Hey, danke für deine Gedanken!
Mickymity schrieb:Ich besitze ein Buch über Psychopathen von Prof. Kevin Dutton und verfolge die ganze Zeit über bereits die Ausführungen der Macherin von Free Live Abuse, welche unter dem wissenschaftlichen Aspekt auch absolut nachvollziehbar erscheinen
Sehr gute Quellen! (Live abuse free wird wahrscheinlich heute Nacht noch ein neues Video zur Confession herausbringen, ich schaue sie auch gern, sie bringt die Dinge gut auf den Punkt!). Mit diesen beiden Quellen bringst du mich zu dem Aspekt, der für mich noch in Frage steht: Ist CW lediglich ein Narzisst oder schon ein Soziopath? Ich bin gespannt, ob die nächste Zeit + Recherche da noch mehr Anhaltspunkte ergeben wird.
Mickymity schrieb:dass so eine Person wie CW, der Jahre lang de facto Vater war, keine Gefühle empfinden können soll, will mir einfach nicht in den Kopf.
Ich denke schon, dass er Gefühle in Bezug auf seine Kinder hatte. Aber ich denke, es waren nicht die Gefühle, die wir allzugern den "Vatergefühlen" eines empathischen Vaters gleichsetzen. CW hat in seiner Confession selbst ein schönes Beispiel angesprochen, das vielleicht klarer macht, was ich meine. Agent Tammy Lee fragt CW, ob seine Mutter (Cindy) eine warmherzige, liebevolle Mutter gewesen sei. CW: Ja, sie hat immer gefragt, wie es uns geht. Agent Lee stutzt etwas und fragt nochmal eingehender, ob sie ihn umarmt, geknuddelt und sämtliche Dinge getan habe und CW antwortet erneut: Sie hat immer gefragt, wie es uns geht.
Auch Cindy "liebt" CW. Aber es bleibt die Vermutung bestehen, dass ihre Form der "Liebe", weder nach außen so aussieht, wie das, was die meisten unter "Liebe" verstehen, noch, dass sich diese "Liebe" für sie oder CW genauso anfühlt, wie das, was die meisten fühlen, wenn sie lieben. Andernfalls hätte CW wohl nicht googlen müssen um zu erfahren, was man fühlt, wenn jemand zu einem sagt "Ich liebe dich". Andernfalls hätte man zudem extremen Widerstand, seine Hand gegen diesen Menschen zu erheben. Liebe ist nicht nur ein psychologischer oder philosophischer Zustand, sondern v.a. ein Biologischer. Wärme, warmer Kontakt, Berührung und emotionales Feedback lösen Oxytozin aus. Der Stoff, der emotionale Bindung erst möglich macht. Was lernt man also über Liebe und Bindung, wenn sich Liebe durch kühle Distanz und dadurch auszeichnet, dass gefragt wird, wie es einem geht?
Ich denke, CW hat vieles an dem, woran ihm selbst gemangelt haben könnte, kompensiert und das seit früher Kindheit. KEIN (!) einziges Mal kam es laut sämtlicher Leute zu Wut, die er gezeigt hätte, zu Konflikten oder Streit. Kein einziges Mal. Und fast ist man geneigt zu erkennen, dass CW gelernt haben könnte, dass Bindung v.a. die ABwesenheit von intensiven Gefühlen bedeutet. Und nicht nur das. Stellen wir uns vor, dass wir als Kleinkind (Narzissmus = ca. 2.-3. Lebensjahr) von emotionaler Versorgung abhängig seien, aber diese Versorgung einfach nicht kommt, sondern stattdessen kühle Distanz. Was dann? Um seelisch überleben zu können, braucht es nun eine Überlebensstrategie (die im Falle von Narzissmus irreversibel ist!):
Ich spalte dauerhaft meine eigenen Emotionen ab und lege mir eine Schutzstrategie zu, die mich (1) vor meinen eigenen Emotionen schützt (denn Gefühle zu haben, ist bedrohlich, sie könnten mich umbringen) und die mich gleichzeitig (2) auch vor den Emotionen anderer schützt (denn um diese zu bedienen müsste ich meine eigenen Gefühle zulassen, was mich aber das Leben kosten könnte). Da ich zwar weder meine noch die Gefühle anderer aushalten kann, aber trotzdem abhängig bin, muss ich zudem eine Schutzstrategie finden, die mir (3) Beziehung zu anderen ermöglicht.
Bevor jetzt Mitleid aufkommt, muss (!!) beachtet werden, dass o.g. UN-bewusste Prozesse sind. Sie sind dem Betreffenden NICHT bewusst, er leidet NICHT
darunter (!).
Wie sehen diese Schutzstrategien, die sich im Kleinkindesalter entwickeln und klinisch als Persönlichkeitsstörung bezeichnet werden, im Erwachsenenalter nun praktisch aus?
zu (1): Ich umgebe mich mit Menschen, die mich niemals tief berühren/ erkennen/ kränken werden. Ich zeige mich niemandem so, wie ich vollständig bin, sondern nur mit den Anteilen, von denen ich weiß, dass er sie sehen will. Ich stelle sicher, mich nie in eine Situation zu begeben, in der ich mich hinterfragen müsste. Ich versuche stets, nie einen für andere offenkundigen Fehler zu machen.
zu (2): ich bediene die Bedürfnisse, die der Andere hat, möglichst vollumfänglich, damit er keine zusätzlichen emotionalen Erwartungen an mich richten kann. Ich gebe ihm alles, außer Emotionen. Ich versuche, den Anderen davon abzulenken, dass ich nichts fühle, indem ich seinen Fokus auf die Dinge lenke, die er sehen will, statt zu sehen, wer ich bin und indem ich rasch versuche, herauszufinden, was er von mir erwartet, damit ich ihm exakt das zeigen kann. Ich benehme mich so, wie die meisten meines Umfelds es tun und umgebe mich mit Dingen, die allgemein eine vollständige Persönlichkeit ausmachen (gemäß des Statusdenkens: Frau, Kinder, Haus, Hund = glücklicher Mensch) oder von denen Andere erwarten, es haben zu müssen.
zu (3): ich bringe den Anderen in emotionale Abhängigkeit zu mir. Droht er mir zu nahe zu kommen, mache ich ihm Vorhaltungen, verhalte mich kalt und gnadenlos, so dass er sich betroffen oder schuldig fühlt und sich mir wieder unterwirft. Droht er, mich zu verlassen, mime ich den sterbenden Schwan, das Opfer oder auch den Traummann, so dass dieser Mensch in Selbstzweifel stürzt, wie er mir, diesem tollen Menschen das nur antun könnte, und mich somit nicht verlassen wird. Ich zeige allen seinen Freunden nur die besten meiner Seiten, denn diese Anderen werden meinem Partner im Zweifelsfall zur Seite stehen und mich vor ihm verteidigen. Wagt er es, mich zu entlarven, mir all meine Schutzstrategien zu entreißen und zwingt mich, mich als der Mensch zu zeigen, der ich in Wahrheit bin und entreißt mir damit alles, was mich vor meinem emotionalen Untergang bewahrte, dann kann ich nur überleben, indem ich ihn bekämpfe - bis zum bitteren Ende (Das ist einer der Gründe, weswegen unter Mördern derart viele Narzissten zu finden sind.)
Aber zurück zu deinem Ausgangspunkt:
Ich bin mir sehr sicher, dass CW die Kinder wichtig waren und auch, dass Shanann ihm wichtig war. Und zwar im Kontext seiner Persönlichkeit. Narzissten können nicht lieben. Punkt. Aber sie können Befriedigung empfinden. Stolz. Neid. Wut und Zufriedenheit. Kennt jeder von uns: hatte man in der Schule die Ultracoole neue Klamotte an, verschaffte es einem extreme Befriedigung, die anerkennenden Blicke der anderen zu sehen. Lag die Klamotte in unserem Zimmer, in dem wir allein waren, dann war die Klamotte zwar auch cool, aber die Befriedigung über dieses Kleidungsstück nicht so intensiv, wie beim Tragen vor anderen.
Ähnliche Angaben gibt es zu CW. Vor anderen der spielende Vater, wenn er allein war und die Kinder nach Hause fuhr, scheinbar nicht mehr. Beide Kinder waren Shanann-fixiert, blieben nicht gern mit ihm allein. Die Frage ist: Warum nicht? Auch zu Deeter gibt es sogar Filmmaterial. Schaut jemand hin, trägt er das Hündchen auf dem Arm. Schaut jemand weg, würgt er das Tier und ist nicht wirklich aufmerksam ihm gegenüber.
Die Kinder haben ihn, insbesondere VOR der Trotzphase, sehr in seine soziale Rolle (ich könnte auch "Schutzstrategie" sagen^^) als anerkannter Vater verholfen. Interessant ist, dass z.B. das Interesse CWs an der unabhängigen Cece auch lt. Aussage Außenstehender sowie lt. Aussage von Watts selbst weitaus weniger ausgeprägt war, als in Bezug auf Bella. Sie ließ sich von ihm kaum umsorgen. Sie machte, was sie wollte. Bella war wie ER, wie viele sagten. Ich denke, das hat ihn mit Stolz erfüllt. Aber nicht unbedingt mit liebendem Stolz, sondern mit einer Befriedigung seiner selbst. Ich will das nicht alles pathologisieren, da jeder von uns diese Dinge kennt: Der Normalo würde in einer solchen Situation Stolz der Form empfinden: Ach, toll, dass ich mich in IHR widerspiegele. Der Narzisst würde fühlen: Ach, toll, dass sie MICH so gut widerspiegelt.
Auch CW dürfte sich zufrieden, sozial, beruflich und persönlich potent gefühlt haben mit seiner Frau und den Kindern, aber das wahrscheinlich zu großen Teilen deswegen, weil diese Familie so funktionierte, wie es seinen Bedürfnissen entsprach und ihm kaum Gefahr brachte und nicht unbedingt, weil es tolle Menschen waren, deren bloßes Sein ihn glücklich gemacht hätte. Auch das macht vielleicht nochmal deutlicher, weswegen es Narzissten trotz langer, vermeintlich intensiver Beziehungen und toller Menschen möglich ist, ohne mit der Wimper zu zucken auf brutalste Art und Weise Beziehungen zu beenden und eiskalt zu handeln. Es ist nicht an das Wesen der Menschen gebunden, sondern an deren Zweck, die sie für ihn erfüllen. Es ist nichts Persönliches. Auch ein Narzisst mag Dinge und lehnt Dinge ab. Aber dieses Mögen und Nicht-Mögen ist bei ihnen, anders als beim Normalo eben nicht an tiefe Gefühle gebunden. Sondern an zweckmäßiger Befriedigung.
Auch das kennt jeder aus seiner eigenen frühen Kindheit. Gestern war die Sabine noch die allerallerallerbeste Freundin und heute ist sie Schnee von gestern weil die Bianca ja vieeeel cooler ist! Ohne mit der Wimper zu zucken hat man als Kind seine Eintagsfliegenfreundschaften abgelegt wie das Spielzeug, das uninteressant geworden ist.
Sorry, jetzt ist es wieder ein Roman geworden und ich hab noch nicht auf deinen gesamten Beitrag geantwortet!