Papaya64 schrieb:Welche Rolle spielen solche Betrachtungen bei der Feststellung der Schuld und des Strafmaß?
Na ja, weit weniger als manche meinen. Hier wird oft vom "Affekt" gesprochen, juristisch ist das aber eine sehr eng begrenzte Sache. Zunächst steht erst mal im Raum, dass das Ermorden eines Menschen ein extrem schweres Unrecht ist. Das Gesetz hat dafür ganz bewusst nicht nur sehr sehr wenige Rechtfertigungsgründe auf der einen Seite und ein sehr hohes Strafmass auf der anderen Seite festgelegt.
Es schaut dabei zuerst einmal auf den objektiven Tatbestand: hat der Täter das Opfer umgebracht. Die Frage des Warum ist irrelevant. Ist die Frage ja, dann geht das Gesetz erst mal davon aus, dass dies ein Unrecht ist. Hier in Amerika nennen wir das die Frage nach dem actus reus.
Dann kommt man zum subjektiven Tatbestand, in den USA gennant mens reae (ja, wir Juristen lieben es genau wie Mediziner mit Latein anzugeben): hier spielt u.a. das Warum eine Rolle. Notwehr ist ein Rechtfertigungsgrund, welcher die Schuld komplett negiert. Das ist aber auch schon fast alles, was eine solch schwere Tat rechtfertigen kann. Das Gesetz sagt, dass in nahezu allen anderen Fällen Schuld vorliegt, die dann bestraft werden muss.
Wichtig ist, wie ich oben schon gezeigt habe, die Frage des Vorsatzes. Hat der Täter die Tat gewollt? Auch dabei muss man allerdings beachten, dass es verschiedene Formen des Vorsatzes gibt und der weiter gefasst wird, als es die meisten Leute vermuten. Kurz gesagt: wollte der Täter den Tod oder hat er ihn zumindest billigend in Kauf genommen? Oder hat er ihn grob fahrlässig verursacht? In diesen Fällen liegt ein Mord vor.
Dann gibt es einen Tatbestand, welcher die Schuld mildert - nicht aufhebt. Das ist der klassische "Totschlag im Affekt." Der wird aber weit enger gefasst, als manche hier meinen. Das Opfer muss den Täter in so extremem Mass provoziert haben, dass es unfair erscheint, seine Reaktion, die Tötung, genauso zu bestrafen wie in allen anderen Fällen. Das wird in nahezu allen Fällen verneint, so dass eine solche mildere Tat, der manslaughter, sehr selten vorkommt.
Was es in den USA nicht gibt, sind typisch deutsche Milderungsgründe, dort "verminderte Schuldfähigkeit" genannt.
Schliesslich ist das Strafmass ähnlich unflexibel festgelegt wie in Deutschland: es gibt nur lebenslänglich oder die Todesstrafe (bei Mord 1. Grades) oder mindestens 20 Jahre Haft (bei Mord 2. Grades). Nur bei echtem Totschlag im Affekt sagt das Gesetz: Strafe muss zwar sein, aber sie kann milde ausfallen und nicht mehr als 20 Jahre betragen.
Allein bei der Frage ob die Todesstrafe oder nur lebenslange Freiheitsstrafe verhängt wird, sieht das Gesetz vor, dass zur Todesstrafe bestimmte schuldverschärfende Dinge notwendig sind, wobei das sowohl subjektive Dinge sein können, also aus Tätersicht, wie Motiv usw. und objektive Dinge, z.B. das Alter des Opfers usw.
Insofern, sind solche Argumente wie hier eingebracht zwar wichtig, aber weit weniger wichtig als die meisten annehmen.