calligraphie schrieb:Es ist ja hier nicht der thread, über Sinn oder Unsinn der Todesstrafe zu sprechen, dazu noch in einem deutschsprachigen Forum, allerdings in diesem Fall stelle ich mir ein paar Fragen
Ja, in einem deutschen Forum ist das ein heisses Eisen. Ich habe schon lange aufgegeben, zu versuchen da vernünftig zu diskutieren
:)calligraphie schrieb:Meinst Du in diesem Prozess wird die Meinung der Opferangehörigen ( zur Strafforderung) eingeholt?
Das auf jeden Fall. Wenn er schuldig gesprochen würde, haben die Angehörigen das Recht, ein sog. "victim impact statement" abzugeben. In dem dürfen sie darstellen, wie ein Verbrecher ihr Leben ruiniert hat. Was allerdings nicht erlaubt ist, ist generell Forderungen zur Strafe zu stellen. Sie können also nicht vor Gericht sagen: "wir fordern die Todesstrafe" oder "wir wollen lebensländlich" usw. In dem Sinn gibt es in den USA keine Nebenklage wie in Deutschland, wo die Nebenkläger eigene Forderungen zum Strafmass stellen können. Hier ist es allein Sache der Staatsanwaltschaft, das zu tun.
Allerdings sprechen die Staatsanwälte hier in der Regel mit den Angehörigen oder Opfern auch über diesen Punkt. Die Staatsanwälte, die ich kenne, würden m.E. die Todesstrafe nicht fordern, wenn die Angehörigen strikt dagegen wären. Umgekehrt schon eher, dann aus praktischen oder juristischen Gründen, vielleicht mit Argumenten ähnlich wie Du sie vorbringst, und versuchen die Angehörigen zur Zustimmung eines Verzichtes auf die Todesstrafe zu bringen. Wie gesagt, juristisch haben die Angehörigen da keinen Einfluss drauf, es ist allein die Entscheidung des Staatsanwalts, welche Strafe er fordert, und allein die Entscheidung der Jury, welche sie verhängen.
calligraphie schrieb:Vielleicht kannst Du es irgendwann mal erläutern, warum man eine Strafe fordert, im Wissen, dass sie evtl mal nie vollstreckt wird. Danke schon mal für ein paar grundsätzliche Erklärungen zum Thema.
Das ist eine schwierige Frage. Zunächst einmal, weil sie nun mal im Gesetz steht. Trotz aller Diskussionen um das Für und Wider, hat der Gesetzgeber in Idaho sie nun mal nicht abgeschafft. Und, wenn man das noch genauer nimmt, bedeutet ja die Tatsache, dass sie im Gesetz steht, den Willen des Gesetzgebers, das sie auch verhängt wird.
Sicherlich ist es in so manchem Fall ähnlich wie es
Kaietan schrieb:Ist es nicht genauso skurril, hierzulande jemanden zur lebenslänglichen Freiheitsstrafe zu verurteilen, auch wenn er sehr wahrscheinlich vorzeitig (frühestens nach 15, im Durchschnitt nach 19 Jahren) entlassen wird?
hier beschreibt. Der deutsche Gesetzgeber, als der das Strafgesetzbuch formulierte, ging davon aus, dass die Strafe auch wirklich lebenslang bedeutet. Dass es heute fast nie dazu kommt, haben die Gesetzgeber sicherlich nicht vorgesehen. Auch hier kann man fragen, warum der deutsche Gesetzgeber es nicht wie z.B. in Spanien macht, wo selbst die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft wurde.
Man kann und sollte vermutlich argumentieren: Wenn die Strafe im Gesetz steht, kann man sie auch verhängen, wenn man (in diesem Fall die Jury) der Meinung ist, sie ist "verdient." Dass ein solches Urteil dann bedeutet, dass der Verurteilte noch mehr Möglichkeiten einer Revision bekommt, als im anderen Fall ist eben eine Bedingung dieser Strafe, die es soweit menschenmöglich sicherstellen soll, dass "der Richtige" aus den richtigen Gründen verurteilt wurde. Durch diese "safeguards" kommt es in der Regel dazu, dass es viele Jahre dauert, bis sie einmal, wenn überhaupt, vollzogen wird. Dennoch bleibt es dabei, dass ein solcher Strafausspruch ein Signal sendet: das Signal, dass die Gesellschaft, für welche die Jury hier spricht, die Taten des Täters absolut missbilligt und für das Schlimmste hält, was ein Täter der Gesellschaft antun kann. Dieses Signal halte ich persönlich für wichtig. Oder anders gesagt, was ich in Deutschland oft höre: "das Leben dieser unschuldigen Studenten ist mehr Wert als 'nur' 15 Jahre."
Ich weiss nicht, welchen Unterschied es für einen Täter macht, mit der Gewissheit im Gefängnis zu leben, dass eben doch eines Tages dieser der letzte sein wird. Weil er ein unsägliches Verbrechen begangen hat. Selbst wenn dieser letzte Tag vielleicht erst in 20 Jahren kommt oder vielleicht nie.
Genauso weiss ich nicht, was das für die Angehörigen bedeutet. Ich will aber ganz ehrlich sein: wenn ich der Vater eines der Opfer wäre, würde ich das ebenfalls wichtig finden. Und ich weiss, dass viele Angehörige, nicht alle, aber viele, von Mordopfern in den USA das ebenso sehen. Das haben viele Interviews und Studien immer wieder gezeigt.
Soviel vielleicht dazu?