GigiNazionale schrieb: Nehmen wir an, das Pfandgeldszenario war so. Dann konnte Herr Straten das Geld nicht zur Bank bringen, da er sonst seinen Anspruch auf Grundsicherung verloren hätte. Er bekam doch Grundsicherung oder?
Bliebe ein Bankschließfach. Meint ihr nicht, dass Herr S. sein Bargeld dann nicht dort untergebracht hätte?
Also: Ich bezweilfe es stark, dass es Geld in derartigen Summen gibt. Lass uns mal überlegen, es gäbe einen nennenswerten Betrag: Aus fällt schon einmal die Bank, aufgrund der Grundsicherung. Möglichkeiten
(a) Bei sich tragen: Risikoreich, da es in der Obdachlosenszene immer wieder Übergriffe gibt.
(b) Bankschließfach: Dann hat man den Schlüssel bei sich, ist also nicht weniger risikoreich, nur für den Täter umständlich.
(c) Bahnhofsschließfach: Ditto, zudem, falls mal die 48 Stunden ablaufen, wird das Schließfach geleert
(d) Versteck: Bleibt ihm nur der öffentliche Raum - das ist recht risikoreich, da man nie weiß, wer, wo, warum etwas sieht und
beobachtet.
Ich würde mich glaube ich für ein Versteck entschließen, das Geld möglichst gut komprimieren (=große Scheine) und eventuell nicht alles an einem Platz verstecken. Alternativ könnte man es ja auch sichern, z.B. losen Mauerstein nutzen, entfernen, Geld dahinter und Stein selbst festbetonieren. Dann ist das Risiko kleiner und ich weiß trotzdem, wo ich suchen muss.
Nala-Nyna schrieb:Also, dieses Geld entwickelt sich langsam zum scheinbaren Strohhalm.
Die Rede war im Ursprungspost von einem fünfstelligen Betrag. Der kleinste fünfstellige Betrag sind 10000. Als Währung nehme ich der Einfachheit halber Euro an. In Worten: Zehntausend Euro!
Jetzt warte ich auf den, der argumentiert, Herr S. habe ja auch weder Miete, noch Nebenkosten oder Abschläge zahlen müssen. Trotzdem ist das schon für einen Bürger mit (fester) Anstellung eine ganz schöne Summe, wenn er nicht grade einen sehr gut bezahlten Job hat. Kann man das vom Flaschensammeln bekommen? Ich habe grade keinen Taschenrechner zur Hand, aber bei Pfandpreise zwischen 15 und 25 Cent pro Item ist das ein lannnnnnnger Weg. Geschnorrt scheint er ja auch nicht zu haben (es würde auch so gar nicht zu seiner feinen und feingeistigen Art passen.) Nun möchte man auch noch essen und trinken. Die Kleidung verorten wir mal als aus der Kleiderkammer. Ein Käffchen gibts im Bioladen um die 2,50 und mit einem Käffchen (selbst mit Milch und Zucker) kommt man nicht durch den Tag.
Freunde von mir in finanzieller Angespanntheit sammeln "professionell" Pfandflaschen. Zunächst ist da das Problem, dass das Einsammeln einer gewissen Logistik bedarf (übrigens: Glasflasche gibt 8 Cent Pfand, Plastikflasche 25 Cent) und auch der Witterung unterliegt - im Sommer gibt es mehr Pfandflaschen zu sammeln als im Winter. Damit das Einsammeln möglichst wenig kostet, machen meine Freunde das mit einem Fahrrad mit Anhänger oder zu Fuß.
Es gibt schon einige "Hotspots", z.B. Parkanlagen, Schulhöfe ... die sprechen sich auch rum. Sie gehen sehr oft samstag- und sonntagmorgens ihre "Hotspots" ab, sehr, sehr früh, da das ja auch andere Leute machen. Zwischendurch findet man schon mal die eine oder andere Flasche, aber reich wird man davon mit Sicherheit nicht. Bei Festivals etc. ist es inzwischen schon sehr oft so, dass es gar keine Flaschen mehr gibt (Sicherheitsgründe), sondern Getränke in Bechern ausgeschenkt werden (oft Mehrweg) wo für ein horrendes Pfand erhoben wird. Also brauchst du ein Festivalticket, gehst aufs Gelände und versuchst, die Becher (oft in Kombination mit einer Pfandmarke) zu sichern. Bei unseren Freunden bringt das Pfandsammeln (zwei Leute, allerdings "nebenberuflich" in guten Monaten 50€ - 200€.
Pipi.Strumpf schrieb:Es war beschissenes Wetter, morgens Schnee, der nachmittags in Regen überging, wenn ich mich recht an die Schilderungen eines Koblenzer Users erinnere. Also war es nasskalt und ungemütlich. Straten geht wie immer morgens Richtung Stadt zum Kaffee trinken und Zeitung lesen. Ein anderer Obdachloser hat die ganze Nacht wegen der Kälte nicht geschlafen, wurde vielleicht auch aus anderen öffentlich warmen Plätzen vertrieben, sieht den Straten da gemütlich im Kaffee sitzen und ist stinksauer. Hat vielleicht selbst schon bei der Friedhofsverwaltung gefragt, ob er auch in der Batterie schlafen kann, aber man will da ja keine ganze Ansiedlung von Obdachlosen, man hat das bei Straten gedudet, er hilft ja auch mal bei den Gräbern, ist höflich und nett, aber die ganze Szene will man dort nicht haben.
Sowas kann ich mir auch vorstellen. Straten belegt seit Jahren einen zentralen, logistisch guten, relativ sicheren und trockenen Schlafplatz. Könnte mir auch vorstellen: Täter wird mitten in der Nacht von seinem Schlafplatz vertrieben, es regnet und er beschließt, den Alternativplatz (Stratens Platz) aufzusuchen. Dann kommt es zu einer Auseinandersetzung. Täter stinksauer ... Situation eskaliert.
Fusiturricula schrieb:Denn genau das stellst du dir leider sehr viel einfacher vor als es ist. Wir haben in Deutschland nach Schätzungen heute nicht von ungefähr nahezu eine Million wohnungsloser Menschen, wobei eine signifikante "Dunkelziffer" anzunehmen ist, zumal vielen (eig.) Betroffenen der Zustand aus verschiedenen Gründen nicht bewusst sein braucht.
Ich habe eine gute Freundin in der Obdachlosenhilfe. Es ist so, dass, wenn jemand kommt und angibt, kein Obdach für die Nacht zu haben, Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt werden, damit die Person nicht abgleitet. Ressourcen stehen nicht immer zur Verfügung. Oft kommt es aber gar nicht zu den Begegnungen mit den Sozialarbeitern - Person versucht sich selbst zu helfen (organisiert billige Unterkunft, zeltet im Sommer, baut heimlich Versteck im Wald).
SomeBee schrieb:Das kann ich bestätigen. Ich habe bis vor kurzem noch in einem Tagestreff für Obdachlose gearbeitet, in dem auch Kleiderspenden abgegeben werden konnten. Was da manchmal gespendet wurde, war besser, als die Sachen der Mitabeiter. Dior, Chanel war sogar mal dabei. Also seine “teure Markenkleidung“ hat mMn nichts zu sagen.
Ja ... so ist es. Es gibt derzeit einen großen Überfluss an Gütern ... oft trösten sich Angehörige nach dem Tod eines geliebten Menschen auch damit, dass seine Besitztümer nun jemand anderem helfen.