Kolibri81 schrieb:Ich musste mal in einem Tötungsdelikt bei der Polizei als Zeugin aussagen. Der Prozess vor Gericht war dann fast 2 Jahre später. Als ich vor Gericht aussagen musste, wusste ich leider nicht mehr alles ganz genau. Man verdrängt und vergisst dann auch leider einiges.
Aber klar beim TV waren es ja nur ein paar Tage, da müsste man sich noch ganz genau erinnern was man an dem Vormittag genau gemacht hat!!!
Schlimmer noch. Sobald man versucht, sich ganz präzise an etwas zu erinnern (was man zum Zeitpunkt des Geschehens als nicht relevant einstufte), macht das Gehirn sein eigenes Ding, es füllt Wahrnehmungslücken und erfindet quasi automatisch eine stimmige, runde Geschichte. Nicht umsonst sind "Zeugenaussagen" so überaus heikel zu bewerten. Man nimmt NIE die Realität in ihrer Gänze wahr. Nur bestimmte Autisten tun das (und werden irre dabei). Von dem Ausschnitt, der an unser Bewusstsein dringt, speichert man allenfalls (!!) das, was besonders relevant ist.
Beispiel: Jeder kann sich (angeblich) daran erinnern, wo er war, als er vom Anschlag auf das WTC hörte. Aber ich behaupte, nur die allerwenigsten können sich daran erinnern, welche Kleidung sie an dem Tag trugen!
sunshinelight schrieb:Wenn du mich jetzt fragen würdest, was ich vorgestern um diese Zeit gemacht habe, werde ich es dir auch nicht mehr so genau wieder geben können. Manchmal lebt man nicht bewusst.
sunshinelight schrieb:Wenn er unschuldig ist, war es ein normaler Tag.
Man kann sich nicht auf wundersame Weise an etwas erinnern, weil man später am Tag merkt, dass Rebecca weg ist.
Wenn du mir erzählst, dass du deswegen wissen willst, was ich um diese Zeit vorgestern gemacht habe, weil jemand mir wichtiges verschwunden ist, glaubst du, ich könnte mich wieder perfekt erinnern?
Danke, ich fürchtete schon, ich sei hier der Einzige, der sich kaum an die Umstände des Vortags erinnert, falls es ein ganz normaler Tag war.
andrea7b schrieb:...an dem aber schon ungefähr ab 16.00 Uhr klar war, das etwas nicht stimmt...Denn da hat seine Frau ja bereits bei der Mutter angerufen und gefragt, wo Rebecca bleibt. Kurze Zeit später hat die Mutter in der Schule angerufen und erfahren, dass Rebecca nicht dort war. Also war es dort ab dieser Zeit für niemanden ein "normaler" Tag...So habe ich jedenfalls die ganze Familie verstanden. Wie passt das zu deiner These, wenn man unschuldig ist, war es ein normaler Tag.....
Maira schrieb:Da passiert eher das Gegenteil, nämlich totale Verwirrung weil man vor lauter Nachdenken und Grübeln alles durcheinander bringt.
Part 2 des Trauerspiels "Inwieweit können wir uns durchschnittlich auf unser episodisches Gedächtnis verlassen?"
In Phasen des erlebten Kontrollverlusts erleidet man einen Tunnelblick. Wenn man dann ex post versucht, Einzelheiten zu erinnern, kann man noch nicht einmal darauf zurückgreifen, was womöglich tatsächlich den Weg durch den "Informationsfilter" Hippocampus zum Gedächtnis gefunden hat. Beim bewussten Versuch, sich zu erinnern, konstruiert das überforderte Gehirn das, was ihm am plausibelsten erscheint, und, besonders fatal, speichert das Ergebnis dieses Prozesses als "echte Erinnerung" ab.
Fatal, fatal. Wer KI entwickelt, muss diese Module dringend anders konstruieren als die Evolution es tat.
:DDas hat leider auch nichts mit Rebeccas Verschwinden zu tun, aber sehr viel mit angeblichen Rebecca-Sichtungen: Selbst wenn die Zeugen der felsenfesten Überzeugung sind, Rebecca gesehen zu haben, bedeutet das leider nicht, dass ihre Erinnerung der Realität entspricht. Ermittler sind sich dessen bewusst und suchen daher lieber nach Fakten.
Ein solches Faktum ist mir immer noch ein Rätsel: Lt. Polizeiaussage war Rebeccas Handy "zwischen 6 und 8 Uhr" im WLAN des Hauses eingeloggt. Prima. Die Mutter berichtet von einer empfangenen, aber nicht gelesenen Whatsappnachricht im Zeitraum danach (2 graue Häkchen). Das Handy war aber angeblich sonst nirgends eingeloggt? Ich verstehe das leider nicht. Möchte mich jemand aufklären?