Ich möchte auf zwei Gesichtspunkte hinweisen, die jetzt auf den letzten Seiten mehrfach diskutiert wurden:
Kontobewegungen und Fluggastdaten. Zu beiden Datenarten gibt es Rechtsnormen, die es Polizeien oder Nachrichtendiensten erlauben, solche Daten abzurufen, zu speichern und zu verarbeiten.
Diese Befugnisse hebeln jedoch zwei Grundsätze des Datenschutzrechts nicht aus:
1. Der Grundsatz der Zweckbindung. Daten dürfen nur zum gesetzlich bestimmten (und damit begrenzten) Zweck verarbeitet werden, z.B. zur Gefahrenabwehr vor Terroranschlägen und z.B. nur zur strukturellen Analyse (unter Ausschluss personenbeziehbarer Daten, z.B. auffällig viele Flugbewegungen von Beirut nach Stuttgart Anfang November).
Eine Rasterfahndung ist das nicht, weil deren Ziel ist die Identifikation eines ganz bestimmten Sachverhalt oder genauer einer ganz bestimmten Person ist.
https://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__98a.html2. Die Verarbeitung personenbezogener Daten bedarf einer Entscheidung im Einzelfall durch eine unabhängige Instanz. Das ist entweder ein Gericht, oder im Fall der Nachrichtendienste ein gerichtsähnliche Kommission. Und da wird wirklich jeder Einzelfall geprüft. Das gilt auch für die Rasterfahndung. So musste ein Nürnberger Staatsanwalt zum Abgleich von Handy-Nummern zur gleichen Zeit am gleichen Ort bei der NSU-Mordserie über 160 Beschlüsse zur Rasterfahndung einholen (erfolglos, da die Mörder kein Handy am Tatort benutzten).
Was bedeutet das im Fall Scarlett?
Wir haben es mit einem Vermisstenfall zu tun. Wenn die vermisste Person freiwillig abgetaucht sein könnte, dann gibt es keine Rechtsgrundlage für staatliche Stellen, Fluggast- oder Kontodaten abzurufen. Genau genommen handelt es sich nicht einmal um einen "Polizeifall", weil die Gefahrenabwehrmaßnahmen (die Suchmaßnahmen unmittelbar nach dem Verschwinden wg. der Möglichkeit eines Unfalls) schon lange beendet sind. Die Polizei hat außer Suchmaßnahmen vor Ort keine Rechte (auch nicht Datenabfragen), so lange es keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Verbrechen gibt (gibt es nicht, auch wenn diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen ist). Ich gehe auch davon aus, dass Scarlett nicht "zur Fahndung" ausgeschrieben ist.
Das Einzige war ich nebulös im Kopf habe ist eine Datei mit Vermisstenfällen, die auch international abrufbar ist, falls z.B. im In- oder Ausland eine Leiche gefunden wird, deren Identität die einer/eines Vermissten entsprechen könnte. Dann dürfte im Einzelfall ein Abgleich mit den Daten der Vermissten möglich sein. Das könnte im BKA-Gesetz oder anderen Rechtsgrundlagen geregelt sein, ich lasse mich da aber auch gerne belehren.
"Keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für ein Verbrechen" ist schließlich auch der Grund, warum hier keine Staatsanwaltschaft involviert ist oder gar ermittelt. Deshalb kann sie auch keine Daten abrufen.
Ansonsten gibt es nur noch ein Todesermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, da geht es um die Todesursache und das bedarf einer Leiche oder zumindest sichere Spuren eines Todes.
Alles in Allem: Es gibt für staatliche Stellen kaum Möglichkeiten, ermittelnd tätig zu werden. Selbst wenn die Angehörigen alle möglichen Daten und Informationen zur Verfügung stellen, dürfen die Behörden damit eben keine "Rasterfahndung" einleiten und mit Daten abgleichen, die sie (zu anderen Zwecken) gespeichert haben oder abrufen dürfen. Das ist auch das Problem mit Zeugenaussagen. Die Polizei hat bei der zeitnahen Suche (Gefahrenabwehr Unfall) informatorisch befragt, kein Problem. Aber sie hat keine Befugnisse, in einem Vermisstenfall Zeugen vorzuladen und zu vernehmen, zu durchsuchen oder eben Daten zu verwursten, wenn keine Anhaltspunkte für ein Verbrechen vorliegen.
Und deshalb sind den Behörden weitgehend die Hände gebunden.