Mordfall Heinz Puschnik bis heute ungelöst
11.05.2022 um 18:00
Vielen Dank für die bisherigen Informationen und Lösungsansätze hier aus der Gruppe!
Ich bin kürzlich zufällig auf diesen XY-Fall gestoßen, und mich hat es sehr gewundert, dass es der Polizei so gar nicht gelungen ist, da einen Faden aufzunehmen.
Auf der anderen Seite macht es diesen Fall auch sehr spannend. Einige Gedanken von mir dazu:
In „XY“ wird natürlich in wenigen Minuten genau eine Geschichte erzählt, nach der man sich Heinz P. als stillen, biederen und braven Kaufmann vorstellt, dem plötzlich die Sicherungen durchbrennen. So etwas gibt es sicher auch, aber ich vermute, dass er vorher schon eine impulsive und leicht kränkbare Persönlichkeit gewesen sein durfte. Er war Abteilungsleiter bei Langnese, und dafür musste er auch eine gewisse Härte und Konsequenz gehabt haben.
Irgendwann spitzen sich dann die Ereignisse zu, vielleicht durch vermeintliche oder tatsächliche Ungerechtigkeiten durch den Vorgesetzten, verweigerter Aufstieg usw. Dann auch Krach in der Beziehung durch ständige Ausraster von P.
Zu diesem Zeitpunkt wird er dann auch erstmals straffällig. Ich denke aber nicht, dass er vorher ein lieber „Seifenteddy“ war.
Vor diesem persönlichen Hintergrund lassen sich die Ereignisse vielleicht besser herleiten.
Die Haftstrafe finde ich mit fünf Jahren nicht übermäßig hoch, da kam er (ohne Vorstrafenregister) relativ gut weg, zumal ja (wie hier auch schon geschrieben) das letzte Drittel bei guter Führung regelhaft zur Bewährung ausgesetzt wird, was Heinz P. mit seinem bürgerlichen Hintergrund vermutlich gut gelungen wäre.
Im Gefängnis fällt P. mit seinem Auftreten und seiner Bildung als eher untypischer Häftling natürlich sofort auf. Seine Taten, bei denen er sich aus Sicht der Gefangenen vor seiner Freundin und dem Chef „grade gemacht hat“, dürften ihm einen gewissen Respekt eingebracht haben, zumal er ja, wie schon vermutet, ein sicheres und konsequentes Auftreten gehabt haben müsste.
Da viele Gefängnisinsassen überwiegend damit beschäftigt sind, sich für die Zeit nach der Haft neue Straftaten auszudenken, werden dort natürlich auch bestens neue Kontakte geknüpft. Gewisse Kreise dürften sehr an P. interessiert gewesen sein, da dieser durch seine Art in Bereichen tätig werden konnte, wo ein normaler „Knacki“ sofort aufgefallen wäre.
Aber auch Heinz P. wird eine Bereitschaft zu kriminellen Handlungen gehabt haben, denn durch seine Haftstrafe war ihm der Weg in eine auskömmliche seriöse Tätigkeit ohnehin verwehrt, damit wäre er ja nicht mal mehr Verkäufer bei „Karstadt“ geworden. Vielleicht hat er ja geplant, nach einiger Zeit auszusteigen, um irgendwo mit dem Geld neu anzufangen. Daher hat er durchaus Energie gehabt, ein kriminelles „Geschäftsmodell“ mit zu entwickeln.
Dann natürlich die spannende Frage: Was war genau seine Tätigkeit?
Wie hier schon mehrfach festgestellt: Die „harte“ organisierte Kriminalität, wie Schutzgeld, Kreditwucher, Zuhälterei, illegale Spielgewinne usw. scheiden für den bürgerlichen Heinz P. aus. Dafür sind hart gesottene Gewaltpraktiker aus den jeweiligen Strukturen zuständig.
P. wäre nicht der Typ, der säumige Schuldner mit der Kneifzange bearbeiten könnte, aber er hat es ja auch gar nicht nötig.
Zumal, wie auch schon richtig bemerkt, die einzelnen Syndikate nicht so weit räumlich ausgedehnt sind. Dagegen ist der Einzugsbereich von Heinz P. fast wie eine Vertriebsregion von „Würth“ oder „Vorwerk“ strukturiert.
Und, auch das wurde bereits treffend bemerkt: Die Gewinne aus den „Geschäften“ waren in allen Orten auf der Strecke fast gleich. Das wäre für die organisierte Kriminalität auch untypisch, da in Kleinstädten, wo um 20 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden, kaum ständig große Gewinne gemacht werden.
Zusammengefasst habe ich daher folgende Vermutung:
Die Geschäfte von Heinz P. nutzen eine bestehende, legale organisierte Struktur für kriminelle Aktivitäten mit. Das kann Groß- oder Einzelhandel, Dienstleistung oder Vertrieb sein, eine gemeinnützige Organisation, eine Partei oder Religionsgemeinschaft. Wichtig ist, dass diese Struktur auch flächendeckend in den meisten Orten vorhanden ist. Heinz P. wurde ausgewählt, weil er sich in dieser Struktur durch sein Auftreten unauffällig bewegen kann und auch gewisse Gepflogenheiten kennt, wie z. B Berechnung der Abgaben nach dem Umsatz oder Gewinn. Möglicherweise nutzt er sogar noch Kontakte aus seiner legalen Zeit.
In dieser Struktur sind jeweils bestimmte Insider (Mitarbeiter, Mitglieder usw.) in das kriminelle Netzwerk eingebunden, die dort ein Produkt erwerben können, was über die legalen Wege mit vertrieben wird, und damit große, zusätzliche Gewinne erzielen.
Da die Verkäufer sich natürlich selber strafbar machen, ist daher die Bereitschaft, die Polizei einzuschalten sehr gering, wobei dagegen Opfer von Betrug oder Erpressung spätestens nach der „XY“ –Sendung bei der Polizei ausgesagt hätten.
Zum Thema „XY“ wundert mich allerdings: Der Kommissar in der Sendung konnte nicht mal das (geschenkte) „Scart“-Kabel richtig zuordnen und beschreibt es als „Computerkabel“. Für 1988 schon sehr schlechte Expertise! Denn das „Scart“-Kabel (kenne ich selber auch noch!) wurde damals zum Überspielen zwischen Videorekordern mit relativ guter Übertragungsqualität verwendet. In der Spätausgabe berichtet man ja auch folgerichtig von Zuschauerhinweisen auf den Handel mit illegalen Videos. An diesem Punkt sollte allerdings (trotz des Kabels) nichts dran sein, was mich persönlich wundert. Ein derartiger Handel, in Videotheken „unter dem Ladentisch“ würde gut passen, z. B. neue, noch nicht vertriebene „Blockbuster“ oder illegale Pornographie. Ich erinnere mich auch noch, dass es damals viele „Schmuddelvideotheken“ gab, deren Betreiber gute Rotlichtverbindungen hatten.
So hoch aufgehängte Dinge wie Stasi oder Verfassungsschutz würde ich ausschließen. Die Stasi hätte wohl kein Interesse an einem Freigänger, der wohlmöglich noch von der Polizei überwacht wird. Die machten sich andere Leute anders gefügig. Und er wäre wohl auch kaum vom Verfassungsschutz in extremistische Kreise einzuschleusen gewesen.
Die letztendliche Tötung von Heinz P. ist leider in kriminellen Kreisen auch nichts Seltenes.
Entweder haben andere Kriminelle von dem hohen Geldbetrag, den er bei sich trug, Wind bekommen (dafür würde das Notizbuch sprechen), oder er wurde von der eigenen „Firma“ erledigt. Dafür gäbe es auch viele Gründe: Er möchte einen höheren Anteil und droht mit einer Aussage bei der Polizei (die ihm vor Gericht geholfen hätte), vielleicht wollte man ihn ohnehin als Mitwisser erledigen, nachdem man ihn als Kurier ausgenutzt hatte. In einem derartigen Umfeld kann einem halt viel passieren. Das Notizbuch muss daher auch nicht viel bedeuten, vielleicht hat es der Killer (der ja nicht „Gerd“ selber sein musste) nur vergessen, oder es war für die „Firma“ nicht gefährlich.
Zuletzt: Der Leichnam konnte mit den damaligen erkennungsdienstlichen Methoden sicher zugeordnet werden. Ein „Untertauchen“ scheidet aus. Auch wäre im Zweifel schon eine DNA-Analyse der Körperzellen möglich gewesen.