@Heike75Heike75 schrieb:Rasterfahndung? Wegen was - wegen Raubmord?
Wir haben:
- Bärtl galt als geistig krank, er beging einen (mehrere ?) schweren Raub.
- Josef M., geboren am 12. September 1878 in Herbrechtingen, wurde im Polizeiblatt wegen
versuchten Raubes gesucht.
- Gebrüder Bichler: Bekannt wegen Diebstahl... waren Knechte auf HK.
Wie passen die 4 Herren vom Rollkommando hier rein?
1.) Der Mord an den Bauern wurde im Zuge der Schlacht um den Anaberg begangen... diese hatte einen politischen Hintergrund.
2.) Der Mord an Karl Gareis war ein Fememord... ein politischer Hintergrund.
Ich nehme jetzt erst mal nur diesen einen Punkt heraus, weil Du jetzt schon zum 5. Male das wesentliche Argument meinerseits ignoriert hast:
Am 06.04.1922 hatte Reingruber bereits eine Art Rasterfahndung gegen Straftäter aus der Gegend um HK veranlasst gehabt,
ohne dass er für diese alle einen
konkreten Tatverdacht gehabt hätte:
Bemerkt wird noch, dass angenommen es könnte auch ein erst kürzlich entlassener Strafgefangener in Frage kommen bei sämtlichen hier wohnhaften und in letzter Zeit entlassenen Anstaltsgefangenen Erhebung über ihren Aufenthalt am 31.3. und 1.4. eingeleitet wurden.
Ferner sind die Strafanstalten Landsberg, Straubing, Kaisheim um namentliche Verzeichnisse über die in letzter Zeit entlassenen Gefangenen ersucht worden. An Hand dieser Verzeichnisse werden dann die entsprechenden Aufenthaltserhebungen der einzelnen Entlassungen über ihren Aufenthalt zur kritischen Zeit eingeleitet.
Dass diese Fahndung logischerweise auch noch flüchtige Straftäter aus der Gegend mit umfasste, wie etwa Bärtl (Raub mit Todesfolge) oder eben Adolf Gump (Raubmord an neun Bauern), ist doch selbstverständlich.
Die Reduzierung dieser Morde von Gump auf ein politisches Motiv gibt der Haftbefehl überhaupt nicht her. Ich verweise nochmals auf das von
@Badesalz zitierte Fahndungsersuchen:
Beitrag von Badesalz (Seite 775)Da heißt es:
[...] sollen [...] im November 1921 nach den Aufständen in Oberschlesien neun Bauern ermordet und beraubt haben.
1. Die Aufstände in Oberschlesien waren zu diesem Zeitounkt bereits Geschichte. Der Sturm auf den St. Anna-Berg war da schon
fünf Monate her. Ein politischer Bezug zu dieser Schlacht lässt sich da ohne weiteres nicht herleiten.
2. Reingruber erwähnt auch keinerlei politischen Hintergrund. Im Gegenteil, er bezieht sich ausschließlich auf die Raubmorde an Bauern.
3. Den Mordfall Gareis erwähnt Reingruber nicht.
4. In dem Fahndungsersuchen von Reingruber ging es nicht um konkrete Verdachtsmomente. Vielmehr sollte lediglich das Alibi von Gump überprüft werden, wie es im Übrigen die allgemeine Anordnung im Rahmen dieser Rasterfahndung war.
Um es kurz zu machen: Es wurde von Reingruber allgemein nach Straftätern mit Bezug zu der Gegend von HK und einschlägigen Straftaten gefahndet. Da fällt Gump als mutmaßlicher Raubmörder an Bauern logischerweise und zwingend auch darunter.
Darum ist Deine hier regelmäßig implizit und explizit wiederholte Behauptung, Reingruber hat nach Gump nur gefahndet und konnte auf Gump auch nur kommen, weil er HK als Fememord einstufte und Gump ein politisch motivierter Fememörder sei, ohne dass es dazu einen ganz konkreten Aktenvermerk gibt, der diesen Gedankengang explizit darstellt, angesichts der tatsächlichen Rasterfahndung nach allen möglichen Straftätern aus der Umgebung, völlig abwegig.
@KailahKailah schrieb:Sind das nicht die, die in 90 Jahren in Sachen HK nicht einen Schritt mit ihrem "Wissenschaftsverständnis" weitergekommen sind?
Diese Juristen haben sich leider nicht an den - zum Teil damals noch gar nicht bekannten - modernen Methoden orientiert, infolgedessen auch nicht stets wissenschaftlich gearbeitet. Die Juristen, auf die ich Bezug genommen habe, haben die Aussage von KR - genauso wie ich - anhand moderner vernehmungs- und aussagepsychologischer Methoden als kritisch eingestuft.
Darüber hinaus und ganz am Rande: Selbst wenn "die Juristen" wissenschaftlich korrekt gearbeitet hätten, heißt ds nicht zwingend, dass sie den Fall hätten damit lösen können. Die Frage ob ein Kriminalfall lösbar ist, hängt auch von anderen Faktoren (namentlich dem Täter und sonstigen Umwelteinwirkungen) ab, die von den ERmittlern schließlich nicht beeinflusst werden können.
Sie sind der lebende Beweis meiner Vermutung:
Ich will die Wertigkeit von Methodenkompetenz im Rahmen wissenschaftlicher Arbeit grundsätzlich genauso wenig in Frage stellen, wie im Umfeld von Polizeiarbeit oder sagen wir bei Buchaltern, Müllfahrern oder Juristen.
Aber wenn das Alles wäre, was Wissenschaft ausmacht, säßen wir alle noch mit dem Faustkeil vor der Höhle!
Die wohl treibendsten Wissenschaftler (unhabhängig von der jeweiligen Fachdomäne) waren jedoch die "kreativen Querdenker". Gut, ich weiß: Bei Paragrafenreiten eher eine unerwünschte und schwer auszulebende Qualität.
Hierzu hat
@off-peak bereits einen sehr guten Kommentar abgegeben, dem ich mich voll umfänglich anschließe.
@canalescanales schrieb:nix für ungut, aber dieses Hervorstellen von "wissenschaftlichem Arbeiten" stößt mir immer etwas auf.
Hätte sich die NSU nicht selbst ans Messer geliefert würdest Du aufgrund der vorliegenden Akten vermutlich immer noch an eine Mischung von Beziehungstaten oder Taten im Drogenmilieu glauben, rein wissenschaftlich natürlich.
Diese Unterstellung ist völlig unzutreffend und zeigt nur, dass hier eben nicht klar ist, was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet. Der Mordfall Hinterkaifeck ist ein historisches mittlerweile lange zurückliegendes Ereignis. Eine Befragung von Zeitzeugen ist grundsätzlich nicht mehr möglich. Folglich kann sich diesem Fall fast nur noch im Wege des Quellenstudiums (primär aber nicht ausschließlich sind das die historischen Akten) genähert werden. Das war bei den NSU-Morden ganz anders. Diesem Fall hätte man sich korrekterweise immer auch abseits der vorhandenen Akten um Zeugenbefragungen usw. bemühen müssen.
Darüber hinaus bedeutet wissenschaftliches Arbeiten auch nicht, die Schlussfolgerungen der Ermittler, wie sie sich in den Akten finden, unreflektiert zu übernehmen. Vielmehr muss das historische Quellenmaterial zunächst in Bezug auf die Faktenlage (was geschah wann wie etc.) ausgewertet werden, und dies eben anhand der von den Geschichtswissenschaften vorgegebenen Methode historischer Quellenkritik und anhand der von den Rechtswissenschaften vorgegebenen Methode aussagepsychologishcer Gutachten. Sind die Zeugenaussagen, Tatprtfotos und sonstigen faktenbezogenen Quellen ausgewertet, kann man auf dieser Basis dann eigene Rückschlüsse ziehen, die eben dann auch und gerade von den Ermittlungsergebnissen abweichen können.
Das gleiche hätte für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den NSU-Morden gegolten. Und hier sollte dann auch klar sein, dass eine solche Auseinandersetzung einen fremdenfeindlichen Hintergrund der Taten als alternatives Motiv in den Raum gestellt hätte. Klar ist doch, dass hier die Ermittler Fehler gemacht hatten, genauso wie übrigens auch bei HK. Eben weil gerade nicht wissenschaftlich gearbeitet wurde.
Bei HK war der größte Ermittlungsfehler, sich relativ frühzeitig auf Raubmord festzulegen. Andere Ermittlungsansätze wurden entweder nur halbherzig oder viel zu spät verfolgt. Die Vernehmung einer C. Starringer am 05.04.1922 spricht hier Bände. Eine einfache zivilrechtliche Prüfung hätte ergeben, dass sie prinzipiell am meisten von dem Tod von VGa und dem Rest der Familie zu profitiert hätte. Nachfragen nach ihrem Alibi und dem ihres Mannes: völlige Fehlanzeige. Dabei ist das Routine. Gleiches gilt für Bernhard Gruber. Die Gebrüder Gabriel kommen mal 1937 in U-Haft, das ist 15 Jahre (!) nach dem Mord, und das bei den aggressiven Bemühungen von KGa sen. um die Erbschaft und bereits bestehenden Animositäten. Bei LS ist niemand in der Lage, das bei einer sauberen zivilrechtlichen Untersuchung erkennbar vorliegende finanzielle Motiv festzustellen. Da gibt es ein paar schwache Ansätze 1931, die mit einem Verhör enden, dass nach aktuellem Stand der Technik nur als mangelhaft bezeichnet werden kann. Und auch das bei bereits bekannten und länger bestehenden Animositäten. Allein schon die Vernehmung von Franziska Schäfer nach der Tat am 05.04.1922 ist ein schlechter Witz, wenn man es mit der späteren Vernehmung in den 30igern vergleicht. Und Hofner wurde gleich gar nicht richtig vernommen. Da kommt man dann drei Jahre nach der Tat drauf. Dazu kommt dann noch die mangelhafte Spurensicherung usw.
Kurzum, Dein Vergleich oder was auch immer das sein sollte, ist völlig unbrauchbar, um wissenschaftliches Arbeiten zu diskreditieren.
@off-peakNochmals Danke für Deine Beiträge.