@Spencerstwin Puuh...gute Frage...ganz allgemein gesprochen, wenn man pathologischen Narzissmus unterstellt, dann gibt es vergleichsweise kaum emotionale Skrupel oder "Berührungsängste", die derjenige überwinden müsste, da sein Empathievermögen ja deutlich eingeschränkt ist. Sowas wie "Skrupel" würden eher entstehen beim Abgleich zwischen dem Risiko das eingegangen würde und dem Benefit, den das Ganze hat. Da CWs Selbstbild ja v.a. zu beinhalten schien, v.a. als ein helfender, fürsorglicher Mensch von Anderen wahrgenommen zu werden, könnte schon zu erwarten sein, dass er etwas, das ihn in den Augen Anderer als "Monster" entlarvt, z.B. die Tötung seiner gesamten Familie, lediglich nur dann durchführen würde, wenn der Gewinn enorm groß wäre und/ oder er davon ausgeht, unentdeckt zu bleiben. Würde er einschätzen, dass das Risiko zu groß wäre, dann würde er von der Tat absehen.
Mörder werden i.d.R. auch deswegen so leicht geschnappt, weil sie in ihren Planungshandlungen (also wenn sie sich entschlossen haben, das Risiko einzugehen) nie davon ausgehen, je geschnappt werden zu können. Auch ein path.Narzisst geht grundsätzlich davon aus, dass sein Plan grandios ist und er nie gefasst wird. Dementsprechend würde er auch gar nicht in Betracht ziehen, dass die Kinder z.B. "plappern", d.h. ihn verraten würden. Sondern wenn sie plappern, dann eh nur das, was er ihnen sagt.
Diese kalte Rationalität, mit der er in der ersten Vernehmung sowie der Confession spricht, verleitet mich schon dazu, anzunehmen, dass CW zur Durchführung dieser Taten fähig wäre. "Feigheit" kann man bei ihm ja erst erkennen, wenn es darum ging, dass er Stellung zu etwas nehmen soll, womit er unverhofft konfrontiert wird oder wenn deutlich wurde, dass Andere sein Handeln als widerwärtig betitelten. Wenn etwas also offenbar wurde, was er gern verheimlicht hätte.
Seiner eigenen Ehefrau, die gerade geschäftlich unterwegs ist und von der er weiß, dass sie sich sehr um die Kinder sorgt, wortlos ein Bild zu schicken, auf dem eine Puppe wie eine Leiche drappiert wurde, ist, auch ohne die nachfolgende Tat einzurechnen, extrem brutal, kalt und bedrohlich. Auch in den letzten SMS-Nachrichten, die zwischen CW und Shanann abliefen, kann man diese Kälte ebenfalls gut nachlesen. Und ich sehe Parallelen zwischen dem Gefühl von Kälte wenn ich das Bild ansehe und der Kälte, die es in seiner Schilderung der einzelnen Tathandlungen gibt.
Er war Techniker. Und in einer gleichen technischen Weise beschreibt er sein gesamtes Vorgehen. Nimmt man mal an, dass sein ganzes Vorgehen geplant war, dann müsste man sagen, dass es eigentlich recht geschickt gemacht war. "Technisch" und rational betrachtet hat er an alles gedacht:
- der Lexus hat einen Kofferraum, aber den kann er nicht nehmen, weil andernfalls sein Fernbleiben auf Arbeit aufgefallen wäre
- Er hält seinen Zeitplan ein, um pünktlich an seinem "Arbeitsplatz" zu sein
- Er vermeidet Zwischenstops, da diese durch GPS im Truck gespeichert würden
- Ohne seine Kollegen unnötig oder gar konkret bequatschen zu müssen, sorgt er dafür, dass sie dort erst später auftauchen, als sie es eigentlich wollten
- Er fotografiert IM Truck seinen Laptop, um jederzeit einem Kollegen, der evtl. nachfragt, wo er gerade ist, sofort beweisen kann, dass er mit nichts anderem als Arbeit beschäftigt ist
- Er sieht zu, dass er sofort und zeitnah auf alle SMS und Anrufe reagiert
- er dürfte bewusst entschieden haben, die Kinder in den Tanks zu entsorgen, statt sie zu begraben, da es erstens weniger aufwendig ist, zweitens die Tanks erst Monate später wieder gewartet werden würden (bis dahin wäre fast alles zersetzt). Zudem macht es weniger Arbeit, als ein noch tieferes Loch graben zu müssen.
-Vorm Beladen des Trucks geht er - so wie es aussieht - nur ein einziges Mal durch die Vordertür. Alle weiteren Male betritt er das Haus nur durch die Garage. Wohl wissend, dass jedes Mal, wenn er die Haustür öffnen würde, ein Alert auf seinem und Shananns Handy inkl. Videosequenz gespeichert würde.
Das, was extrem schlecht geplant war, waren alles Dinge, die mit Empathiefähigkeit und emotionalen Skrupeln zu tun haben. Nämlich zu antizipieren, dass er in seinem Plan scheitern könnte. Dass Freunde sich um Shanann sorgen könnten. Dass Anderen ihr Fernbleiben "komisch" (= Gefühl^^) vorkommen könnte. Dass sein hochheiliger Plan überhaupt gestört werden könnte, so dass er nicht mehr in der Lage ist, das Laken, das Spielzeug der Kinder, die Laken daheim sowie Shananns Utensilien sowie den Lexus verschwinden zu lassen (so, wie er es vermutlich geplant hatte). Die Primrose School erst noch misstrauisch zu machen, indem er sagt, die Kinder kämen nicht mehr wieder. Alles Zeichen dafür, dass er über das Empathievermögen, das er nach außen immer zeigte, nicht wirklich verfügte, sich also nicht einfühlen konnte, was und wie Andere wahrnehmen könnten. Er bat Nate, den Nachbarn, im Vorfeld der Tat, seine Garagenkamera bitteschön auf die Straße zu richten, weil es zu Diebstählen gekommen sei. CW scheint davon ausgegangen zu sein, dass Nate das einfach tut, nur, weil der geniale CW das fordert. Hat er aber nicht.
Zum Thema Skrupel auch Folgendes:
Versetzt man sich als Normalo mal in CWs Situation. Es ist eine Uhrzeit, zu der das Viertel gerade am Erwachen ist. Es dämmert bereits. CW fährt seinen Truck in die Auffahrt - so ein Truck ist laut und er ist hell. Vorm Haus ein Haus, links und rechts ebenfalls Häuser. Die Nachbarin ist schon wach und fährt gerade los, als CW seinen Truck in die Auffahrt fährt. Sie hat ihn also gesehen. Bereits an dieser Stelle würde ich mir persönlich in die Hosen machen, wenn ich bedenke, jetzt gleich auszusteigen, um eine Leiche die hellbeleuchtete Auffahrt zum Truck zu tragen. Ich würde wahrscheinlich voller Panik Paranoia schieben, weil ich mir denke, dass mich jetzt wahrscheinlich gerade jeder sieht und hinterm Vorhang lukt. Und dann hat er noch die Eier (sorry), seine Kinder, die in Schlafanzügen gekleidet sind, um diese Uhrzeit in den Truck zu setzen. Mich persönlich würde man nicht nur dreimal, sondern kopflos immer wieder hin- und herlaufend, zerstreut die Auffahrt hoch und runter laufen sehen. Bei CW keine Spur davon. Auch das Tragen der Leiche. Zu diesem Zeitpunkt dürfte schon eine gewisse Steifigkeit des Körpers eingesetzt haben - wenn man bedenkt, dass die Tat ungewollt geschehen sei und er nun erstmals seine tote Ehepartnerin zum Auto trägt...ich wüsste nicht, ob ich da hinterher noch an mein Lunchpaket und den Benzinkanister denken würde.
Dennoch bin auch ich zwiegespalten, ob er wirklich alles allein bewerkstelligte - denn an einigen Stellen seiner Confession, u.a. als es darum ging, Shanann zu vergraben, spricht er in der Mehrzahl: "Wir" statt "ich". Er tut das mehrmals. Es ist lediglich in den Audioaufnahmen zu hören. Wer also ist "wir" ?