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Mordfall Hinterkaifeck

51.979 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Bauernhof, Hinterkaifeck ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Mordfall Hinterkaifeck

Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 04:07
@Heike75
Zitat von Heike75Heike75 schrieb:Ob das Scheunentor plötzlich offen war oder nicht, konnte er nicht wissen. Er kam erst nach getaner Arbeit in den Innenhof... es könnte also die ganze Zeit offen gewesen sein.
Wäre es nicht normal, dass man zuerst den kompletten Hof absucht, bevor man ein fremdes Schloss knackt :) ?


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04.01.2015 um 07:37
@Heike75

Noch ganz kurz zu deinem gestrigen posting von 23.33 Uhr wo du geschrieben hast, daß es dein voller Enrst und kein Scherz ist. (war gestern zu müde und bin ins Bett gesprungen und konnte dir hier nicht mehr antworten)

Du hast mich mißverstanden, es war mir schon klar, daß es DEIN voller Ernst ist und mit dem kleinen Scherz habe ich NICHT dich, sondern mich gemeint.

Also für MICH ist es ein Scherz gewesen, wobei ich schon verstanden habe, daß DU das Ernst meinst.

Also das hast du offensichtlich mißverstanden.


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04.01.2015 um 07:40
@tobiyyy
Soweit mir bekannt ist, wartete der monteur zuerst mal eine stunde, ob nicht doch jemand nach hause kommen würde und dann fing er mit den arbeiten an, weil sich während dieser zeit nichts gerührt hatte.

Weshalb der hund dann während der anwesenheit des monteurs vor dem hof angebunden wurde, verstehe ich nicht ganz. Weshalb hätte der täter dies gemacht haben können? Zu welchem zweck? Das hat ja den anschein erweckt, als ob tatsächlich jemand zu hause gewesen ist und der monteur zu suchen anfangen solle? Wollte der täter, dass die leichen durch den monteur gefunden werden? Dann müsste der täter aber die möglichkeit gehabt haben, selbst unbemerkt zu entkommen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass der täter den monteur gekauft hat, diese aussage mit dem hund zu machen. Dann wäre er mitwisser gewesen und für den täter viel zu gefährlich.

@Heike75
Danke, dass du meine theorie nicht als absoluten humbug abgetan hast. Für mich ist die sache mit dem rollkommando auch plausibler, aber es schiessen so viele gedanken durch den kopf, vor allem die würgemale bei viktoria lassen mich nicht in ruhe. Natürlich könnte man sie dadurch auch zum schweigen gebracht haben wollen oder aus ihr etwas "herauspressen" wollen. Z.b. die info, wo die entwendete anleitung versteckt sei. Aber in diesem fall hätte viktoria die erpresserin sein müssen. Ich bin immer noch sehr am zweifel, wie und ob lorenz in diesache verwickelt ist. Aber laut aussage von schwaiger fuhr viktoria mit ihm nach schrobenhausen, um wegen dem unterhalt für den kleinen josef etwas zu unternehmen. Das könnte den lorenz so in rage gebracht haben, dass er die familie wegen dem waffenversteck und der entwendeten anleitung verraten hat. Vielleicht wusste er davon, er wusste ja auch, dass die familie wohlhabend war.hatte lorenz eigentlich für die zeit, als der monteur dort anwesend war ein stichfestes alibi?


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04.01.2015 um 08:01
@Jessica-
Zitat von Jessica-Jessica- schrieb:Wenn er aus Eifersucht gehandelt hätte, was Robin ja vermutet, dann hätte er schon auf den ersten Ehemann der Victoria, also Karl Gabriel jun. eifersüchtig sein müssen.
Der hat ihm viktoria nicht weggenommen. Viktoria war für ihn nach wie vor greifbar. Aber wenn viktoria -kontenauflösung, ablassgeld?- den hof verlassen hätte wollen, dann hätte er auf sie verzichten müssen und vielleicht sogar auf cilli, da ich es immer noch nicht ganz ausschliesse, dass er sich irgendwann auch an ihr vergriffen hat und diese erkenntnis für viktoria der grund war, endlich zu handeln.


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04.01.2015 um 08:35
@Robin76
@Heike75

...also du und Heike ihr habt offensichtlich beide Probleme damit Ironie zu verstehen, demnächst schreibe ich es extra für euch beide dabei, wenn ich etwas ironisch, bzw. als Scherz meine. :-)

Ich habe es doch mittlerweile hier schon mehrfach (gestern und heute morgen nochmal) erwähnt, daß ich das ironisch gemeint habe, einfach weil mir diese Theorie (Gruber als Täter) nicht glaubhaft erscheint.

Aber daß ihr, also Heike und du das Ernst nehmt, ist mir schon klar, aber ihr habt beide nicht verstanden, daß ICH das als Scherz (Ironie) gemeint habe.

Klar, kann auch Gruber der Täter gewesen sein, rein theoretisch ist ALLES denkbar.


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04.01.2015 um 08:39
@Jessica-
Was hast du denn als scherz/ironie gemeint? Ich weiss gar nicht von was du konkret sprichst?


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04.01.2015 um 09:13
Strafrecht.Ein Beispiel ist, dass der Sünder bei einem Diebstahl neben der eigentlichen richterlichen Strafe auch dazu verpflichtet ist, dass gestohlene Gut an den Besitzer zurück zu geben (= Wiedergutmachung). Dieser Grundsatz war schon vor vielen hundert Jahren in der christlichen Theologie sehr weit verbreitet. Hat man hier gegen ein Gebot Gottes verstoßen, d.h. eine Sünde begangen, so musste diese Zuwiderhandlung zunächst durch Reue bzw. Buße vor Gott getilgt werden. Die durch die Sünde entstandene Störung in der gottgesetzten Ordnung musste daraufhin beseitigt und die Grundordnung wieder hergestellt werden. Die Buße und die darauf folgende Wiederherstellung konnte unter Anderem auch durch Zahlung von Bargeld erfolgen (= Ablassgeld). Da infolgedessen die Buße oft missbräuchlich als käuflich ausgegeben wurde, erfolgte eine Kommerzialisierung durch sogenannte Ablassbriefe.
Genau dies war meiner meinung nach der grund für die 700 mark. Viktoria hat für die wiederherstellung der göttlichen grundordnung, die durch eine sünde ihrerseits verursacht wurde, bezahlt. Das beweist für mich, dass viktoria diese sünde nicht nochmals begehen wollte. Sie zog damit einen schlussstrich, für was auch immer. Ich denke dabei in erster linie an den inszest.


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04.01.2015 um 10:19
@OddThomas
Zitat von OddThomasOddThomas schrieb:Variante 1: HK diente als Waffenversteck
Dafür spricht: Der Lange Aufenthalt der Täter auf HK um Waffen verschwinden zu lassen, incl. Infanteriegewehr von A.G.
Dagegen spricht: Die Aussagen von Kreszenz Rieger, die früher auf dem Hof bedienstet war, weiterhin hätte ein Abtransport der Waffen Wagenspuren hinterlassen, besonders bei der Wetterlage
Was halten Sie von Variante 1b:

HK diente als Waffenversteck (ob Gewehre oder Flugzeug[teile/anleitungen]), die aber bereits abtransportiert und umgelagert wurden. Beweise fùr das Lager waren jedoch unverändert in Grubers Händen.

Schauen Sie mal unter das Fenster links auf diesem Bild:

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2377a0 imageOriginal anzeigen (0,3 MB)

Grüße aus Gröbern


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04.01.2015 um 10:23
.... und so deckte die Polizei Waffenschiebung, beschüzte von Heimwehren eingerichtete Waffenverstecke und deckte Morde an vermeintlichen Verrätern:

Nach einem längeren Lazarettaufenthalt in Hamburg kehrte Schweighart im Mai 1920 nach München zurück. Ohne einen höheren Schulabschluss oder eine reguläre Berufsausbildung fiel es ihm schwer, im zivilen Leben Fuß zu fassen: Er behalf sich, indem er allerlei Gelegenheitsaufgaben im Umfeld seiner Freunde aus dem Kreis der extremen politischen Rechten in Süddeutschland übernahm. Von Mai bis August 1920 arbeitete er im Referat für auswärtige Angelegenheiten des Bayerischen Ordnungsblocks. Zur selben Zeit war er in Waffenbergungsaktionen im Auftrag der Heim- und Reichswehr sowie in private Waffenschiebereien verwickelt. Außerdem betätigte er sich als Nachrichtenmann für das Münchener Wehrkreiskommando, das er mit Berichten über mögliche Waffenverräter und über Hitler-Veranstaltungen versorgte. Im Jahr 1920 arbeitete Schweighart zeitweise in dem Gerätelager der Reichswehr, für das damals der Hauptmann Ernst Röhm, der spätere Stabschef der SA, zuständig war, den er spätestens bei dieser Gelegenheit kennenlernte. Im selben Jahr beteiligte Schweighart sich an Waffentransporten, die von jungen Leuten aus dem Umfeld des so genannten Ordnungsblocks im Auftrag von Otto Braun durchgeführt wurden. Nach einer kurzen Beschäftigung bei seinem Freund German Böhm war er seit Anfang September 1920 ohne ständige Arbeit.

Am 6. Oktober 1920 ermordete Schweighart in München im Zuge eines so genannten Fememordes das neunzehnjährige Dienstmädchen Maria Sandmayr, weil diese gedroht hatte, beim Entwaffnungskommissar des Reiches ein verstecktes Waffenlager der Freikorpsbewegung auf dem Schloss ihres ehemaligen Dienstherren anzuzeigen. Sein Komplize bei der Tat, die durch Erdrosseln begangen wurde, soll sein Freund Otto Braun gewesen sein. Obwohl er offiziell als dringend tatverdächtig gesucht wurde, gelang es Schweighart mit Hilfe der von Ernst Pöhner geführten Münchener Polizei, die mit der völkischen Rechten sympathisierte, nach Österreich zu fliehen. Zu diesem Zweck hatte die Polizei ihm einen falschen Pass ausgestellt. In Österreich war Schweighart erneut in Waffengeschäfte verwickelt. Außerdem pflegte er enge Kontakte zu den Führern der österreichischen Heimwehren.

Grüße aus Gröbern


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04.01.2015 um 10:30
@OddThomas

Hier nachstehend einiges Interessantes zum Thema Waffenläger/Fememorde am Beispiel Oberschlesien.
Z.T. erschreckende Parallelen, Verhaltensmuster und "Misch-Motivationen", wie wir sie aus HK kennen.


Quelle: Schwarze Reichswehr und Fememorde, Bernhard Sauer, ISBN 3-936411-06-9
Eine Milieustudie zum Rechtsradikalismus in der Weimarer Republik

Anmerkung: Fett-Markierungen erfolgten durch mich.

Grüße aus Gröbern



„Verräter waren bei uns in Mengen erschossen worden.“
Die Fememorde in Oberschlesien 1921

Die Kämpfe zwischen Deutschen und Polen nach dem Ersten Weltkrieg über den
zukünftigen Grenzverlauf in den ehemaligen deutschen Ostprovinzen Posen,
Westpreußen, Oberschlesien und Ostpreußen waren für die junge Weimarer Republik
eine erstrangige innenpolitische Herausforderung. Dabei erwiesen sich die
Auseinandersetzungen in Oberschlesien von besonderer Heftigkeit und Bedeutung.
Gerade hier mischten sich unter die ortsansässige deutsche Bevölkerung die
Freischärler aus dem gesamten Reich und gaben den Kämpfen bald ihr Gepräge. Alle
relevanten Freikorps, von denen es hieß, sie seien längst aufgelöst, waren plötzlich
wieder zur Stelle und bildeten in Oberschlesien geschlossene Kampfverbände. Zu
nennen sind insbesondere die ehemaligen Freikorpsangehörigen aus dem Baltikum1
sowie die Organisationen Roßbach,2 Aulock,3 Heydebreck,4 Pfeffer,5 Consul,6 Heinz7
und das aus Bayern kommende Freikorps Oberland.8 Die Freikorps unterstellten sich
zwar formell dem Oberbefehl des Selbstschutzes-Oberschlesien (SSOS), verfolgten
aber im Verlauf der dramatischen Kämpfe zunehmend ihre eigenen Ziele. Auf diese
Weise entwickelte sich in Oberschlesien – ähnlich wie 1919 im Baltikum – ein
Gefahrenherd für das Reich selbst.
Während der Kämpfe in Oberschlesien hatte sich innerhalb der Freikorps ein
Phänomen entwickelt, das dann später zum Vorbild für ähnliche Vorkommnisse in fast
allen rechten Verbänden wurde: die Beseitigung von „Verrätern“ und „Spionen“ durch
die Anwendung des Fememordes.9 In Oberschlesien, so schrieb der preußische
Innenminister Carl Severing, trat „zum ersten Male eine Erscheinung auf, die sich in
den späteren Jahren geradezu zu einer Volksgeißel entwickelt und offenbar als Vorbild
für bedenklichste Erscheinungen der Folgezeit gedient hat, die sogenannte Femejustiz
in den Reihen derartiger Verbände“.10 Im Gegensatz zum politischen Mord am Gegner
richtete sich der Fememord gegen die Mitglieder aus den eigenen Reihen, gegen
diejenigen, die in den Verdacht des „Verrats“ an den Zielen der eigenen Organisationen
geraten waren. Es ist ein Phänomen jener Zeit, dass der Fememord, der seit dem
Mittelalter kaum noch praktiziert wurde, nach dem Ersten Weltkrieg plötzlich wieder
auftauchte und besonders in Oberschlesien eine massenhafte Anwendung fand. Hier
wurden Hunderte – nach einzelnen Unterlagen sogar Tausende – Fememorde begangen,
wobei häufig der Verdacht, „mit den Polen gemeinsame Sache zu machen“, für die
Liquidation ausreichte. Die Opfer wurden in Nacht- und Nebelaktionen umgebracht.
Die Freikorpsführer sahen in diesen Tötungen notwendige Maßnahmen im „deutschen
Freiheitskampf“. Verräter seien damals auf die einzig mögliche Weise ihrer gerechten
Strafe zugeführt worden. So schrieb Friedrich Wilhelm v. Oertzen, Freikorpsführer und
einer der wichtigsten Chronisten der Freikorpsbewegung, der sich später dem
Nationalsozialismus anschloss:
„Es ist sicherlich richtig, daß durch die Selbstjustiz der deutschen Selbstschutzformationen
in streng juristischem Sinne eine Reihe von Leuten vom Leben zum Tode
befördert worden sind, die unter normalen Umständen ihre Vergehen mit einer kürzeren
oder längeren Freiheitsstrafe hätten sühnen können. Aber bei der Beurteilung dieses
Komplexes, der später in den sogenannten Fememordprozessen eine große Rolle
gespielt hat, wird man zu bedenken haben, daß langwierige, ins Einzelne gehende
Untersuchungen überhaupt nicht möglich waren. War jemand verdächtig, so mußte das
bedauerlicherweise genügen. Er verschwand und tauchte in den meisten Fällen nie
wieder auf. Es ist natürlich auch vorgekommen, daß auf Grund absolut falscher Denunziationen
ganz Unschuldige Opfer dieser Selbstjustiz geworden sind. Aber diese
Fälle sind tatsächlich ungemein selten, denn der Denunziant hatte, wenn bei irgendeiner
Gelegenheit sich die Unschuld seines Opfers herausstellte, ganz selbstverständlich die
gleiche Strafe zu gewärtigen. Der Respekt vor der Unantastbarkeit eines
Menschenlebens ist in diesen wilden und eigentlich mit kaum etwas anderem
vergleichbaren Zeiten nicht sehr groß gewesen. Der Kampf, den die wenigen Tausende
zu allem entschlossenen deutschen Männer damals gegen die Polen, die Franzosen und
teilweise sogar gegen die Laschheit der eigenen Führung und Regierung zu führen
hatten, konnte keinen Raum für sentimentale Humanitätsüberlegungen lassen.“11
Ein anderer Freikorpsangehöriger äußerte sich so: „Verräter verfallen der Feme!
Wenn es sich möglich machen ließ, wurde sogar eine Kugel für dieses Gesindel gespart.
Man kann sonst über den Wert eines Menschen denken wie man will, aber für eine
solche Gemeinheit war ein rascher Tod fast zu schade!“ Die Freikorpsangehörigen
hätten den Ausdruck „Fememord“ damals nicht gebraucht, „aber Verräter waren bei uns
in Mengen erschossen worden“.12
Über die meisten der Morde können keine näheren Angaben gemacht werden, da
Taten und Täter am 21. Juni 1922 amnestiert und die gerichtlichen Untersuchungen
daraufhin eingestellt wurden. Doch sind einzelne Ermittlungsunterlagen erhalten
geblieben. Sie geben einen ausgezeichneten Einblick in die Kampfweise und das Milieu
der damals in Oberschlesien operierenden Wehrverbände und können zugleich die
Frage beantworten, ob damals in Oberschlesien tatsächlich nur „ganz selten“
Unschuldige vom „Leben zum Tode befördert worden sind“.13
Relativ gut lassen sich die Morde an dem Ehrhardt-Mann Fritz Köhler und an Kurt
Herrmann von der Arbeitsgemeinschaft Roßbach-Meyer dokumentieren, die sich im
Juli oder August 1921 und im Juni 1922 ereigneten.
Fritz Köhler hatte den Feldzug im Baltikum mitgemacht. Zusammen mit einer
Gruppe anderer Baltikumer hatte er sich danach in Oberschlesien der
„Selbstschutzorganisation Ehrhardt“ angeschlossen und war bei dem Rittergutsbesitzer
Ulrich Freiherr von Richthofen in Klein-Wandriß, Kreis Liegnitz, als „Feldhüter“
untergebracht. Er wurde im Forsthaus des Kohlhöher Waldes mit der Aufsicht betraut.
Die Baltikumer auf Kohlhöhe hatten sich falsche adlige Namen zugelegt. Fritz Köhler
nannte sich „von der Lanken“.14 Aus unbekannten Gründen geriet er in den Verdacht,
ein Verräter zu sein. Die Mannschaften, als Arbeitskommandos auf verschiedene Güter
verteilt, hatten Waffen in geheimen Lagern untergebracht.15 Der Kompanieführer Karl
Ernst Schweninger sowie die beiden ihm unterstellten Offiziere, Martin Lampel und
Veit Ulrich von Beulwitz, hatten zusammen mit Fritz Köhler alias „von der Lanken“
eines dieser geheimen Waffenlager aufgesucht. Als Köhler am Boden lag, um zu hören,
ob Grundwasser im Waffenlager sprudle, nahm v. Beulwitz eine Rodehacke und schlug
Köhler auf den Kopf. Dann schoss Lampel mit einer Pistole auf Köhler. Nach anderen
Aussagen war es v. Beulwitz, der den Schuss abgab.16
Gegen Schweninger, Lampel und v. Beulwitz wurde Anklage wegen
gemeinschaftlicher vorsätzlicher Tötung erhoben. Freiherr Ulrich von Richthofen soll
diesen Mord angeordnet haben.17 Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 28.
November 1930 auf Grund des Gesetzes über Straffreiheit vom 14. Juli 1928 in der
Fassung des Gesetzes vom 24. Oktober 1930 eingestellt. Die Tat geschah wohl – so
hieß es – „zur Sicherung eines deutschen Waffenlagers“.18
Nähere Aufschlüsse über das Milieu der Wehrverbände in Oberschlesien gibt der
Fall Herrman. „Die Angeklagten“, so schrieb der Vorwärts, „waren sämtlich ehemalige
Angehörige der ‚Arbeitsgemeinschaft Rossbach‘. Der Prozeß führte tief in das
politische Bandenwesen der Nachkriegszeit hinein. Die Angeklagten gehören zu den
hinreichend bekannten Existenzen, die sich nach dem Kriege nicht von ihrem
militärischen Handwerk trennen konnten, die dem Grenzschutz, den Baltikumkämpfern,
den Kapp-Truppen und dem oberschlesischen Selbstschutz angehört haben und
schließlich bei militärischen Geheimorganisationen landeten.“19
Was war geschehen? In der Nacht vom 6. auf den 7. Juni 1922 wurde der 25 Jahre
alte Zigarrenkaufmann Kurt Herrmann in seiner Wohnung getötet. Die Täter waren in
seine Wohnung eingedrungen, hatten ihre Gesichter mit schwarzen Tüchern verdeckt
und gewartet, bis Herrmann eingeschlafen war. Dann fielen sie über ihn her, betäubten
ihn mit Chloroform und Faustschlägen und erstickten ihn schließlich in seinem Bett
durch gewaltsames Bedecken von Mund und Nase.20 Offenbar sollte ein Raubmord
vorgetäuscht werden, denn verschiedene Schmuckgegenstände wurden entwendet,
andere aber zurückgelassen.
Kurt Herrmann hatte zusammen mit dem Oberleutnant a. D. Andreas Mayer21 die
Wachgesellschaft „Schlesien“ gegründet, die Grundbesitzern die Überwachung ihres
Eigentums gegen Entgelt anbot. Der Wachgesellschaft gehörten ferner Otto Gebauer22
sowie der Kaufmann Hans Spöhrer und der in Kurland geborene Robert Tippel an.
Andreas Mayer hatte zuvor als Führer eines Bataillons der „Eisernen Division“ den
Feldzug im Baltikum mitgemacht, sich anschließend der „Arbeitsgemeinschaft
Roßbach“ angeschlossen, in der er zunächst Kreisleiter in Saazig in Pommern und dann
Gauleiter in Schlesien wurde. In der „Arbeitsgemeinschaft Roßbach“ hatte er auch
Gebauer, Spöhrer und Tippel kennen gelernt, die zuvor ebenfalls an den Kämpfen im
Baltikum beteiligt waren. Als Oberleutnant a. D. Mayer sich mit Oberleutnant a. D.
Roßbach verfeindete, verließ er zusammen mit Gebauer, Spöhrer und Tippel dessen
Organisation und gründete seine eigene.
In der Wachgesellschaft „Schlesien“ fungierte Herrmann als der Geldgeber, er war
es auch, der in seiner Wohnung in der Goethestr. 42/44 die Räume für das Büro der
Gesellschaft zur Verfügung stellte. Nachdem Herrmann in seiner Wohnung tot aufgefunden
worden war, wurde als erster Otto Gebauer verhaftet, der schließlich auch
gestand, dass der Mord „auf höheren Befehl“ von den Angestellten der
Wachgesellschaft Spöhrer und Tippel verübt worden sei.23 Beide leugneten jedoch, die
Tat begangen zu haben. Zugleich wurde ein Steckbrief gegen Oberleutnant a. D.
Andreas Mayer erstellt, der daraufhin bald ausfindig gemacht werden konnte, weil er
Ende November 1923 auf Grund eines Haftbefehls des Untersuchungsrichters des
Staatsgerichtshofes Köslin wegen Hochverrats und Vergehens gegen das Gesetz zum
Schutz der Republik in Untersuchungshaft genommen worden war.24 In seiner
Vernehmung sagte Mayer aus, dass er Spöhrer und Tippel lediglich den Auftrag
gegeben habe, Herrmann einen Denkzettel in Gestalt einer Tracht Prügel zu
verabreichen.25 Dies sei so üblich gewesen; schon im Baltikum habe er oft missliebige
Personen, die sich der Disziplin nicht fügen wollten, „verrollen“ lassen.26 An Mord
habe er dabei nicht gedacht.
Die umfangreichen Ermittlungen geben ein überaus verworrenes Bild. Warum
Herrmann getötet wurde, geht aus ihnen mit letzter Klarheit nicht hervor. Fest steht
lediglich, dass alle restlos untereinander zerstritten waren und Herrmann in den Tagen
vor der Tat Todesangst gehabt hatte. Als seine Schwester, Margarete Herrmann, ihn
fragte, warum er so elend aussehe, antwortete er, das sei „die Angst vor dem Tode“.
Offenbar hatte Herrmann mit dem Gedanken gespielt, „auszusteigen“, jedoch
gegenüber einer Cousine betont, ein „Zurück gäbe es jetzt nicht mehr“, sonst würde es
ihm so wie den anderen ergehen, die seien „von Seiten der Organisation weggeschafft“
worden.27 Tatsächlich waren kurz vor Herrmanns Tod vier junge Selbstschutzleute, die
offenbar die Organisation Roßbach verlassen wollten, bei Sibyllenort im Kreis Oels
durch Kopfschüsse ermordet worden.28
Standen diese Morde im Zusammenhang mit Herrmanns Tod? Die Frankfurter
Zeitung schrieb, dass der Anlass für die Ermordung Herrmanns „die Kenntnis gewisser
Vorgänge in den rechtsradikalen Geheimorganisationen war“.29 Für diese Behauptung
lieferten die Ermittlungen gewisse Anhaltspunkte. So sagte Spöhrer in der
Untersuchungshaft aus: „Wenn ich durch die Anderen belastet werden sollte, so werde
ich erzählen, dass Mayer und Gebauer in Bankau 3 Personen ermordet und ihre
Gesichter mit Salzsäure unkenntlich gemacht haben.“ Ferner drohte Spöhrer, dass
„Gebauer noch eine andere Mordsache auf dem Gewissen hätte“.30 Mayer, so die
weiteren Ermittlungen, soll den Befehl zum Erschießen eines gewissen Boy gegeben
haben, wovon Herrmann wusste.31 Ein weiterer Zeuge bekundete, dass Herrmann von
der Ermordung der Selbstschutzleute und des Einzelmordes zu viel gewusst habe. Es sei
nun befürchtet worden, dass Herrmann „hiervon etwas ausplaudern, ihn (Mayer)
‚verpetzen‘ könnte“.32 Die weiteren Nachforschungen ergaben allerdings keine
gesicherten Nachweise über die Beteiligung von Mayer und Gebauer an den genannten
Morden.33
Mayer und Gebauer wiederum behaupteten, Herrmann habe „mit den Polen“ in
Verbindung gestanden und illegale Waffengeschäfte gemacht. Oberleutnant a. D.
Mayer sagte aus, dass er von dem Baron von Rübnitz 10 000 Mark für den Selbstschutz
zum Kauf von Waffen erhalten habe, die er dem Herrmann gegeben habe, damit dieser
die Waffen besorge. Auf sein wiederholtes Fragen, wo denn die Waffen blieben, habe
Herrmann immer nur geantwortet, dies gehe nicht so schnell, „er müsse die Leute erst
noch schmieren“.34 Es sei der Verdacht entstanden, dass Herrmann das Geld
unterschlagen habe.
Nach den Ermittlungen war Herrmann tatsächlich an dubiosen Waffengeschäften
beteiligt. So soll er einmal dem Selbstschutz Waffen angeboten haben, die er durch
Bestechung von Beamten der Reichstreuhandgesellschaft erlangt haben soll.35 Aber
offenbar war an solchen Waffengeschäften nicht Herrmann allein, sondern die
Wachgesellschaft insgesamt beteiligt. Fest steht ferner, dass Herrmann kurz vor seinem
Tod der Arbeitsgemeinschaft eine größere Summe zwecks Pachtung einer Gärtnerei zur
Verfügung stellen sollte, was Herrmann jedoch verweigerte.36
Für die Behauptung, dass Herrmann zu „den Polen“ Kontakte gepflegt habe, fanden
die Kriminalbeamten keine konkreten Anhaltspunkte.37 Herrmann stand der
Organisation Roßbach nahe und galt als sehr „national“. Vor allem hasste er die Juden.
Wiederholt bekundete er öffentlich, „die Juden müssten tot geschlagen werden“.38
Herrmann war aber auch eitel und prahlerisch. Er ließ sich eine Leutnantuniform
anfertigen, obwohl er nie Soldat gewesen war, behing sich mit Schmuck und nannte
sich „Direktor“ der Wachgesellschaft.39 Auch sonst galt sein Lebenswandel als
unsolide. Oft trank er mehr, als er vertrug, und wenn er so richtig in Stimmung war,
sang er „stets sein Lieblingslied vom Selbstschutz und Stahlhelm“ und rühmte sich
allerlei Beziehungen.40 Seine Ehefrau Anna Herrmann bezeichnete ihn dagegen als
„schwächlich“; er neige oft zu Ohnmachtsanfällen.41
Ansonsten war die Ehe der Herrmanns alles andere als glücklich. Er schlug seine
Ehefrau, auch in der Öffentlichkeit, und zumindest einmal würgte er sie derartig, dass
andere Personen ihr zu Hilfe eilen mussten. Bekannt war zudem Herrmanns Umgang
„mit übel beleumdeten Frauenpersonen“.42 Eine Reihe von Zeugen bezeichnete
Herrmann hingegen als „Weiberfeind“, der nur gelegentlich mit Frauen verkehrte,
ansonsten aber homosexuell gewesen sei.43 Jedenfalls wurde Herrmann wiederholt in
einschlägigen Lokalen der „Breslauer Lebewelt“ gesehen.44
Die Ehefrau wiederum soll ein Verhältnis mit Otto Gebauer und – wie verschiedene
Zeugen bekundeten – mit Andreas Mayer gehabt haben. Jedenfalls wurde Mayer
wiederholt „Arm in Arm“ mit der Ehefrau Herrmanns gesehen.45 Andere Zeugen
dagegen hielten ein Verhältnis für sehr unwahrscheinlich, denn Mayer galt ebenfalls als
homosexuell und „Weiberfeind“.46
Aufgrund dieser persönlichen Verstrickungen kamen den Kriminalbeamten Zweifel
an den politischen Motiven der Tat: „Ob der Mord aus politischen Gründen erfolgt und
auf eine Art geheime Fehme zurückzuführen ist oder ob […] Mayer und Gebauer sich
um die Gunst der Frau des Herrmann bemühten und Mayer seine Angestellten unter
Vorspiegelung politischer Verfehlungen Herrmanns veranlaßte, den Herrmann zu
beseitigen, wodurch er gleichzeitig seinen Nebenbuhler unschädlich zu machen glaubte,
ist zur Zeit Gegenstand der Ermittlungen.“47 Diese Zweifel wurden noch verstärkt, als
die Ermittlungen ergaben, dass Mayer sich damals in Geldschwierigkeiten befunden
und deshalb dem Herrmann wertvolle Ringe verkauft habe, die diesem dann in der
Mordnacht gestohlen worden waren.48
So ergaben die Ermittlungen gleich ein ganzes Bündel an Motiven für den Mord an
Herrmann. Die Frage, ob er aus persönlichen oder politischen Gründen getötet wurde,
konnte letztlich nicht geklärt werden.49 Die Staatsanwaltschaft beantragte gegen die vier
Angeklagten die Todesstrafe wegen Mordes, die Verteidigung hielt dagegen, dass die
Angeklagten wegen ihres „nationalen Idealismus“ durchweg milde Strafen verdienten.50
Das Schwurgericht Breslau verurteilte die Angeklagten am 13. Oktober 1924 nicht
wegen Mordes, sondern wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu fünf- bis
siebenjährigen Freiheitsstrafen, die aber durch Beschluss der VI. Ferienkammer des
Landgerichts in Breslau vom 15. August 1928 mit der Begründung aufgehoben wurden,
dass das Reichsgesetz über Straffreiheit vom 14. Juli 1928 auch auf Oberleutnant a. D.
Mayer und die übrigen Verurteilten Anwendung finde, wodurch die politische
Motivation der Tat anerkannt wurde.51
In einen der Fememorde war kein Geringerer als der spätere Oberste SA-Führer
Pfeffer von Salomon verwickelt. Es handelte sich um den Mord an dem Leutnant
Alfons Hentschel. Das 8-Uhr-Abendblatt schrieb hierzu: „Leutnant Hentschel war
Zugführer in der Kompanie des Hauptmann v. Mauritz, der auch unter dem Namen
Pfeffer und Schmidt in den putschistischen Verbänden des Baltikums tätig war. Er
verkehrte viel mit dem Leutnant Fischer, der eines Tages in den Verdacht geriet,
kommunistischer Spitzel zu sein. Fischer verschwand eines Tages, und Hentschel
bekam den Befehl, Oberschlesien zu verlassen. Er ging nach Breslau und soll hier eine
Unterredung mit dem Zigarrenhändler Herrmann gehabt haben, der später vergiftet
wurde. […] Hentschel kam nach Oberschlesien zurück und wurde auch wieder in das
Freikorps aufgenommen. […] Eines Tages nun hörte der etatmäßige Feldwebel dieses
Freikorps, ein gewisser Wagner, wie der angebliche Hauptmann v. Mauritz und ein
Oberleutnant Link sich über Hentschel unterhielten und Mauritz äußerte: ‚Dieser
Hentschel kann uns gefährlich werden.‘ Am Tage darauf forderte Oberleutnant Link
Hentschel zu einem Patrouillengang auf. Sie waren erst einige Schritte in ein Kornfeld
dicht beim Gute gegangen, als mehrere Schüsse fielen und Link mit dem Ruf
‚Hentschel ist von den Polen erschossen worden‘ zurückkam.“52
Der erwähnte Wagner schilderte später dem Volksblatt weitere Details: Er habe sich
in Breslau zur Verteidigung Oberschlesiens gemeldet und sei zunächst dem Freikorps
Roßbach zugeteilt worden, später aber in die Formation v. Mauritz übergewechselt, in
der sich auch Oberleutnant Link befand.
„Diesem teilte ich mit, daß ich Herrn v. Mauritz vom Baltikum aus kenne. Jedenfalls
ließ mich v. Mauritz am nächsten Tage kommen und fragte mich, wo ich ihn im
Kurland gesehen habe. Jetzt kam mir zu Bewußtsein, daß er in Wirklichkeit Hauptmann
Pfeffer war. Er verbot mir, anderen Leuten seinen wirklichen Namen zu nennen.“ Kurz
darauf sei er von Herrn v. Mauritz alias Pfeffer verhaftet und zur Schreibstube gebracht
worden. „Auch ich“, so Wagner weiter, „sollte ihm sehr verdächtig sein. Am Abend
entließ man mich aber und verfolgte mich bis zum Quartier. Ich wohnte mit Henschel
zusammen. Ich erzählte ihm alles, und wir beschlossen, am nächsten Tage
Oberschlesien zu verlassen. Kommenden Tages begaben wir uns zum Herrn v. Mauritz
und kündigten. Mauritz versuchte, uns mit seiner ganzen Redekraft zum Bleiben zu
bewegen. Er versprach mir, die Dienste weiter machen zu lassen. Ich jedoch fuhr mit
dem Mittagszug nach Breslau. Henschel blieb dort. Link verfolgte mich bis zum
Bahnhof. Am selben Abend wurde Leutnant Henschel erschossen. Dieses erfuhr ich
einen Tag später. […] Es hieß einfach, Henschel wäre von den Polen erschossen
worden. Das ist gänzlich ausgeschlossen, da die Front zehn Kilometer entfernt war. […]
Henschel erhielt fünf Schüsse. Drei davon am Hinterkopf, der durch die Stichflamme
vollständig verbrannte. Hauptmann v. Mauritz verschwand mit seinen
Anhängern. […]
Heute behaupte ich mit Bestimmtheit, dass er von Link erschossen worden ist. […]
Als Zeugen könnte ich ungefähr 50 Mann aufbringen. Erwähnen möchte ich noch, dass
Henschel vor dem Tode zu seinen Anhängern sagte, dass er seines Lebens nicht mehr
sicher ist.“53

Pfeffer von Salomon äußerte sich später im Völkischen Beobachter zu den
Vorwürfen. Zunächst schilderte er, wie schwer damals der „schlesische Freiheitskampf“
gewesen sei: „Denn Juda war dort allmächtig. Der ungekrönte König war Herr Loebe,
Breslau, Reichstagspräsident. Der militärische Oberbefehlshaber Höfer war von einem
parlamentarischen deutschfeindlichen Beirat abhängig, der zu zwei Drittel aus Juden
und zu einem Drittel aus Zentrumsbonzen bestand. Das gesamte Verpflegungsgeschäft
machte ein Jude. […] Vor sich hatte man die weit übermächtigen Polen, im Rücken
Severing mit Polizei und Schupo, zwischen der Bevölkerung ungezählte Polenverräter
und Severingsche Geheimagenten und Lockspitzel, über dem ganzen schwebte der
famose Joseph Wirth als Reichskanzler, Braun als Ministerpräsident, Ebert als
Reichspräsident. So schwer war der schlesische Freiheitskampf.“
Von einer „Judenfirma“ sei ihm schließlich „eine militärisch unmögliche
Betrügerbande“ ehemaliger Arbeitsloser zugeschoben worden. „Man hatte der Bande,
ich glaube es waren 100–200 Mann, zum Schein ein paar Offiziere beigegeben: Ein
Rittmeister von Heydebrand und der Lasa, der froh war, sich bei meiner
Kommandoübernahme aus der Affäre ziehen und verschwinden zu können. Ein
Kavallerie-Reserveleutnant, ein unfähiger, haltloser Trinker, den ich bald abschob. Als
dritter der bewußte Infanterie-Leutnant Hentschel.“ Hentschel sei von allen noch der
Fähigste gewesen, deshalb habe er auch dessen Tod außerordentlich bedauert. Die
feindliche Propaganda habe dann allerlei unsinnige Gerüchte verbreitet, z. B. dass
Hentschel von den eigenen Leuten erschossen worden sei, weil man ihn fälschlich für
einen Polen hielt. Er – Pfeffer von Salomon – sei jedenfalls für dessen Tod nicht
verantwortlich.54
Ein Ermittlungsverfahren war von der Oberstaatsanwaltschaft in Oppeln 1927
eingeleitet worden, wobei die Ermittlungen bestätigten, dass bald nach dem Tode
Hentschels das Gerücht aufgetreten sei, Hentschel sei von den eigenen Leuten
erschossen worden. „Der verantwortlich vernommene Hauptmann a. D. Pfeffer von
Salomon bestreitet, einen Befehl zum Erschießen Hentschels erteilt zu haben. […]
Einen Leutnant Link will er nicht gekannt haben.“55
Der Zeuge Wagner, der Pfeffer von Salomon schwer belastet hatte, konnte nicht
ermittelt werden, da er sich „umhertrieb“.56 Auch andere Zeugen wurden erfolglos
gesucht, so dass schließlich das Verfahren eingestellt wurde.
„Ein zur Erhebung der öffentlichen Klage“, so wurde festgestellt, „hinreichender
Tatverdacht besteht weder gegen den Beschuldigten Pfeffer von Salomon, noch gegen
den nicht ermittelten Oberleutnant Linck, noch gegen eine andere bestimmte Person.
Im Übrigen würde, selbst wenn man unterstellt, dass Hentschel nicht im Kampf
gefallen, sondern in der behaupteten Weise erschossen worden ist, zugunsten der Täter,
wie im Zweifel bei allen mit dem Aufstande in Zusammenhang stehenden Handlungen,
so auch hier anzunehmen sein, dass die Tat aus politischen oder überwiegend aus
politischen Gründen begangen ist, so dass Art. I § 1 des deutsch-polnischen
Amnestievertrages vom 21. 6. 1922 Anwendung finden würde.“57 So blieb auch der
Tod des Leutnants Hentschel unaufgeklärt.
Ein anderer Mord ereignete sich in Plinkenau. Der etwa 38 Jahre alte Sigulla war mit
seinem Fahrrad aus seinem Heimatort im Kreis Oppeln nach Plinkenau in
Oberschlesien gefahren. Dort zechte er mit einigen Roßbachern in der Wirtschaft.
Plötzlich kam das Gerücht auf, der Fremde sei ein entlaufener Roßbacher und
polnischer Spitzel. Die misstrauisch Gewordenen unterrichteten einen bayerischen
Leutnant, der „Seppl“ genannt wurde und die Kommandogewalt ausübte, ohne offiziell
dazu bestimmt zu sein. „Seppl“ war damals 23 Jahre alt und gehörte dem Freikorps
Oberland an. Er kam sofort in die Wirtschaft und brachte Sigulla in den Wald. Spät am
Abend kehrte er zurück und forderte die Roßbacher auf, „das Maul zu halten“. Wer es
auftun würde, „dem würde es dreckig gehen“. Dabei spielte er mit seinem Stoßmesser.
Später fiel auf, dass „Seppl“ viel Geld hatte und im Besitz eines Fahrrads war. Die
Leiche des Sigulla wurde sieben Tage später im Wald gefunden, seine Kehle war mit
einem Dolch von hinten nach vorn durchschnitten. „Seppl“ wurde verhaftet, als die
Ententetruppen Ende 1921 sich zurückzogen, aber wieder aus der Haft entlassen.
Seitdem lebte er unbehelligt in Plinkenau.58

Zuweilen gab es einen fließenden Übergang von politischen zu gemeinen Morden.
So verübten zwei Angehörige der Selbstschutzformation, Felix Kaczmaryk und Johann
Hauke aus Mislowitz, zusammen mit einem Dritten unter dem Deckmantel der
Formation Raubüberfälle und Einbrüche. Als der Mitwisser ihnen unbequem wurde,
ermordeten sie ihn und plünderten die Leiche.59
Fememorde kamen in fast allen Freikorps in Oberschlesien vor, aber eine
Organisation hatte sich geradezu auf die Liquidation von „Verrätern“ spezialsiert: die so
genannte deutsche Spezialpolizei unter Heinz Oskar Hauenstein.
Die „deutsche Spezialpolizei“ war eine Geheimorganisation, die, versehen mit
gefälschten Pässen und geheimen Waffenlagern, einen „Krieg im Dunkeln“ gegen
Polen, Franzosen und „deutsche Verräter“ führte, der – wie v. Oertzen dies ausdrückte –
„zum mindesten in der deutschen Geschichte seinesgleichen wohl kaum je gehabt hat.
[…] Das Geld mußte ihnen genau so locker sitzen wie der Revolver. Denn eine
übertrieben große Auswahl an Menschen stand diesen Männern nicht zur Verfügung.
Wer kam, seinen Revolver zu benutzen verstand und vor keiner Gefahr zurückscheute,
war willkommen“.60
Wie dieser „Krieg im Dunkeln“ konkret aussah, belegen die Akten: „Hauenstein gibt
an, daß die Beseitigungsbefehle der Spezialpolizei unwiderruflich ausgeführt wurden
und zwar 2–3 Tage nach dem Datum des veröffentlichten Befehls.“61 Dabei behauptete
er, im Einvernehmen und im Einverständnis mit dem zuständigen Staatskommissar für
Oberschlesien, dem Zentrumspolitiker Dr. Karl Spiecker, gehandelt zu haben.62

Beim Oberpräsidium in Breslau war eine besondere Stelle des preußischen
Staatskommissars zur Überwachung der öffentlichen Ordnung, Dr. Weismann,
eingerichtet worden, die unter der Leitung des damaligen Regierungsrates Dr. Spiecker
stand. Ihm war zur Erledigung von Nachrichtenaufträgen der frühere Leutnant Hobus
zugeteilt. Dieser gab seine Befehle an Hauenstein. Dazu Hauenstein: „Ich habe alle
Terrorakte und Abwehrmaßnahmen mit ihm durchgesprochen. […] Er sagte zu mir: ‚Da
und dort ist der und der, er hat dies und das gemacht. Wir haben das genau festgestellt.
Er ist zu beseitigen!‘ Dann beauftragte ich einen meiner Stoßtrupps mit der Beseitigung
dieses Mannes und er wurde unter Anwendung aller Mittel, entweder mit Gift oder
Bomben oder Granaten auf irgendeine Weise beseitigt.“63 Den Getöteten seien die
Papiere abgenommen und an das Preußische Staatskommissariat für öffentliche
Ordnung weitergeleitet worden. Regierungsrat Dr. Spiecker widersprach jedoch diesen
Behauptungen stets mit aller Entschiedenheit.64
Im Jahr 1928 wurde im Heines-Prozess65 der gesamte oberschlesische Femekomplex
noch einmal ausführlich erörtert. Die Verteidiger Heines’, denen namhafte
Strafverteidiger wie Prof. Dr. Friedrich Grimm und der Sohn des bekannten Baltikum-
Generals, Rüdiger Graf von der Goltz, angehörten, suchten den Nachweis zu erbringen,
dass zwischen den oberschlesischen Tötungen, die amnestiert wurden, und der Tat
Heines’ prinzipiell kein Unterschied bestehe. Sie beantragten, als Zeugen Oberleutnant
a. D. Gerhard Roßbach und den früheren Leiter der Spezialpolizei Heinz Oskar
Hauenstein zu laden. Der Vorsitzende Richter fragte Hauenstein, ob er wisse, wie viele
Menschen damals in Oberschlesien von seiner Organisation getötet wurden. Hauenstein
antwortete: „Die genaue Zahl kann ich nicht angeben. Aber ich habe mir einen kleinen
Überschlag gemacht, und bin auf die Zahl 200 gekommen.“66 Hauenstein war zu der
Zeit, als er diese Arbeit leistete, 21 Jahre alt.
Im Prozess kam es zu einer erneuten Konfrontation zwischen dem ehemaligen
Ministerialdirektor Dr. Spiecker und Hauenstein. Dr. Spiecker erklärte: „In
Oberschlesien ist mit Wissen und Willen der Regierung kein Mord ausgeübt worden.
[…] Nun ist hier weiter gesagt worden, daß Befehle zum Umlegen ausdrücklich von
mir erteilt worden seien. Ich war dazu gar nicht in der Lage, den militärischen Stellen
solche zu geben. Mir ist auch niemals über die Durchführung irgendeines militärischen
Befehls Bericht erstattet worden.“67 Hierauf folgte eine Gegenüberstellung mit
Hauenstein.
„Vorsitzender: Hauenstein, Sie haben bekundet, Sie seien Vollstrecker von Befehlen
gewesen, die darauf hinausgingen, Missetäter zu beseitigen.
Hauenstein: Jawohl, auch Verräter. Ferner bekam ich Befehle über Verhaftungen,
Wiederbeschaffung von Akten usw.
Vorsitzender: Von wem haben Sie diese Vollstreckungsaufträge erhalten?
Hauenstein: Von Dr. Hobus mit dem ausdrücklichen Zusatz, daß diese Aufträge von
allen zuständigen Stellen gebilligt würden. Schriftliche Berichte darüber, Akten usw.
mußte ich an Hobus abliefern. Hobus behauptete, diese Berichte und Akten gingen dann
an das Staatskommissariat. […] Ich kann mich nur daran halten, daß mir von meinem
Vorgesetzten gesagt wurde, der Staatskommissar sei der Auftraggeber, und daß ich
persönlich auch in Verbindung mit dem Staatskommissariat stand.“
Daraufhin meldete sich Rechtsanwalt Bloch zu Wort: „Ich habe hier einen Auftrag,
wonach ein gewisser Christ in ‚zweckentsprechende Behandlung‘ genommen werden
sollte. Die einzigen Unterlagen für diese Behandlung, die natürlich in den Tod mündete,
war ein Blatt Papier, ein Wisch, auf welchem lediglich die Aussage eines gewissen
Jegor Urbanczyk aus Rybnik verzeichnet steht. Nach dieser Aussage soll der Christ
geäußert haben: Ich bin ganz genau darüber unterrichtet, daß das Geld für unsere
Organisation nicht an die zuständigen Stellen kommt. Es ist genug Geld da, nur wir
bekommen es nicht. Es bleibt oben, damit die oberen Vorgesetzten gut leben können.“68
Hobus habe Christ in die „zweckentsprechende Behandlung“ genommen, die Leiche
wurde später mit durchschossenem Kopf gefunden.69
Darauf Dr. Spiecker: „Wenn solche Dinge vorgekommen sind, sind sie skandalös in
schlimmster Art. Es handelt sich hier um einen Mann, der schon im unbesetzten Gebiet
war, der selbstverständlich den ordentlichen Gerichten vorgeführt werden mußte. Dieser
Mann ist ermordet worden.“ Eines Tages sei Hobus in seinem Büro erschienen und
habe ihm ein Ausweispapier überreicht. „Ich frage: Was ist das? Er antwortet: Das ist
der Mann in Kreuzberg. Spiecker: Wie sind Sie dazu gekommen? – Den Mann haben
wir umgelegt. – Spiecker: Ich habe daraufhin Herrn Hobus sofort gesagt: Von heute ab
ist Ihre Abteilung aufgelöst. Sie bekommen nicht einen Pfennig mehr, und was hier
geschehen ist, ist ein Mord, und ein stumpfsinniger Mord überdies.“
Rechtsanwalt Bloch fragte den Zeugen Dr. Spiecker, von wem die Aufträge an
Hobus erteilt worden seien. „Spiecker: Ich kann mir nicht denken, daß die militärische
Leitung die Befehle an Hobus gekannt und gedeckt hat, denn das würde einen offenen
Widerspruch zu dem gebildet haben, was mit der politischen Leitung verabredet worden
war.
Rechtsanwalt Bloch: Danach würden also Hauenstein und Hobus als die alleinigen
Häupter der Mafia hingestellt werden. Entweder handelte Hobus selbständig, dann war
er ein vielfacher Mörder, oder er ressortierte von einer Reichstelle, dann war er straflos.
Spiecker: Ich kann mir überhaupt nicht denken, daß hier klare Befehle erteilt worden
sind, denn die Dinge, die sich ereignet haben, sind so ungeheuerlich, daß doch irgend
jemand hätte sagen müssen, diese Stelle ist meschugge, ist wahnsinnig. […] Ich kann
mir die ganze Sache nicht anders denken, als daß zwischen den Kommandostellen und
Hobus irgendwo ein Vakuum war, eine Stelle, die wahnsinnig gewesen ist.“70
Der Prozess erreichte einen Punkt höchster politischer Spannung, als bekannt wurde,
dass Hobus, angeblicher Doktor oder Leutnant, von dem es hieß, er sei unauffindbar –
„auf Reisen abgemeldet“ oder verschollen –, doch noch als Angestellter einer
mitteldeutschen Brauerei gefunden wurde. Hatte Hobus die Mordbefehle an Hauenstein
auf eigene Faust oder mit Wissen und im Auftrag des Dr. Spiecker gegeben? Der
Prozess nahm eine überraschende Wendung. Der Vorsitzende Richter appellierte an die
Verteidiger, nunmehr auf weitere oberschlesische Zeugen, also auch auf Hobus, zu
verzichten. Große Pause, die Verteidigung erklärte sich nach eingehender Beratung mit
dem ausdrücklichen Wunsch des Vorsitzenden einverstanden. Sollte damit verhindert
werden, dass gegen Beamte und Offiziere, die in die oberschlesischen Morde verstrickt
waren, vorgegangen wurde? Ein Verfahren gegen Spiecker wegen Anstiftung zum
Mord, eingeleitet aufgrund einer Anzeige, wurde von der Oberstaatsanwaltschaft
Breslau am 4. September 1929 eingestellt.71
Wenn auch das meiste im Dunkeln blieb, steht zumindest Folgendes fest: Hauenstein
gab an, dass seine Organisation „ungefähr“ 200 Menschen in Oberschlesien
getötet habe. Den Auftrag dazu will er von seinem „Vorgesetzten“ erhalten haben,
jenem ominösen Dr. Hobus. Dieser habe ihm gesagt, die „zuständigen“ Stellen billigten
die Taten, der Staatskommissar sei der Auftraggeber. Also nahm Hauenstein an, dass
auch er persönlich mit dem Staatskommissariat in Verbindung stehe. Dr. Hobus war
dann erst einmal verschwunden. Der zuständige Staatskommissar mochte aber von
solchen Aufträgen nichts wissen. Er bezeichnete die Tötung des Aufsehers Peter Christ
als stumpfsinnigen Mord. Das Ganze sei so ungeheuerlich, dass die Stelle, die solche
Aufträge erteilt habe, nur als „wahnsinnig“ bezeichnet werden könne. Wer aber hat nun
die Aufträge für die Taten gegeben? Haben Hobus und Hauenstein eigenmächtig eine
Vielzahl von Menschen umgebracht? Waren deren Aussagen, die Morde seien im
Auftrag der „zuständigen“ Stellen erfolgt, reine Schutzbehauptungen? Fest steht
jedenfalls, dass Dr. Spiecker von dem Mord an Christ erfahren hat. Danach will er
Hobus’ Abteilung aufgelöst und ihm keinen Pfennig mehr zur Verfügung gestellt
haben. Wenn diese Aussage den Tatsachen entsprach, bedeutete das aber auch, dass bis
dahin diese Abteilung ziemlich ungestört arbeiten konnte, dass sie Geld bekam, ohne
kontrolliert zu werden. In diesem Fall hat zumindest Dr. Spiecker äußerst fahrlässig
gehandelt. Insgesamt bleibt sein Verhalten undurchsichtig und widersprüchlich.
Wie die „zweckentsprechende Behandlung“ in Oberschlesien konkret aussah,
schilderten am 30. April 1928 in der Welt am Abend die Söhne von Josef Nowak, der
1921 wegen Spionageverdachts ermordet worden war. Am 4. Juni 1921 erschien der
Gendarmeriewachtmeister Schweighart aus St. Annaberg mit acht Angehörigen des so
genannten Selbstschutzes:
„Der Gendarm erklärte im Beisein unserer Angehörigen, daß er den Befehl erhalten
habe, unseren Vater wegen Spionageverdachts zugunsten der polnischen
Aufständischen zu verhaften. Wir wissen ebenso wie alle Einwohner des Dorfes, daß
unser Vater unschuldig war, da er sich als alter Mann um Politik überhaupt nicht
kümmerte und erst recht nicht daran dachte, für Polen Spionagedienste zu leisten. Er hat
sich lediglich wiederholt dahin geäußert, daß der gegenseitige Brudermord in
Oberschlesien sinnlos wäre, da das Volk sowieso verraten und verkauft sei. Man könne
das gegenseitige Morden unmöglich als einen Kampf um die Freiheit bezeichnen.
Um Mitternacht des 4. Juni wurde er plötzlich von sogenannten Grenzschutzsoldaten,
die mit ihren blutunterlaufenen Augen wie die Bestien aussahen, aus dem Bett geholt
und wie ein Tier durch das Dorf getrieben, wobei die Soldaten fortgesetzt mit
Seitengewehren und Gewehrkolben auf ihn einschlugen. Mit ihm wurden zugleich
verhaftet Ignaz Kwittek und Ignaz Kwiotek aus St. Annaberg und Anton Wojciedowski
aus Wyssoka. Was nun begann, war so grausam, daß uns heute noch die Tränen in die
Augen treten, wenn wir daran denken. Bei St. Annaberg befindet sich ein
Basalsteinbruch, der eine offene Grube von etwa 50 Meter Tiefe hat. Hierher wurden
die vier Opfer der Femebestien geschleppt. Sie kamen halbtot an, waren unterwegs
infolge der entsetzlichen Mißhandlungen wiederholt zusammengebrochen, bis sie
schließlich nicht mehr weiter kamen. Man packte sie daher an den Beinen und schleppte
sie wie Schleifholz die Erde entlang nach dem Steinbruch. Hier wurden die vier Männer
vollends totgeschlagen. Im Blutrausch gaben die toll gewordenen Bestien noch auf die
toten Körper soviel Schüsse ab, wie in ihren Mehrladepistolen vorhanden waren. […]
Erst am 8. Juni, also vier Tage später, fanden die Angehörigen Gelegenheit, nach den
Toten suchen zu können. Am Abhange des Steinbruchs fanden sie eine Brille, die dem
ermordeten Kwiotek gehörte. Sie stiegen nunmehr in die Tiefe hinab. Aus Schutt und
Geröll ragte ein Bein hervor. Mit bloßen Händen scharrten die armen Angehörigen nun
die Toten aus. Unsere Großmutter, die mit zugegen war, brach vor Schreck ohnmächtig
zusammen und ist durch den Anblick, der sich den Suchenden darbot, geistesgestört
geworden. Die Köpfe waren von Seitengewehren zerhackt wie faulige Kohlrüben. Jeder
Kopf war fünf- bis sechsmal gespalten. Augen und das Gehirn quollen aus den
zerfetzten Knochen heraus. An dem Körper unseres Vaters wurden nicht weniger als
vier Bauchschüsse, zwei Brustschüsse und 73 Bajonett- oder Messerstiche gezählt. Bei
Kwittek waren es ungefähr genau soviel. Die Leichen Kwioteks und Anton
Wojciedowskis waren überhaupt nicht wiederzuerkennen. Aus ihren Körpern war
stellenweise das Fleisch von den Knochen herausgehauen worden.“72
Dies sind die bekannt gewordenen Mordtaten. Auch wenn von ihnen nicht auf alle
der in Oberschlesien begangenen Tötungen geschlossen werden kann, so vermitteln sie
doch einen nachhaltigen Eindruck über die Verbrechen. Die gerichtlich ermittelten
Ergebnisse stehen in Widerspruch zu den Aussagen Glombowskis und von Oertzens.
Die Behauptung, dass nur ganz selten Unschuldige „vom Leben zum Tode befördert“
worden seien, ist nach den vorliegenden Unterlagen umgekehrt richtig: Es waren in der
Regel Unschuldige, die ermordet wurden. Lediglich Kurt Herrmann war allem
Anschein nach in dubiose Geld- und Waffengeschäfte verwickelt. Hierin unterschied er
sich aber nicht von den Tätern. Für die Behauptung, er habe mit den Polen in
Verbindung gestanden, ließen sich nicht die geringsten Hinweise finden. Das heißt
natürlich nicht, dass dann die Hinrichtung gerechtfertigt gewesen wäre. Es wirft aber
ein bezeichnendes Licht auf die Mentalität derartiger Organisationen, wenn einzelne
Mitglieder aufgrund willkürlicher Vorwürfe ermordet wurden. Gerade der Fall
Herrmann offenbarte ein ganzes Bündel persönlicher Motive und Verstrickungen für
den Mord.
Was hatte Alfons Hentschel verbrochen? Ähnlich wie Herrmann wusste er offenbar
zu viel von bestimmten Vorgängen innerhalb der Organisationen. Der Zeuge Wagner
behauptete, dass Hentschel seinem Vorgesetzten – dem Hauptmann Pfeffer v. Salomon
– hätte unbequem werden können, weil er von dessem Vorleben zu viel wusste. Auch
hier haben sich nicht die geringsten Hinweise dafür finden lassen, dass Hentschel mit
den Polen in Verbindung gestanden haben könnte.
Peter Christ wurde in die „zweckentsprechende Behandlung“ genommen, die
„natürlich“ mit dem Tode endete, weil er sich darüber beschwert haben soll, dass das
Geld für die Organisation oben bei den Vorgesetzten bleibe. Grundlage für sein
Todesurteil waren vage Anschuldigungen. Warum Fritz Köhler sterben musste, blieb
völlig undurchsichtig. Wegen „Spionageverdacht“ wurde Josef Nowak ermordet. Dabei
soll er lediglich wiederholt geäußert haben, dass der „gegenseitige Brudermord in
Oberschlesien sinnlos“ sei und nicht als Kampf um die Freiheit bezeichnet werden
könne. Die Willkür wurde besonders bei den von der so genannten Spezialpolizei
vorgenommenen Hinrichtungen deutlich. Hauenstein will irgendwelche „Befehle“
erhalten haben, und schon trat einer seiner Stoßtrupps in Aktion. Der Beschuldigte
wurde „unter Anwendung aller Mittel, entweder mit Gift oder Bomben oder Granaten
auf irgendeine Weise beseitigt“.
Es bleibt festzuhalten, dass alle Mordtaten, über die Angaben gemacht werden
können, völlig willkürlich und aufgrund vager Verdächtigungen erfolgten. Die Opfer
hatten nicht die geringsten Möglichkeiten, sich gegen die erhobenen Beschuldigungen
zu verteidigen. Damit war der Selbstjustiz Tür und Tor geöffnet. Offenbar wurden in
Oberschlesien unter dem Deckmantel der „Vaterlandsverteidigung“ allerlei dunkle
Geschäfte betrieben und persönliche Rechnungen beglichen. Es herrschte ein quasi
rechtsfreier Raum, der allerlei fragwürdige Elemente anzog. Gewiss gab es auch junge
Männer, die aus „nationalem Idealismus“ nach Oberschlesien zogen, der hohe Anteil
zwielichtiger Personen ist aber ebenso wenig zu übersehen wie das über weite Strecken
kriminelle Milieu derartiger Verbände.


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Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 10:32
Über Ernst Pöhner, seit 3. Mai 1919 Polizeipräsident von München:

Ernst Pöhner kannte Adolf Hitler seit 1920. Im November des Jahres 1923 war er am Hitler-Ludendorff-Putsch beteiligt. Er sollte neuer bayerischer Ministerpräsident werden. Wegen Hochverrats wurde er vom Münchner Volksgericht am 1. April 1924 zu einer Strafe von fünf Jahren Festungshaft verurteilt. Er saß jedoch lediglich vom 5. Januar bis 31. März 1925 in Landsberg in Festungshaft, da er vorzeitig unter Bewährungsauflagen aus der Haft entlassen wurde.

Über Ernst Pöhner, der auch Mitglied der NSDAP war, schrieb Adolf Hitler in Mein Kampf:

„Der damalige Polizeipräsident Ernst Pöhner und sein treuer Berater Oberamtmann Frick waren die einzigen höheren Staatsbeamten, die schon damals den Mut besaßen, erst Deutsche und dann Beamte zu sein.“

Im Dezember 20 sucht Hitler mit einem Empfehlungsschreiben des Münchner Polizeipräsidenten Ernst Pöhner in der Hoffnung auf grössere finanzielle Zuwendungen den Justizrat Class auf, der seinerzeit die ideologische Führung der ganzen völkischen und gegenrevolutionären Bewegung innehatte, küsst ihm die Hände und bekennt sich als sein Schüler, der mit innerer Erregung den Einhart gelesen und nach der Lektüre von Wenn ich der Kaiser wäre die Überzeugung gewonnen habe, dass in diesem Buch alles für das deutsche Volk Wichtige und Notwendige enthalten sei. Class hatte 1912 in seiner von Hitler bewunderten Schrift die Errichtung einer `krass arbeiterfeindlichen’ Diktatur gefordert, in der alle wichtigen Bausteine des Hitlerstaates bereits vorhanden waren: Entfernung der Juden aus dem öffentlichen Leben, Ablehnung des allgemeinen Wahlrechts, Entpolitisierung der Frauen, Sicherungshaft für streikende Arbeiter. `Keine Halbheit, keine Schwäche, keine Sentimentalität.’

Netter Herr, der Herr Polizeipräsident Ernst Pöhner!

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 10:35
@OddThomas

Hier der Erklärungsversuch aus dem HK-Wiki, wie Reingruber auf eine Verbindung HK zu Gump kam und warum Popp diese Fährte 7 Jahre nach Ende des "tausendjährigen Reiches" erneut aufgenommen hat (Quelle: http://www.hinterkaifeck.net/wiki/index.phptitle=Theorien:_Gump_Adolf_und_Anton) :
Reingruber und sein Wissen über Adolf Gump

...Peter Leuschner hat ihn seinem Buch "Der Mordfall Hinterkaifeck", 97ziger Auflage, geschildert, wie es zu den Verdächtigungen [Adolf Gumps] kam:

Ca. zwei Wochen nach den Morden schrieb der ermittelnde Kriminaloberkommissar Georg Reingruber Adolf Gump zur Fahndung aus.
Reingrubers Kollegen aus dem 22. Bezirk in München hatten, im Zusammenhang mit dem Mordfall Gareis, nach vier Selbstschutzleuten gesucht. Bei der Schlacht um den Anaberg (St. Annaberg) 1921 sollen die vier Personen in Schlesien neun Bauern ermordet haben. Unter dem Aktenzeichen 4.J.1925/21 wurde vom Landgericht Oppeln ein Strafverfahren eingeleitet und sie wurden per Haftbefehl gesucht.
Zusammen mit drei anderen Männern, Wilhelm Dreßel aus Augsburg, Wilhelm Musweiler alias Weiland aus Homburg und ein früherer Kriminalinspektor N. Friedrich alias Fischer aus Bernburg in Sachsen Anhalt bildeten sie ein “Rollkommando für Spezialaufgaben” innerhalb des Freikorps Bund Oberland, das verschiedene Fememorde in Bayern ausgeführt haben soll. So soll der Mord an dem USPD Politiker Gareis auf das Konto des Rollkommandos gehen.

Schon 1925 zeigt Gumbel in seinem Buch "Vier Jahre politischer Mord" die Zusammenhänge der beiden "Zentren der Bewegung: Oberschlesien und München" auf und beleuchtet einzelne politische Morde.

In diesem Zusammenhang erwähnt er einen "„Josef Bump“, Kriminalwachtmeister aus Carlskron". Da es diesen Nachnamen in Karlskron nicht gab und es bewiesen ist, dass Gump Mitglied eben jenes Freikorps Oberlands gewesen ist, besteht die Möglichkeit, dass es sich bei diesem Bump tatsächlich um den Adolf Gump handelt. Es könnte zum Einen ein Tarnnamen sein oder aber ein schlichter Schreib-/Übertragungsfehler. Gump schreibt weiter: „Ende Mai 1920 wurde der Besitzer des Hotels „Deutsches Haus“ in Krappitz, Valentzyk, aus dem Gefängnis geholt. […] In Valentzyks Hotel war während der Besatzungszeit die französische Intendantur untergebracht gewesen. Auf Befehl des Freikorps Oberland wurde er an eine entlegene Stelle im Wald geführt und dort von Bump erschossen.“
Dieser Werdegang veranlasste Georg Reingruber, Adolf Gump im April 1922 zur Fahndung auszuschreiben...
Dr. Popp und die Wirksamkeit von U-Haft
Adolf Gump starb am 29.02.1944 in einem Lazarett bei Würzburg. Nur Anton Gump war 1952 noch am Leben. Unter einem Vorwand nahm man Anton Gump mit ins Polizeipräsidium um ihn dort zu verhören. Er gab an, dass er nichts wisse. Er bestritt je in Schrobenhausen gewesen zu sein oder zu wissen wo Waidhofen liegt.

Dr. Popp bekam vom Haftrichter einen Haftbefehl und nahm Anton Gump in Untersuchungshaft. In seiner Wohnung fand eine gerichtlich genehmigte Durchsuchung statt, die Popp in dem erwähnten Bericht beantragt hatte. Zwei Tage später bat Anton Gump um ein Gespräch mit den Kriminalbeamten und dem Staatsanwalt. Er berichtete, dass er im Herbst 1922 bei seinem Bruder gewesen sei und er hätte mit ihm und seiner Freundin auf einem Hof übernachtet, auf dem die Beiden gearbeitet hatten. Am nächsten Tag wäre er wieder nach Hause gefahren. Während des Besuchs hatte ihm sein Bruder von Hinterkaifeck erzählt, weil es nicht weit entfernt von dem Hof lag, auf dem die Geschwister übernachtet hatten. Er habe mit dem Finger in die Himmelsrichtung gezeigt, in der Hinterkaifeck lag. Wie der Ort hiess wusste Anton Gump nicht mehr. Man hielt Gump in dem Verhör weiter vor, er habe in den letzten beiden Tagen in U-Haft seinem Zellengenossen gesagt: "Und alles nur wegen dem Kind"... Anton reagierte entrüstet und entschied sich nun zu schweigen.

Da Popp keine Handhabe gegen Gump hatte, musste er ihn aus der Untersuchungshaft entlassen.
Im Zuge der Ermittlungen hat man die Geschwister von Adolf und Anton Gump, Anna Heimer, geb. Gump und Florentine Liebl, geb. Gump, befragt. Die Aussage der Anna Heimer enthielt keine Gründe, die den Tatverdacht hätten erhärten können. Auch die Aussage der Schwester Florentine brachte die Polizei nicht weiter.

Doch die Ehefrau von Anton, Franziska Gump, berichtete von einem Vorfall, über den sie von Florentine Liebl und ihrem Mann in Kenntnis gesetzt worden sei. Sie schilderte, dass die gemeinsame Schwester Kreszentia Maier in einem Streitgespräch gesagt hätte, Anton und Adolf Gump seien die Mörder von Hinterkaifeck. Florentine Liebl zitierte danach ihren Bruder zu ihrer Wohnung nach Augsburg und erläuterte ihm, was die gemeinsame Schwester gesagt hätte. Anton Gump berichtet seiner Frau von dem Gespräch mit Florentine. Franziska Gump fand die Beschuldigung ungeheuerlich und bat ihren Mann, sofort zur Polizei zu gehen und eine Anzeige wegen Verleumdung gegen Kreszentia Maier zu machen. Auch sein Bruder Adolf musste darüber informiert werden. Anton Gump schwieg, er ging nicht zur Polizei und seinen Bruder verständigte er ebenfalls nicht.
Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 10:51
@OddThomas

Die kompakteste und strukturierte Zusammenfassung stammt meiner Meinung nach von @jeannedarc aus März 2012:
Politische Hintergründe und der Mord auf Hinterkaifeck

I. Einleitung
Am 31.03.1922 wurde in der bayerischen Einöde Hinterkaifeck die Bauersfamilie Gruber - Gabriel ermordet aufgefunden. Auch fast 90 Jahre nach dem Mord sind die genauen Umstände des Verbrechens nicht geklärt, der Fall bis heute nicht gelöst. Ein mögliches Motiv für den Mord könnten die politischen Gegebenheiten in der frühen Weimarer Republik bieten. Hiermit soll sich nachfolgender Artikel befassen

II. Die frühe Weimarer Republik und ihre Politik

Am 11. November 1918 endetet der erste Weltkrieg mit dem Waffenstillstand von Compiegne zwischen dem deutschen Reich und den am ersten Weltkrieg beteiligten Westmächten. Am 29. November 1918 dankte Wilhelm II, deutscher Kaiser, ohne jegliche Rückkehransprueche auf den Thron, ab. Die Reichsregierung unter Max Prinz von Baden nahm unter dem Druck der Öffentlichkeit linksgerichtete, demokratische Kräfte wie die SPD, Fortschrittspartei und die Zentrumspartei in den Reichstag auf. Die weiteren Friedensverhandlungen mit den Siegermächten gestalteten sich zäh und endeten am 28. Juni 1919 mit der Unterzeichnung des Vertrages von Versailles. Hierin nahm Deutschland die volle Verantwortung für den ersten Weltkrieg auf sich, es wurden Gebietsabtretungen sowie Reparationszahlungen an die Siegermächte vereinbart. Deutschland hatte mit sofortiger Wirkung folgende Gebiete ab zu treten:

• Elsass Lothringen an Frankreich

• Westpreußen an Polen, ohne Danzig und das Abstammungsgebiet Marienwerder

• Provinz Posen ohne nordwestliche, deutschsprachige Randgebiete an Polen

• die südliche Haelfte des ostpreußischen Kreises Neidenberg an Polen

• das Reichthaler Laendchen an Polen

• das Hultschiner Laendchen an die Tschechoslowakei

• kleine Grenzstreifen Niederschlesiens an Polen

• Neukamerun an Frankreich

• Kiatschou in China zurück an Japan

• Die Marianen und Karolinen an Japan

Nach Volksabstimmungen mussten noch weitere Gebiete ab 1920 abgetreten werden:


• Nordschleswig stimmte fuer Dänemark

• Oberschlesien wurde nach Aufständen und Unruhen nach der Volksabstimmung 1921 von den Alliierten aufgeteilt und ein Drittel Oberschlesiens wurde Polen zuerkannt. In den abgetretenen Gebieten befanden sich die größten, deutschen Steinkohlevorkommen: diese Entscheidung traf Deutschland wirtschaftlich besonders hart.

• Eupen - Malmedy an Belgien

• Neutral - Moresnet an Belgien

Sachleistungen und Reparationszahlungen waren ebenfalls in von den Siegermächten festgelegter Höhe zu leisten.

Das deutsche Militär hatte folgende Auflagen zu erfüllen:

• Die Auflösung des großen Generalstabes

• Reduzierung auf ein 100.000 Mann Heer, Berufsarmee mit maximal 4000 Offizieren

• Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht

• Die Dienstzeit durfte maximal 12 Jahre betragen, um einer heimlichen Wehrpflicht vorzubeugen, durften nur 5 % der Mannschaften vorzeitig ausscheiden

• Verbot militärischer Vereine, Mobilmachungsmaßnahmen und Militärmissionen

• Marine: 15.000 Mann, sechs Panzerkreuzer, sechs leichte Kreuzer, zwölf Torpedoboote

• Verbot von schweren Waffen wie Panzern, U Booten und Schlachtschiffen

• Verbot chemischer Kampfstoffe

• Beschränkung der Waffen auf 102.000 Gewehre und 4,8 Mio. Schuss Munition

• Verbot von Luftstreitkräften

• Entmilitarisierung des Rheinlandes und eines 50 km breiten Sicherheitsstreifens östlich des Rheins

• Verbot von Festungsbauten entlang der deutschen Grenze

• Verbot von Befestigungen und Artillerie zwischen Nordsee und Ostsee

• Da jegliche Maßnahmen zur Vorbereitung eines Krieges verboten waren, hatte der Versailler Vertrag auch Auswirkungen auf das deutsche, rote Kreuz, denn seine Hauptaufgabe war der militärische Sanitätsdienst

• Artikel 8 verpflichtete auch die Siegermächte zu einer grundsätzlichen Bereitschaft zur Abrüstung

• Artikel 177 verlangte auch die zivile Entwaffnung, der deutsche Reichstag folgte dieser Auflage mit dem Entwaffnungsgesetz vom 05.08.1920


Die wirtschaftlichen Folgen für Deutschland waren dramatisch. Mit Oberschlesien waren wichtige wirtschaftliche Ressourcen wie Steinkohle und Erz an Polen gefallen, mit dem Verlust von Westpreußen und Posen die landwirtschaftlichen Kapazitäten deutlich eingeschränkt. Die verbliebenen landwirtschaftlichen Gebiete konnten den Bedarf nicht auffangen, dazu kamen noch etwa eine Million mittellose Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Gebieten in Frankreich und Polen. Zeiten wie diese sind immer ein guter Nährboden für radikale Ideen jeglicher Art. Kommunistische wie rechtsradikale Bewegungen erfreuten sich großen Zulaufs. Es wurden Paramilitärische Verbände gegründet, die die jeweilige Politik mit Hilfe von Putschversuchen und Straßenkämpfen durchzusetzen versuchten. Während die rechtsradikalen Gruppierungen im übrigen Deutschland eher eine politische Minderheit darstellten, wurde Bayern das Sammelbecken und München Hauptstadt der Bewegung. Der Nationalsozialismus schwappte von Bayern aus über das übrige Deutschland.

III. Der frühe Nationalsozialismus in Bayern und seine Wegbereiter 1919 - 1923

a) Franz Ritter von Epp, ehem. Oberst der königl. bayer. Armee, Gen. Lt. der Reichswehr Kommandeur der 7. Divison in Bayern, Gen. der Inf. der Wehrmacht

nationalsozialistischer Reichsstatthalter in Bayern von 1933 - 1945 Biographie:

geb. 16.Okt. 1868 in München, gest. 31. Dez. 1946 in München als Franz Epp, Sohn des kath. Kunstmalers Rudolf Epp und dessen Gattin Katharina

• 1878 eintritt in die bayer. Armee, nach drei Jahren Freiwilligkeit Berufssoldat

• 1896 bayer. Kriegsakademie, Eintritt im Rang eine Premier Lt.

• 1900 Berufung in das Ostasiat. Infanteriekriegsreg.

• 1901 Versetzung zum 19. Infant. Reg., ohne Kmmdo.

• 1904 Beförderung zum Kompaniefhr. der kaiserl. Schutztruppen in Deutsch Afrika

• 1906 Rückkehr nach Bayern

• 1908 Berufung als Kompaniechef zum kgl. bayer. Leibreg.

• 1908 -12 Adjutant d. Stabes k.b. Div. in Landau/Pfalz

• 1912 Beförderung zum Maj., Kmmdr. des II. Bat. Leibreg. bis zum ersten WK, zog auch mit diesem Bat. in den Krieg

• 1914 Auszeichnung mit dem EK für Schlacht bei Saarburg, Bef. zum Oberstlt. und Kmmdr. des Leibreg.

• 1915 Versetzungen nach Südtirol und Serbien

• 1916 Auszeichnung mit dem milit. Max - Joseph - Orden, RK, Erhebung in den persönlichen Adelsstand als "Ritter von Epp" für Verdienste bei der Schlacht um Verdun

• 1916 Schlacht bei Herrmannstadt/Rumänien

• 1917 Versetzungen in Rumänien, an die Westfront und die venez. Alpen

• 1918 Auszeichnung mit dem pour le Merite fuer die Schlacht um den Kemmel

• Ende des zweiten WK im Rang eines Oberst

• 1919 Gründung des Freikorps von Epp im Auftrag von Reichswehrminister Gustav Noske "fuer den Grenzschutz Ost"

• Im Mai 1919 Beteiligung mit dem 700 Mann starken Freikorps an der Niederschlagung der Münchner Räterepublik und gleichzeitig in Bayern Sturz der sozialdemokratischen Regierung Hoffmann, gemeinsam mit dem Leiter der rechtsradikalen Einwohnerwehren Georg Escherich und dem Leiter der Münchner Polizei Ernst Poehner, Einsetzung der rechten Regierung von Kahr

• Im gleichen Jahr Übernahme mitsamt dem Freikorps in die neue Reichswehr, in die 21. bayer. Schützenbrigade, von Epp Kmmdr. der Brigade, ihm wurde gleichzeitig die Münchner Stadtpolizei, die Einwohnerwehren und die technische Nothilfe unterstellt

• 1920 Kapp - Putsch in Berlin • 1921 Kmmdr. der 7. bayer. Division, Stabschef der Chef der Feldzeugmeisterei Ernst Röhm (Maschinen Gewehr König von München), Gründung heimlicher Waffendepots in Bayern fürdie schwarze Reichswehr

• 1921 erstes Zusammentreffen von von Epp und Adolf Hitler, Beförderung zum Gen. Maj.

• 1923 freiwilliger Abschied als Gen. Lt. aus der Reichswehr, nachdem ihm wegen diverser Disziplinarmaßnahmen wegen Förderung rechter Kreise ohnehin die Entlassung drohte

• 1923 konnte ihm eine Beteiligung am Hitler - Ludendorff Putsch nicht eindeutig nachgewiesen werden

• 1927 Eintritt in die bayerische Volkspartei

• 1928 trat er aus der Volkspartei wieder aus und am 1.Mai der NSDAP bei, in deren Programm der überzeugte , lebenslange Junggeselle seine politischen Ansichten am besten vertreten sah: Aufhebung des Versailler Vertrag, die Wiederbewaffnung Deutschlands und vor allem auch sein militanter Antisemitismus. Kurz nach seinem Eintritt in die NSDAPwurde von Epp als bayerischer Spitzenkandidat in den deutschen Reichstag gewählt. Seine Reden im Reichstag hielt der Ex General hauptsächlich über die notwendigeWiederbewaffnung Deutschlands

• 1932 schickte die Partei ihn als Beobachter zur Genfer Abrüstungskonferenz, gegen die er massiv wetterte und polemisierte

• 1932 im September betraute Hitler persönlich von Epp mit dem Amt des Wehrbeauftragten der NSDAP. Ziel dieses Amtes war es, die Macht der ausser Kontrolle geratenen SA zubeschneiden

• 1933 am 9. März wurde von Epp mit Machtergreifung der Nazis zum Reichskommissar in Bayern ernannt. Von Epp übte nun de facto die vollziehende Gewalt aus, die Polizeibefugnisse delegierte er an Innenminister Adolf Wagner, Heinrich Himmler wurde Chef der Münchner Polizei. Nach einer Woche übernahm von Epp die gesamten Regierungsgeschäfte nach dem Rücktritt der Regierung Held, mit Adolf Wagner als Innenminister, Hans Frank als Justizminister, Ludwig Siebert als Finanzminister , Hans Schemm als Kultusminister, Heinrich Himmler wurde Leiter der gesamten bayer. Polizei

• 1933 am 10. April wurde von Epp zum Reichsstatthalter berufen, ein Amt, dass mit der Verkündung des zweiten Gleichschaltungsgesetzes der Länder ausgerufen wurde. Als Reichsstatthalter sollte er dafür Sorge tragen, dass in Bayern die nationalsozialistische Politik durchgesetzt wurde. Tatsachleiche Regierungsgewalt hatte er keine, außer den Landesvorsitzenden der bayer. Regierung zu ernennen oder ggf. auch wieder zu entlassen und Minister auf Vorschlag des Regierungsvorsitzenden zu ernennen oder zu entlassen. Von Epp war nicht, wie andere Reichsstatthalter, Gauleiter der NSDAP und hatte daher auch keine Parteivollmachten. Dies hatte zur Folge, dass er ständig in Machtkämpfe mit der Regierung des Ministerpräsidenten Wagner, den sechs bayer. Gauleitern und den bayer. Ministern verwickelt war. So konnte er das Schutzhaftsystem in Bayern, das jährlich fast 4000 Häftlinge in Gewahrsam nahm, nicht reformieren, denn er hatte dem Widerstand von Innenminister Wagner, SA Chef Roehm und SS Chef Himmler nichts entgegen zu setzen.

• 1934 am 5. Mai ernannte Hitler von Epp zum Reichsleiter des Kolonialpolitischen Amtes (dieser beschäftigte sich mit der Frage, die verlorenen deutschen Kolonien zurückzugewinnen) und zum Bundesführer des Reichskolonialbundes (Vorsitzender aller Reichsorganisationen, die sich mit den Koloniefragen beschäftigten). Beide Ämter wurden 1943abgeschafft

• 1934 Ernennung zum bayer. Landesjägermeister (Vorsitzender der bayer. Jäger)

• 1935 Ernennung zum General der Infanterie der Wehrmacht

• 1935 Erlass des zweiten Reichsstatthaltergesetzes, das von Epps Kompetenzen noch mehr auf repräsentative Pflichten beschraenkte.

• 1936 Teilnahme von Epps an der Weltkraftkonferenz in Washington (Konferenz zur Förderung und Forschung der Weltenergie Ressourcen)

• 1936 - 1945 übte von Epp sein Amt als Reichsstatthalter von Bayern aus, entwickelte allerdings eine immer größere Abneigung gegen den Nationalsozialismus, da er die Persönlichkeiten der ihn umgebenden Parteifunktionäre nicht mochte. Seine politisch rechte Einstellung hat von Epp Zeit seines Lebens nicht geändert.

• 1945 im April wollte sein Adjutant Major Günther Caracciola - Delbrück (27.11.1898 Frankfurt am Main - 28.04.1945 München, Widerstandskämpfer) fuer die Freiheitsaktion Bayern (Widerstandsbewegung in Südbayern, der ehemalige Feilitschplatz in München wurde 1947 zu Ehren ihrer Mitglieder in "Münchner Freiheit umbenannt), zu gewinnen. Von Epp sollte den Staatsnotstand für Bayern ausrufen, die vollziehende Gewalt übernehmen und den Amerikanern die bedingungslose Kapitulation erklären. Von Epp lehnte dies entschieden ab, er würde niemals seinen Freunden, den Militärs, in den Rücken fallen. Gauleiter Peter Giesler schlug den Aufstand einen Tag später mit Hilfe von SS Einheiten blutig nieder,40 Mitglieder der Freiheitsaktion Bayern, unter ihnen auch Major Caracciola, wurden hingerichtet. Epp wurde verhaftet und nach Salzburg abtransportiert, wo er Anfang Mai von den Amerikanern aufgegriffen und in Gewahrsam genommen wurde. Die Amerikaner verlegten ihn in das Camp Ashcan ( engl. fuer Aschenbecher, geheimes Kriegsgefangenenlager in einem luxenburgischen Grandhotel, in dem Nazigrößen bis zu ihren Prozessen 1945 interniert wurden). Dort verblieb von Epp bis August 1945, dann wurde er in Internierungshaft nach München überstellt

• 1946 starb von Epp in einem Münchner Krankenhaus.

• Die nach ihm benannte General - von Epp - Kaserne in Garmisch wurde aufgrund des Gesetzes zur Befreiung von Faschismus und Militarismus im Sommer 1945 in Artillerie - Kaserne umbenannt

• Ebenso erkannten ihm zahlreiche deutsche Städte die von ihnen verliehene Ehrenbürgerwürde ab



b) Ernst Julius Röhm , Hauptmann der kgl. bayer. Armee, Hauptmann der Reichswehr und SA Führer


Biographie:

Geb. am 28. Nov. 1887 in München, gest. am 1. Juli 1934 in München Stadelheim, Sohn des bayer. Eisenbahn Oberinspektors Julius Röhm und dessen Gattin Emilie

• 1906 Eintritt in die bayer. Armee als Fahnenjunker

• 1907 Besuch der Offiziersschule

• 1908 Erhalt des Offizierspatentes

• Im ersten Weltkrieg Adjutant, dann Komapanieführer des 10. bayer. Infanteriereg. an der Westfront.

• 1916 Schlacht von Verdun, Auszeichnung mit dem EK 1. KL, danach Berufung zum Generalstabsoffizier der 12. bayer. Inf. Div.

• 1918 aufgefallen wegen seiner organisatorischen Fähigkeiten beim Rückzug aus Flandern

• 1919 Austritt aus der bayer. Armee, Eintritt in das Freikorps von Epp, Beteiligung am Putsch gegen die Münchner Räteregierung. Als das Freikorps von der 7. bayer. Division absorbiert wird, tritt auch Röhm mit dem Freikorps der Reichswehr bei. Das Freikorps besteht inoffiziell weiter und schließt sich unter Röhm und Hptm. Mayr zur Eisernen Faust einer paramilitärischen, rechten , gewalttätigen Organisation zusammen. Röhm wurde Stabschef unter Ritter von Epp und Chef der Feldzeugmeisterei und besorgte so illegale Waffen für die schwarze Reichswehr, die in geheimen Waffendepots beiseite geschafft wurden. Durch seine Kontakte und "Geschäfte" in der rechte Szene, lernte Röhm 1919 Adolf Hitler kennen und beide traten in die rechtsgerichtete DAP (deutsche Arbeiter Partei) ein. Wegen seines organisatorischen Talentes und Erfolges, bekam Röhm den Spitznamen "Maschinen Gewehr König von München"

• 1920 gründete Adolf Hitler die NSDAP, Röhm wurde eines ihrer ersten Mitglieder, immer noch Chef der Feldzeugmeisterei, sammelte er weiterhin illegal Waffen in geheimen Depots

• 1923 wird Röhm wegen seiner Beteiligung am 9. Nov. am Marsch auf die Feldherren Halle verhaftet und zu einer fünfmonatigen Festungshaft verurteilt und aus der Reichswehr entlassen. Nach seiner Entlassung aus der Haft beschäftigte Röhm sich mit der Umstrukturierung der SS (Saal Schutz) in die SA (Sturmabteilung)

• 1924 kandidiert Röhm für die Nationalsozialistische Freiheitspartei (Zusammenschluss aus Deutschvölkischer Freiheitspartei und der nach dem Putsch verbotenen NSDAP) im Reichstag

• 1925 trat Röhm von seinen Ämtern in der NSDAP zurück, er verfolgte eigene Ziele und wollte die SA nicht seiner Meinung nach "kapitalistischen Kräften wie der Reichswehr und der Partei" unterstellen

• 1928 wurde Röhm als Militärberater vom deutschen General Hans Kundt nach Bolivien geholt und dort im Rang eines Oberstleutnant ins Militär eingestellt, Bolivien auf den sich anbahnenden Chacokrieg gegen Paraguay vor zu bereiten

• 1930 kehrte Röhm nach Deutschland zurück

• 1931 bot Hitler ihm den Posten des Stabschefs der SA an und Röhm begann, die SA zu einer mächtigen, paramilitärischen Organisation aus zu bauen. Seine Vision war es, die SA zu einem "Instrument des revolutionären Volkssturm" zu machen, mit radikalden, antikapitakitischen Zielen. Hierüber geriet er nach und nach mit den V-Männern in der Reichswehr, der SS und Hitler in Streit, ebenso zweifelte er die Notwendigkeit der SS an. Außerdem sah Röhm die SA als eine von der NSDAP unbhängige Organisation "die politische und die Wehrbewegung sind gänzlich unabhängig voneinander". Die Streitigkeiten zwischen Röhm und Hitler nahmen zu, Röhm sagte hierüber:Hitler habe Trommler der Wehrverbände zu bleiben . (…) Parteipolitik wird im Frontbann, auch in der SA nicht geduldet(…) Ich verbiete mir auf das strengste jede Einmischung der SA in Parteiangelegenheiten; ebenso streng verbiete ich, dass die SA-Führer von parteipolitischen Führern Weisungen entgegennehmen

• 1932 im April verbot Reichskanzler Heinrich Brüning die SA, wegen ihrer zunehmenden Brutalität, im Juni hob der neue Reichskanzler von Papen das Verbot wieder auf. Im Zuge der Reichstagswahlen kam es dann zu bürgerkriegsähnlichen Auswüchsen unter Beteiligung der SA, die 1100 Verletzte und 300 Tote forderten

• 1933 folterte die SA vor den Reichstagswahlen politische Gegner, die ihr in die Hände fielen. Bei der Machtergreifung Adolf Hitlers betrug die Truppenstärke der SA bereits 400.000 Mann, Röhm wurde Mitglied des nationalsozialistischen Reichstags

• 1934 trafen Hitler und Röhm in Berlin zu einem internen Treffen ohne andere Führungsmitglieder der NSDAP zusammen, Röhm und Hitler vereinbarten, dass Röhm die gesamte SA vier Wochen in Urlaub schicken würde, um die Spannungen zwischen SS, SA und der NSDAP etwas zu mildern. Am 29. Juni gab Röhm den Stabsbefehl heraus, dass die gesamte SA ab 1 Juli für vier Wochen beurlaubt sei. Röhm selbst wollte nach Bad Wiessee an den Tegernsee zur Kur fahren. Am 30. Juni ließ Hitler Röhm in Bad Wiessee festnehmen und ins Gefängnis München Stadelheim bringen. SS Reichsführer Heinrich Himmler, Hermann Göring und Reinhard Heydrich hatten zuvor Gerüchte über einen möglichen Putsch von Röhm an Hitler verbreitet, sowie ihn wegen seiner Homosexualität denunziert. Hitler forderte Röhm auf, mit einer bereitgelegten Cyankali Kapsel Suizid zu begehen. Da Röhm dies verweigerte, wurde er am 1. Juli 1934 ohne Gerichtsverhandlung in der Zelle 70 des Münchner Gefängnisses Stadelheim vom Dachauer KZ Röhm Theodor Eicke erschossen. Röhm wurde auf dem Münchner Westfriedhof beigesetzt.

• 1935 wurde aufgrund der bekannt gewordenen Homosexualität Röhms der Paragraph 175 zum Verbot der Homosexualität im dritten Reich erlassen.


c) Von der Ordnungszelle zur Machtzentrale: Bayern 1919 – 1923


Die ökonomischen und militärischen Folgen des Vertrages von Versailles spalteten Deutschland in zwei politische, radikale Lager. Es gab die linksradikalen Parteien, die die politische Meinung dominierten und gesamtdeutsche Politik stark beeinflussten und die rechtsnationalen Parteien, die, außer in Bayern, im übrigen Deutschland bis 1923 eine untergeordnete Rolle spielten. Die rechten Splittergruppen im übrigen Deutschland konzentrierten ihre Kräfte in Bayern, wo man relativ schnell mit Hilfe der Reichswehr und Infiltration des Staatswesens die Kontrolle an sich riss. Bayern war offiziell ein Musterstaat "Funktionsstaat", der anscheinend die Rechte und Gesetze aus dem Berliner Reichstags anwandte. In Wahrheit aber regierten seit dem Putsch der Räteregierung im Jahr 1919 die Rechtsnationalen, die den Nationalsozialisten den Weg zur Macht ermöglichten. Die nationalsozialistischen Strukturen durchzogen das Rechtssystem, die Polizei und die Gerichtsbarkeit. Das Militär wurde ebenfalls infiltriert, die Bedingungen des Versailler Vertrages wurden von vielen Offizieren als ungerecht und demütigend empfunden. Hinzu kamen einflussreiche Geldgeber, die das Netzwerk auch materiell und finanziell unabhängig machten. Gegner der rechts nationalen Gesinnung wurden einfach ausgeschaltet, von der Obrigkeit hatten rechte Geheimorganisationen nichts zu befürchten und konnten weitgehend straffrei agieren.


C 1)Gründung der NSDAP

Die NSDAP ging aus der DAP hervor, einer rechtsgerichteten Partei, die 1919 im Münchner Gasteig Café von dem Schlosser Anton Drexler und dem Sportjournalisten Karl Harrer gegründet, als politisches Organ der antisemitischen und national orientierten Thule Gesellschaft, fungierte. Ein gewisser Adolf Hitler, damals noch Angehöriger der Reichswehr und politisch recht unentschlossen, trat als 55. Mitglied am 19. Oktober 1919 dieser Partei bei, auf “Anraten” seiner Vorgesetzten Offiziere. Ein einflussreiches Mitglied der Partei und der Thule – Gesellschaft, der rechtsradikale Schriftsteller, Verleger und Journalist Dietrich Eckart, erkannte bald das darstellerische Talent des Gefreiten Hitlers und engagierte ihn als Redner und Agitator für die DAP. Hitler gelang es schnell, das Volk für die nationalsozialistischen Ideen zu begeistern. Am 24. Februar 1920 benannte sich die DAP in NSDAP um und legte ihr Parteiprogramm im Münchner Hofbräuhaus fest: Abschaffung des “Schandvertrages von Versailles”, die “Beseitigung der jüdischen Verschwörung im deutschen Volke”, sowie die Nationalisierung Deutschlands und damit verbundene Erweiterung des deutschen Lebensraumes, Wiederbewaffnung Deutschlands. Hitler wurde im Frühjahr 1921 Parteivorsitzender der NSDAP.


C2) Reichswehr, Waffenlager und die Entente


Ziel der rechten Kräfte in Bayern war es, seit dem Sturz der linksgerichteten Räteregierung in Bayern, eine antidemokratische, nationale Diktatur in Berlin zu errichten. Der in Berlin 1920 verübte Kapp – Putsch wurde nach vier Tagen von linken Regierungstruppen blutig niedergeschlagen, ebenso fehl schlug ein Putschversuch im Ruhrgebiet 1921. Bayern zeigte sich nicht nur durch seine weite Entfernung von Berlin als strategisch äußerst günstig, hier fanden sich auch der eine oder andere korrupte Ententekommissar, der gegen Geld das Treiben der rechten Untergrundszene deckte und teilweise sogar tatkräftig unterstützte. Dies geht etwa aus einer Konversation von Franz von Epp mit dem Direktor der “Bayerischen Sprengstoffwerke AG” hervor. Hinter diesem Synonym verbarg sich niemand anders als ein französischer Kommissars namens Cahuc. Die Bayern rüsteten also unter der Nase und mit Wissen der Entente auf. Ernst Röhm als organisatorisches Genie und Chef der Feldzeugmeisterei war für Gen. Epp ein Glücksfall. Sein Stabschef organisierte und verteilte die Waffen an die verschiedenen schwarzen Reichswehrverbände, die wiederum dafür sorgten, dass kleine, private Waffenlager entstanden, tausende an der Zahl, mit schnellem Zugriff und großer Verfügbarkeit. Röhms organisatorisches Genie hatte jedoch eine Schattenseite: sein großes, prahlerisches Mundwerk und seine bisweilen unvorsichtigen Alleingänge in Sachen Waffenschiebereien ließen Gerüchte aufkommen. Von Epp seinerseits hatte sich immer wieder wegen Unterstützung rechter Kreise vor einem Disziplinarausschuss zu rechtfertigen. Bereits 1921 war er von einer Entlassung aus der Reichswehr wegen Ungehorsams bedroht. Die Lage spitzte sich bis 1922 so zu, dass er am 16.03.1922 eine Unterredung mit General Hey führte, dass eine “Debatte im deutschen Reichstag in Berlin über geheime Waffenlager in Bayern unbedingt zu vermeiden sei”, so sprach man darüber, dass von Epp sich freiwillig aus Bayern versetzen lassen sollte, um die “Regierung ab zu lenken”. Im Oktober 1922 nahm von Epp dann auch freiwillig seinen Abschied aus der Reichswehr. Die befürchteten Konsequenzen aus einer öffentlichen Debatte im Reichstag waren wohl, dass Berlin im schlimmsten Falle Truppen senden würde und es in Bayern zu einer gewaltsamen Beendigung der rechten Machtergreifung kommen würde.

IV. Theorie Hinterkaifeck und rechtes Waffenlager

Gerüchte über ein heimliches Waffenlager auf HK gibt es seit dem Mord. Und da nichts wahrer als ein Gerücht ist, lohnt es sich, im Hinblick auf die oben geschilderten politischen Zusammenhänge, dieser Spur weiter nach zu gehen. Die Lage in München wird also langsam brenzlig für die Drahtzieher der geheimen Waffenlager. Von Epp hat zwar gute Kontakte zur Entente, weiß aber ganz genau, dass ihm die Franzosen und seinen braunen Kameraden im Falle eines innerdeutschen Politskandals nicht helfen würden. Röhm und seine eigenmächtigen Alleingänge und sein großes Mundwerk sind auch nicht gerade hilfreich, um die Situation zu entschärfen. Der Druck wird von oben nach unten weitergegeben. Die Obmänner in den kleinsten Einheiten der schwarzen Reichswehr, die für die Überwachung der Waffenlager zuständig sind, haben Anweisung, verdächtiges Verhalten zu beobachten und notfalls zu bestrafen. Andreas Gruber betreibt auf seinem Hof ein solches Waffenlager. Aber was hat er getan, um die Rechten auf den Plan zu rufen? Erpressung? Mit den Franzosen konnte er nicht drohen, da die ja Bescheid wussten. Hat er linke Splittergruppen aus München mit den Waffen versorgt? Oder hat er mit den ihm anvertrauten Waffen einen schwunghaften Handel betrieben haben? Es sprach sich rum, dass man beim Hinterkaifecker Waffen kaufen konnte. Die Spatzen pfiffen es von den Dächern. Man warnte ihn einmal, man verwarnte ihn zweimal und drohte ihm mit ernsthaften Konsequenzen. Möglicherweise wurde auch L.S. als Ortsvorsteher angehalten, den Gruber zur Raison zu bringen. L.S. hat Gruber gewarnt, wollte ihm sogar seinen Revolver geben. Gruber konnte es wohl nicht lassen und wurde samt seiner Familie ermordet. Die Einzelheiten zu dem Mord werden nicht erläutert, sie werden als bekannt vorausgesetzt und sind auch nicht so sehr Gegenstand dieses Artikels. Vielmehr sollte eine mögliche, politische Motivation hinter dem Mord ergründet werden. Möglicherweise ist dieser Mord ein erstes Beispiel für die von den Nationalsozialisten durchgeführte “Sippenbestrafung”. Auch die “Blutschande” zwischen Victoria und A. Gruber mögen eine Rolle gespielt haben fuer den Tod der gesamten Familie. Die “Warnung” wurde vom Umfeld verstanden, die Polizei war ohnehin im Bilde. Erste Anzeichen einer dunklen, von Gewalt beherrschten Diktatur am Horizont. HK war möglicherweise ein kleiner aber bedeutender Meilenstein beim Aufstieg der Nazis. Waren die Waffendepots aufgeflogen, wäre Hitler möglicherweise nie an die Macht gekommen.


V. Quellenangaben:

• Institut für Zeitgeschichte, Berlin

• The unmaking of Adolf Hitler by Eugene Davidson, University of Missouri

• The rise and the fall of the Third Reich by William L. Shirer

• Homosexuals and the Third Reich by James Staekly, Jewish virtual library

• Hitler und seine Hintermänner, Fakten zur Frühgeschichte der NSDAP von Hans Guenther Richardi

• Mein Kampf von Adolf Hitler, erste Originalausgabe von 1925

• Understanding Madmen: IV Assesment of Adolf Hitler by Frederic L. Coolidge, Felicia L. Davis, Daniel L. Segal in Individual Diffrences Research

• Zwischen Kaiserreich und NS Regime, die erste deutsche Republik zwischen 1918 und 1933 von Werner Maser

• Library of Congress, Research Center

• Institut für bayerische Geschichte der LMU
Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 11:05
@Robin76

Zu deiner Frage aus dem posting von heute, 8.39 Uhr.

Ich wollte damit sagen, daß ich MEINE (!) ERWIDERUNG auf Heikes posting zum Thema Gruber als Täter als Scherz/Ironie gemeint habe, was Heike aber nicht verstanden hat.

Heike hat das aber "fälschlich" so verstanden, daß ich ihre Äußerung als Scherz verstanden habe, "obwohl sie es ernst gemeint hat".

Um dies richtigzustellen, habe ich deshalb darauf hingewiesen, daß ich "sehr wohl verstanden habe", daß sie ihre Äußerung in Bezug auf Gruber als Täter ernst gemeint hat.


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Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 11:16
@Jessica-

Aha 😖

Grüße aus Gröbern


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Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 11:38
@Kailah
Vielen dank für deinen ausführlichen obigen beitrag. Es weist einiges, daraufhin, dass der mord einen politischen hintergrund gehabt haben könnte. Es spricht aber auch einiges dafür, dass es sich um eine persönliche fehde gehandelt haben könnte, würgemale viktorias. Aber natürlich ist auch ein mitwissen einiger dorfbewohner an dem verbrechen durch freikorps nicht ausgeschlossen. Zumindest scheint viktoria durchaus die aufhebung ihrer konten irgendetwas geahnt haben, sich freikaufen haben wollen oder einfach die flucht ergreifen. Wir können eigentlich nichts ausschliessen.


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Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 11:55
@Robin76

Toll - alles in acht Minuten durchgelesen!

Grüße aus Gröbern

P.S.: Es soll auch schon einmal "politisch gewürgt" worden sein! 😆


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Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 12:36
@Robin76

...du hast recht, wir können wirklich nichts ausschließen, auch nicht, daß Karl Gabriel jun. möglicherweise garnicht im Krieg gefallen ist und vielleicht er es war ja, der Victoria "gewürgt hat" ...

.....oder daß es vielleicht doch der Lenz war, der den alten Gruber mit der Reithaue erschlagen hat, NACHDEM er den alten Gruber an dem Mordtag im Stadl vorgefunden hat, als dieser gerade seine gesamte Familie erschlagen hatte....woraufhin dann der Lenz den alten Gruber erschlagen hat.

Ironie AUS ... das schreibe ich jetzt extra für dich und Heike dabei

:-) :-)


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Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 12:50
@Jessica-
Das kannst du schreiben so oft du willst, ist okay. Es ändert jedoch nichts daran, dass wir alle nicht wissen was passiert ist auch wenn der eine oder andere glaubt, dass nur seine theorie stimmen kann. Ich selbst überlege halt oft laut und ziehe alles in betracht.


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Mordfall Hinterkaifeck

04.01.2015 um 12:53
@Robin76

....das habe ich schon gemerkt, daß du oft "laut überlegst"....es ist trotzdem witzig, also nimm`s mir nicht übel, wenn ich dann manchmal schmunzeln muß... :-)


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