@Mickymity Jetzt hab ichs doch noch geschafft:
Mickymity schrieb:Was ich darüber hinaus auch noch nicht ganz verstanden habe, ist: Ab wann genau war der Supply von Shanann für ihn nicht mehr ausreichend? Ging es tatsächlich darum, dass sie sozusagen vom „armen kranken Hascherl“(Lupus), das dankbar zu ihm aufgesehen hatte, wenn er sich kümmerte, plötzlich zur selbstbewussten „Karrierefrau“ mit zig online-Followern mutierte? Sie also zum kleinen Star im Netz ward und er nur noch der nur noch der „liebenswerte“ Hampelmann an ihrer Seite war?
Zum Thema Supply:
Es lässt sich schwer sagen, ab wann er für CW nicht mehr ausreichend war. Auch hier muss man klar definieren, was "nicht ausreichend" bedeutet. Vielleicht lag ein Hauptgrund nicht darin, dass CW etwas "fehlte", sondern dass er mit einer Supply-Quelle (NK) konfrontiert wurde, die eine andere Art von Supply zur Verfügung stellte, eine, die weniger Anstrengungen erforderte. Ich denke, dieser Aspekt, den Live abuse free einbrachte, ist in dieser Sache sehr überlegenswert.
Dennoch denke ich, dass es Entwicklungen in der Ehe gab, die einen pathologischen Narzissten vor Herausforderungen stellen würde und es ist anzunehmen, dass das auch auf CW zutraf:
Einerseits die Kinder und andererseits das Geschäft seiner Frau. Solange die Kinder kaum eigenständig sind, sind sie stark auf ihre Bezugspersonen angewiesen. Das ist eine Situation, die viele Narzissten sehr beflügelt. Sie sind abhängig von ihm. Gleichzeitig gratuliert jeder zur Vaterschaft und man gehört in den Kreis der Familien, Väter etc. Werden sie eigenständiger oder orientieren sie sich eher an dem anderen Partner, dann mindert das den Supply mitunter stark. Dennoch dürfte CW immer wieder Kompensationen gefunden haben, über die auch berichtet wurde und die ihm eine andere Art von Kontrolle und Versorgung verschafften.
- seine Ernährungskontrolle (damit konkurrierte er mit sämtlichen Kunden und mit Shanann)
- sein Lauftraining, das er letztlich täglich betrieb und über das es manchmal Streit gab, weil sich CW damit auch Freiheiten verschaffte, statt die Zeit mit seiner Familie zu verbringen
- das Geld, das Shanann verdiente, als es bei Le-vel aufwärts ging (Shanann äußerte einer Freundin gegenüber: Oh, er liebt es, wenn ich aller 14 Tage den Scheck nach Hause bringe!)
- der 2-3 Mal tägliche Sex mit Shanann (Sie sagte darüber: "Er kann gar nicht genug von mir bekommen")
Gerade aber der Sport, das Workout zeigen aber auch an, dass er sich Kompensationen suchte. Und dafür muss es einen Grund gegeben haben. Ich denke nicht, dass der Grund allein darin liegt, dass er NK kennenlernte, sondern ich vermute, dass die zunehmende Unabhängigkeit Shananns etwas war, das ihn unter Druck setzte. Er versuchte einerseits mitzuhalten, andererseits aber auch, sich etwas Eigenes zu schaffen, an dem sie keinen Anteil hat. Ich denke, auch sein Wunsch nach einem Sohn ist in der gleichen Weise zu verstehen. Ich gehe nicht davon aus, dass er ein weiteres Kind um des Kindes Willen wollte, sondern eher, diesen Wunsch anbrachte, um Shanann seine Unzufriedenheit und ihr ihre eigene Unzulänglichkeit zu spiegeln. Nach dem Motto: Ist ja schön, dass hier zwei Mädchen sind, das entspricht aber nicht meinem Wunsch. Du hast mich glücklich zu machen und dazu gehört es, dass es das nächste Mal ein Junge wird. Es ging nicht um das Baby, sondern darum, Shananns Aufmerksamkeit zu erlangen und sie dazu anzuhalten, ihn noch mehr zu versorgen. Und es hat ja funktioniert. Bis zum letzten Tag betete sie, dass es ein Junge würde, so dass Chris glücklich sein könne. Klassisch narzisstische Manipulation, der Shanann vollständig Glauben schenkte. Sie nahm das ernst, zog sich diesen Schuh der Verantwortung an, statt Abstand zu nehmen und sich zu fragen: Moment mal, wenn ein Kind unterwegs ist, dann ist es doch egal, was es wird, Hauptsache, es ist gesund!
Ich denke nicht, dass er sich als Hampelmann an ihrer Seite sah oder empfand. Ich gehe eher davon aus, dass er sich als unterversorgt empfand, weil er ihre Aufmerksamkeit teilen musste und seine Anstrengungen nicht mehr nur darauf richten mussten, Supply zu erhalten, sondern er zusätzlich sich um das kümmern musste, was IHR Supply verschaffte, um an seinen eigenen kommen zu können. Wenn ein Narzisst etwas hasst, dann, sich für die Ziele eines anderen einsetzen zu müssen, ohne selbst unmittelbar davon zu profitieren. Ein Narzisst ist in dieser Hinsicht mit einem Kleinkind vergleichbar. Es kennt keinen Bedürfnisaufschub. Wenn er etwas haben will, dann gleich und sofort - nicht erst Stunden, Tage oder Wochen später.
Mickymity schrieb:Krass, dass wir das im Gegenzug auch nicht nachempfinden können, zumal sich gewiss jeder von uns auch schon mal mit Niederlagen umgehen muss, und dass man sich auch schon mal klein, traurig und allein gefühlt hat, kennen dich sicherlich auch die meisten. Lässt sich irgendwie beschreiben, was bei einem Narzissten da anders/extremer/zerstörerischer empfunden wird? Bringt er sich dann gleich um(überspitzt gesagt) oder stürzen ihn Dinge schneller in Depressionen als andere?
Das Gefühlsempfinden bei Narzissten, was die Bandbreite an Gefühlen angeht, die wir alle kennen, ist extrem flach. Daher sagt man i.d.R. "Er fühlt nichts", "es lässt ihn kalt", ganz einfach weil es nach außen so wirkt und sich auch in seinem Inneren meist auch so darstellt. Dennoch kann ein Narzisst Gefühle empfinden, jedoch lediglich die Ur-Gefühle, und diese sehr intensiv: Aggression, Zorn, Delight (Befriedigung i.S. von Schadenfreude, Genugtuung, Gier), den Sexualtrieb spüren Narzissten i.d.R. sehr intensiv, ebenso Stolz und zu teilen auch Angst. Dadurch, dass der emotionale Apparat wenig entwickelt ist und eine Reflexion des negativen Sebstkonzepts nicht möglich ist, sind Narzissten zu echten Depressionen nicht fähig. Auch sie können Phasen erleben, die Depressionen ähneln, jedoch eher Ausdruck einer sog. narzisstischen Krise sind, nämlich dann, wenn er in das negative Selbstkonzept stürzt. Eine solche Krise endet oft in Suchtmittelabstürzen, Suiziden oder aggressiven Durchbrüchen.
Wenn der Normalo von einem Kollegen kritisiert wird in der Art: "Das, was Sie da abgeliefert haben, ist nicht zufriedenstellend" dann denkt er sich wahlweise "Dieser Arsch!" (Wut), "Soll er es doch selber machen!" (Trotz) oder "Oh Mist, warum hab ich das nicht besser gemacht???" (also Betroffenheit) oder Scham: "ooooh Mann! Voll peinlich! Warum hab ich es nicht besser gemacht??"
Erhält ein Narzisst diese Kritik, spielt sich in ihm ein intensiver Krieg ab. "Dem werde ich zeigen, mit wem er es zu tun hat!" (Hass, Rachedurst - oft folgt Mobbing oder Torpedieren des Anderen ), "Ich werde dem zeigen, dass er die kleinste Wurst auf dem Planeten ist" (Entwertung = "Vernichtung" des Anderen), Vernichtungsgefühl (was zumeist im Fernbleiben von der Arbeit mündet oder Kündigung ohne Angabe von Gründen), das Gefühl, entlarvt und entwertet zu sein, sorgt dann für plötzlichen Abbruch aller Verbindungen zu dieser Arbeit. Innerlich erlebt ein Narzisst in solchen Situationen meist intensive Rage, die solange anhält, bis er sich gerächt hat und sich der andere unterwirft/ entschuldigt oder Ähnliches. Erfolgreiche Narzissten empfinden in solchen Kritik-Momenten oft nichts außer überlegenen Stolz ("Ha, der ist doch nur neidisch auf mich, weil er ein kleines Würstchen ist"). Diese Gedanken mag auch ein Normalo ab und zu haben, allerdings sorgt er beim Normalo dafür, dass die Wut verraucht. Beim Narzissten ist das umgekehrt. Er meint diese Gedanken bitterernst und sie werden in einer todernsten Weise auch innerlich so erlebt. Anders als beim Normalo verrauchen diese archaischen Gefühlszustände nicht einfach wieder. Sondern sie bleiben bestehen, bis der Narzisst, wenn auch erst Jahre später, eine Handlung setzt, um wieder in eine Machtposition zu kommen.
Mickymity schrieb:Zeitgleich kommt mir jedoch auch in den Sinn, wie grausam und kalt jenes Gros der Menschen aber beispielsweise auch zum Teil mit Tiefen umgeht.(Stichwort Massentierhaltung, „lustige“ Spaß-Safaris, auf denen Tiere aus Hobby für viel Kohle abgeknallt werden dürfen und so weiter Auf das Ausbeuten und Quälen anderer Lebewesen haben insofern wohl nicht nur Narzissten & Ihresgleichen ein Dauer-Abo.
Ja, du hast völlig Recht. Einerseits ist es tatsächlich so, auch, wenn es sich brutal anhört, dass ein pathologischer Narzisst anders ist als ein normaler Mensch. Auf der anderen Seite sind wir tagtäglich von narzisstischen Strukturen umgeben und produzieren sie auch selbst - auch, wenn das keiner vor sich selbst zugeben mag. Menschen, die gerne helfen, sagen meist, dass sie es aus altruistischen Motiven heraus tun, weil sie selbstlos seien. Stimmt nicht. Es verschafft Befriedigung. Und das ist eigennützig. Es ist nicht schlimm, sondern nützlich für alle, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass es ein narzisstisches Handeln ist, bei dem man Befriedigung erfährt, indem man den Mangel des Anderen (be-) nutzt, um diesen auszufüllen und sich hinterher gut zu fühlen. Klingt schlimm, oder? Und trotzdem tut das fast jeder und hat nicht die Chuzpe, das vor sich selbst auch zuzugeben. Nächstes Beispiel: Beziehungen. Mit welchem Recht erlauben wir es uns, von einem Partner zu erwarten, dass er unsere Bedürfnisse erfüllt, und zwar so, wie WIR es gern hätten? Und wer gibt uns das Recht, diesen Partner dann zu maßregeln, wenn er es nicht tut, wie wir es wollen? Und mit welchem Recht ananlysieren wir dessen Problem auseinander, um ihm aufzuzeigen, dass ER es ist, der den Knick in der Optik hat, statt wir? Wer sich Narzissmus in Beziehungen anschauen will, sollte zu IKEA einkaufen fahren. Dort kann man das Live bei jedem zweiten Paar beobachten. Du hast ebenfalls schöne Beispiele angebracht. Die kalte Rationalität, mit der wir achtlos mit Mitmenschen oder Tieren umgehen. Essen einfach wegschmeißen oder moralische Erwägungen einfach abspalten, wenn wir ein Shirt kaufen, das durch Kinderarbeit gefertigt wurde. Dieses Wegwischen der Moral kostet uns nicht mal einen Wimpernschlag.
Und dann maßen wir Menschen es uns an, einen Narzissten als Monster oder Ausgeburt des Bösen zu bezeichnen. Vielleicht wäre das noch ein Gedanke zu deiner Frage, was man aus dem CW-Fall lernen könnte: Dass wir unser Bewusstsein für uns selbst und Andere immer wieder schulen sollten. Offen bleiben sollten für unsere eigenen Abgründe. Pathologischer Narzissmus ist, wie die meisten Störungen, nicht angeboren, sondern sozialisationsbedingt. D.h. es gibt andere Menschen und soziale Kontexte, die es ermöglichen, dass Menschen werden wie sie werden. Prävention hieße, sich bewusst zu werden, dass wir alle diese "anderen Menschen" und "sozialen Kontexte" sind. Dass auch WIR unsere Umwelt prägen. Und da sollten wir uns Mühe geben, möglichst wenig Fußabdrücke zu hinterlassen.