ThoFra schrieb:Allerdings dürfte es im Fall Helga Frings wahrscheinlich eher wenig bzw. vermutlich überhaupt keinerlei Augenzeugen geben, immerhin verschwand die Frau nachts aus ihrem Wohnhaus, das sich auf dem Firmengelände des Familienunternehmens befand und wenn ich mich richtig an die Luftbilder hier im Thread erinnere, dann lag das Gelände eher abgelegen / in einem Industriegebiet?
Natürlich wird es kaum jemand geben, der in der Nacht des Verschwindens zufällig an der Hofeinfahrt gestanden hat und gesehen hat, wie sie im Nachthemd zunächst das Haus und dann das Grundstück verlassen hat und sagen kann, ob sie danach nach rechts oder links abgebogen ist.
Auch man von einem Suizid ausgeht, den sie noch in der gleichen Nacht vollzogen hat, dann wird es kaum Zeugen geben, die sie auf dem Weg in den Wald (oder wohin auch immer) beobachtet haben.
Aber es gibt immer noch die Möglichkeit eines freiwilligen Untertauchens und einem neu begonnenen Leben an einem anderen Ort. Dann kann es Menschen geben, die ihr irgendwo, und sei es bei einem Urlaub im Ausland, über den Weg gelaufen sind und sich erinnern, wenn sie die Geschichte in der Zeitung lesen.
Oder sie ist, wie von ihrem Mann ja angenommen, einem Verbrechen zum Opfer gefallen. Dann wird ein Täter sie ja aber kaum mitten in der Nacht abgefangen, getötet und die Leiche versteckt haben. Das wäre ein sehr kleines Zeitfenster. So eine Tat müsste sich doch bis zum nächsten Tag hingezogen haben (zumindest die "Entsorgung" der Leiche), d.h. jemand könnte also auch innerhalb des nächsten Tages oder sogar der nächsten Tage irgendetwas beobachtet haben.
Und für alle drei Möglichkeiten - freiwilliges Untertauchen, Suizid und Verbrechen - kann das Wohn- und Firmengrundstück doch nur der Ausgangspunkt, aber nicht der endgültige "Tatort" (das Wort passt für Untertauchen und Suizid natürlich nicht ganz) sein , denn im Haus und auf dem Firmengelände wäre sie bzw. ihre Leiche doch mit Sicherheit gefunden worden. Selbst wenn der Ausgangspunkt also eher abgelegen ist und der Verschwindezeitpunkt mitten in der Nacht liegt, heißt das ja nicht, dass nur Beobachtungen an diesem Punkt und zu diesem Zeitpunkt wichtig sind und da mitten in der Nacht am Ortsrand eher keine Menschen unterwegs sind, man nicht doch Zeugen finden kann.
Und ein Punkt, den die Polizei immer wieder in solchen Fällen betont: die Zeit spielt natürlich gegen die Ermittler. Spuren verblassen und werden durch neue Spuren überdeckt. Personen erinnern immer weniger, je länger ein Ereignis zurückliegt.
Aber gerade im Fall von Kapitaldelikten spielt die Zeit teilweise auch für die Ermittler. Menschen, die etwas wissen, und bisher aus falsch verstandener Solidarität, etwa mit einem Familienmitglied, aus Freundschaft oder weil sie sich jemandem z.B. durch ein Arbeitsverhältnis verpflichtet fühlen, geschwiegen haben, sind vielleicht irgendwann doch zu einer Aussage bereit, weil sich die persönlichen Konstellationen und Beziehungen mit der Zeit verändert haben.
Und gerade da hilft es schon, wenn so ein Fall durch die Presse oder andere Öffentlichkeitsarbeit regelmäßig in Erinnerung gerufen wird . Z.B. in dem zu einem Jahrestag eines Verschwindens an den Fall erinnert wird und/oder Angehörige oder Freunde öffentlich machen, wie belastend die Situation ist, nicht zu wissen, was einem Menschen aus dem direkten Umfeld zugestoßen ist.