Mauser schrieb:Tja Benedikt Toth, Andreas Darsow und Werner Mazurek lassen an dieser Stelle mal allesamt schön grüßen!
Auch ich denke, das sind völlig unterschiedliche Fälle (zumal Darsow in Hessen spielt).
Ansonsten kann ich der Frau Rechtsanwältin nur zustimmen, ich habe ja zwei Posts weiter oben auch schon kritische Anmerkungen zur Bayerischen Justiz gemacht.
Die fehlende Dokumentation von Strafprozessen ist ein Rechtsstaatsproblem, und zwar ein gewaltiges. Klar, würden Aussagen protokolliert, gäbe es viel mehr Angriffsflächen nach einem Urteil. Weshalb die Urteile auch präziser zitieren müssten und damit ausführlicher und mühevoller zu erstellen sind.
So locker flockig lässt sich dann weder ein Prozess durchziehen noch ein Urteil runterdiktieren. Für unsere Strafjustiz wäre das eine Revolution.
Mauser schrieb:Deswegen glaube ich auch, dass man die Naturwissenschaften viel mehr in die Strafverteidigung einbinden muss. Die sind auch viel unbestechlicher als richterliche Überzeugungen.
Was die Anwältin da fordert, ist zweischneidig. Denn im Fall Mazurek ("Ursula Herrmann") war es eine Naturwissenschaftlerin (eine Physikerin), die Voodoo-Wissenschaft betrieb, indem sie meinte, aus einer Kette von Tonaufzeichnungen schlechter Qualität ließe sich ein ganz konkretes beim Angeklagten sichergestelltes Tonbandgerät identifizieren. Wie mit einem Fingerabdruck. Das war Quatsch.
Und im Gegensatz zur Wissenschaft als solcher, die sich der Kritik der Kollegen stellen muss, die falsifiziert oder verifiziert werden muss, kann sich ein Gutachter täuschen, übernehmen, irren, schlampen - "glaubt" (dazu gleich unten) ihm das Gericht, ist das alles egal. Auch in der Wiederaufnahme.
Mauser schrieb:Der Richter muss nach Paragraf 261 der Strafprozessordnung ja nur glauben, dass jemand schuldig ist. Zum Glauben kann ich in die Kirche gehen, aber wenn man jemanden sein Leben lang einsperrt, sollte man nicht nur glauben.
So ganz stimmt das nicht. Das Gericht muss überzeugt sein. Ohne vernünftige Zweifel. Und Überzeugung ist schon mehr als Glauben. Oder ist der Kirchgänger wirklich überzeugt, von der Erlösung durch Jesus Christus und dem Leben nach dem Tod? Kann er das begründen, rational, mit Argumenten, die überzeugen? Nein, er glaubt. Außer er ist Fundamentalist. Glaube ist eine andere Kategorie als die Überzeugung.
Was sie meint ist die Glaubwürdigkeit eines Zeugen und die Glaubhaftigkeit seiner Aussage. Oder der "Glaube" an die Richtigkeit eines Gutachtens. Aber auch hier ist es nicht Wischiwaschi, sondern das Gericht muss begründen, warum es keine vernünftigen Zweifel hat. Das hat es auch im Fall Gendetzki, aber wer das Urteil gelesen hat, der hat ganz schnell gemerkt, dass es ein Luftschloss ist. Eine Fiktion, ein Kartenhaus, bestehend aus fiktiven Annahmen und dünnen naturwissenschaftlichen Thesen, die letztlich auch substanzlos waren. Die Forensik hat hier keine rühmliche Rolle gespielt und es gibt sicher ein ganzes Bündel an Motiven, wieso man an die Schuld des Angeklagten "geglaubt" hat.
Vor Gericht und für gerichtliche Entscheidungen ist also die Vernunft der Maßstab, nicht der Glaube. Wir sind nicht mehr im Mittelalter und der BGH zerlegt durchaus ab und an Urteile, die "ins Blaue hinein" ohne ordentliche Begründung erfolgen. Dieser Polemik kann ich nicht zustimmen.