. Klingt auch melodramatisch, passt aber in die Vorstellungswelt von Anfang des Krieges.
Und ich könnte mir auch die finstere Seite des Melodrams vorstellen. K.Ga. flieht vor der Blamage, die er mit seiner Ehe erlitten hat, in den Heldentod. Wobei die Beleglage für seinen Rückzug aus der Ehe, heim nach Laag, eher schwach ist.
Einem K.Ga., der, sagen wir mal kurz vor Ende des I.WK´s, nachdem er diese ganze Hölle der Westfront bis dahin überlebt hatte, unter etwas weniger eindeutigen Umständen verschwunden wäre, also einem mit allen Wassern des Überlebens gewaschenen, ausgebufften, ausgebrannten, abgestumpften, traumatisierten Frontschwein könnte man das HK-Gemetzel samt Vorlauf und noch viel mehr zutrauen.
Aber doch bitte nicht diesem armen Kerl, den es am zweiten Tag an der Front erwischt hat.
Die Wahrscheinlichkeit ist einfach zu verschwindend.
MfG
Dew