falstaff schrieb:Wenn man sich in Europa eine Waffe besorgen will, muss man zwangsläufig mit Kriminellen in Kontakt treten - legal kommt man nämlich nicht wirklich an Pistolen heran. Das würde dann auch die besondere Ausführung der Waffe erklären - das war dann eben eine gebrauchte Waffe, die ihr irgendjemand angedreht hat. Desweiteren würden auch die auffällige Haltung der Waffe sowie der "Testschuss" Sinn machen: Die Frau war einfach ungeübt und sicher unter Stress.
Auch wenn man Deine These selbstverständlich nicht ausschließen kann, interpretiere ich die Indizien anders, nämlich wie folgt:
Das sich das Opfer die Waffe wohl nicht auf legalem Weg besorgt haben kann, ist naheliegend. Dennoch handelt es sich nicht um eine "typische" Schwarzmarktwaffe. Der Aufwand, mit dem die Herkunft der Waffe verschleiert wurde, ist bemerkenswert hoch. Hier wurde nicht einfach eine Seriennummer abgeschliffen, wie es sonst oftmals der Fall ist. Es kommt hinzu, dass die besagte Waffe sehr schwer, unhandlich und -am Zweck gemessen- ziemlich überdimensioniert ist. Der Waffentyp ist ziemlich alt und als Ordonnanzwaffe ist sie in sehr großer Stückzahl auf der Welt verbreitet. Auch das spricht dafür, die Vergangenheit/Herkunft der Waffe möglichst schwer bis unmöglich nachvollziehbar zu gestalten. Insofern spricht die von Dir angesprochene Ausführung der Waffe mMn eben nicht unbedingt für eine typische Hinterhofkanone eines Kleindealers, sondern eher für eine bewusst plazierte Waffe, deren Herkunft unbedingt im Dunkeln bleiben sollte.
Die untypische Handhaltung ist für mich auch nicht unbedingt ein Indiz für einen Suizid. Personen, ohne Erfahrungen mit Waffen und ohne Umgang mit Suiziden/Suizidversuchen neigen eher dazu, ihnen bekannte Praktiken zu kopieren. Diese stammen häufig aus TV/Internet/Medien allgemein. Deshalb wird beispielsweise in Hollywoodfilmen ganz bewusst das Aufschneiden von Pulsadern "falsch" dargestellt, um Nachahmern eine größtmögliche Überlebenschance zu sichern. Die hier im vorliegenden Fall gezeigte Handhaltung ist äußerst untypisch, kompliziert und auch nicht sehr komfortabel, wenn man sich die Größe und das Gewicht der Waffe anschaut. Ich kann mich nicht erinnern, diese Art und Weise je in einem Film/Buch/im TV oder sonstwo gesehen/wahrgenommen zu haben. Wo hingegen der seitlich angesetzte Schuss in die Schläfe sowie nach oben oder gerade gerichtet in den Mund ständig vorkam. Warum sollte sich das Opfer also für ausgerechnet diese spezielle, komplizierte, untypische und sehr unkomfortable Hand-/Waffenhaltung entscheiden ?
Auch den "Testschuss" sehe ich nicht zwingend als eben solchen an. Eine Schussabgabe im geschlossenen Raum ist sehr laut, erzeugt Qualm und -für gewöhnlich- viel Aufmerksamkeit. Sie hätte also -auch als Laie- damit rechnen müssen, aufgrund der Schussabgabe recht bald "Besuch" zu bekommen. Wenn sie Suizid begehen wollte, hätte sie sich damit unnötig unter Druck gesetzt, auch den "Finalen", tödlichen Schuss auf sich selbst abzugeben. Dieses Verhalten ist für Suizidenten ziemlich ungewöhnlich. Davon abgesehen hätte sie den Schuß auch außerhalb des Hotels zu jeder Zeit an jedem Ort abgeben können, um die Funktion der Waffe sicherzustellen. Es war also nicht nötig, hier ein völlig unnötiges Entdeckungsrisiko einzugehen und sich selbst unter sofortigen Zugzwang zu setzen. Schließlich hatte sie sich ja schon vorher viel Zeit gelassen.