RedRalph schrieb am 19.07.2023:Das finde ich klasse. Ich finde auch, dass in Fulda die Uhren anders gehen.
Ich finde es unfassbar, dass in einem so dünn besiedelten Gebiet wie Fulda und Umgebung allein drei schreckliche Frauenmorde aus den 70'ern (Christel Merz), 80'ern (Gabriele Schmitt) und 90'ern (Marion J.) aus sexuellen Motiven bis heute ungeklärt sind. In den ersten beiden Fällen noch so richtig junge Opfer.
Generell finde ich die Gesellschaft dort konservativ-patriarchalisch-katholisch, insbesondere in den Dörfern um Fulda herum.
Ich fand es bemerkenswert, dass bei einem spektakulären Frauenmord, der zur (vermeintlichen) Klärung führte, eine Frau verurteilt wurde. Das war im Prozess Weimar (heute Böttcher). Ein Jahr vorher wurde bei einem Prozess um einen brutalen Mord an 3 Frauen im Vogelsberg (Volkartshain) der männliche Angeklagte - in korrekter Anwendung von in dubio pro reo - freigesprochen. Beide Fälle spielten zwar nicht im Landkreis Fulda, jedoch war das Landgericht Fulda für den Prozess das zuständige Gericht. Keine Urteilsschelte aber irgendwie symbolisch zur Rolle der Frau in diesem Umfeld. Im Fall Weimar schien der Grundsatz nicht ganz so großzügig ausgelegt worden zu sein und man hatte den Eindruck, dass die Angeklagte auch für nach den Fuldaer Wertmaßstäben unsittlichen Lebenswendel (außereheliche Affäre mit US-Soldatem) abgestraft worden ist. Der grölende Mob im und vor dem Gerichtsgebäude in Fulda auf den Straßen war unerträglich 1988...
Da muss ich jetzt aber mal gegenhalten...
Ich finde Deine Argumentation hier nicht zulässig. Wenn man lange genug sucht, findet man für jeden anderen Landkreis und jede andere Gegend ebenfalls ungeklärte Sexualmorde an Frauen. Und - da lehne ich mich jetzt mal aus dem Fenster - wahrscheinlich in dichter besiedelten Gebieten und Großstädten ungefähr proportional genauso viele oder mehr.
Sexualmorde sind zudem ein sehr seltenes Ereignis, und ungeklärte Sexualmorde umso mehr, da lässt sich aufgrund der kleinen Gesamtgröße in einem geografischen überhaupt keine statistisch signifikante Aussage ableiten.
Alle von dir angeführten Fälle liegen zudem lange zurück und sind in einer Zeit passiert, in der die Kriminaltechnik bei weiten noch nicht so weit fortgeschritten war wie heute. Es gab weder eine DNA-Analyse, noch digitale Spuren, so gut wie kein Überwachungskameras und selbst Fingerabdrücke mussten händisch ausgewertet werden. Die Dokumentation erfolgte ausschließlich auf Papier. Unter diesen Bedingungen sind auch in vielen anderen Gegenden viele Verbrechen unaufgeklärt geblieben, die man heute wahrscheinlich sogar in relativ kurzer Zeit lösen könnte.
Das ist keine Besonderheit des Landkreises Fulda.
Beim Mordfall Carola und Melanie Weimar handelt es sich in meinen Augen auch nicht um einen Frauenmord, sondern einen Mord, bei dem die Kinder Opfer eines eigenen Elternteils wurden. Monika Böttcher hätte ihre Kinder sicher auch dann getötet, wenn es zwei kleine Jungen gewesen wären.
Der gröhlende Mopp vor dem Landgericht hat sich auch in Giessen und später dann in Frankfurt eingestellt, und ich bin mir sicher, dass es sich dabei nicht ausschließlich um Fuldaer Bürger gehandelt hat, die dort extra zur Demo angereist waren.
Noch unerträglicher als den gröhlende Mopp vor dem Landgericht Fulda fand ich überings die Schöffinnen des Landgerichts Giessen, die sich ob der Güte ihres Freispruchs einer Mutter ein paar Tränen der Rührung nicht verkneifen konnten (
https://www.giessener-allgemeine.de/giessen/als-monika-weimar-wegen-mordes-an-ihren-toechtern-in-giessen-freigesprochen-wurde-90839113.html).
Emotionen, sei es Wut, Rührung, Mitleid, können vor einem Gerichtssaal unangenehm sein, aber in einem Gerichtssaal haben sie bei den Richtern - und auch Schöffen üben eben ein Richteramt aus - nichts zu suchen, denn sie verhindern eine gerechte Rechtssprechung.
Das hat jetzt alles erst mal wenig mit dem Thema dieses Threads zu tun, aber wenn hier so pauschalisierende Vorurteile in Bezug auf diesen Fall hochkommen, muss man denke ich auch hier dazu Stellung beziehen:
Viele Menschen im Landkreis Fulda mögen katholisch und konservativ sein, aber was für einen Einfluss soll das auf die Ermittlungsarbeit im Fall Helga Frings haben?!
Helga Frings hat doch ein Leben geführt, an dem diese Menschen nicht das geringste auszusetzen gehabt hätten: sie war fast 30 Jahre lang mit dem selben Mann verheiratet, hat sich sozial engagiert, war in der Kirchengemeinde und im Pfarrgemeinderat aktiv, der mittelständische Familienbetrieb, in dem auch sie gearbeitet hat, ist Arbeitgeber in der Region....
Welches Motiv sollten also katholisch-konservative Ermittler haben, in diesem Fall nicht so genau hinzusehen? Doch wohl kaum, dass das Opfer eine Frau ist?!?!
Und überings: mit Dr. Christine Seban als zuständiger Staatsanwältin werden die Ermittlungen in diesem Fall sogar von einer Frau - und noch dazu einer sehr qualifizierten und erfahrenen - geleitet!