Die Anwendung der Isotopenanalyse, wie diese auch im Fall von JF durchgeführt wurde, ist eine relativ neue Methode der Forensik zur Bestimmung der Herkunft einer unbekannten Person. Um die Zuverlässig dieser Methode zu beurteilen, wurden Fallstudien durchgeführt. Eine davon möchte ich euch nachfolgend in einer übersetzten Zusammenfassung vorstellen:
Forensische Isotopenanalyse führt zur Identifizierung eines verstümmelten Mordopfers, von Wolfram Meier-Augenstein und Isla Fraser:
Im Frühjahr 2005 wurde in Dublin am Royal Canal die zerstückelte Leiche eines Mannes gefunden. Es konnte anhand diverser Körpermerkmale festgestellt werden, dass es sich um den Körper eines Mannes mit karibischer oder afroamerikanischer Abstammung im mittleren Alter handelte. Es gab keine Vermisstenmeldungen und übereinstimmenden Fingerabdrücke in der Interpol-Datenbank. Die Ermittler hatten nicht die personellem Kapazitäten, um alle bekannten Fingerabdrücke des Migranten zu untersuchen. Deshalb entschieden sie sich, zunächst eine Untersuchung der stabilen Isotope zu beauftragen und anschließend die Suche zu fokussieren. Wie sich nachträglich herausstellte, wäre diese Untersuchung sämtlicher Fingerabdrücke ergebnislos geblieben, da es sich bei dem Toten um einen illegalen Einwanderer handelte.
Das Labor ermittelte aus den Proben der Haare und Fingernägel die Isotopen-Signatur für Wasserstoff, Kohlenstoff, Stickstoff sowie Sauerstoff. Die Ergebnisse wurden mit freiwilligen Kontrollpersonen aus der Region verglichen. Es konnte festgestellt werden, dass das Mordopfer aller Wahrscheinlichkeit nach mindestens die letzten 7 Monate vor dem Tod entweder in oder um Dublin oder einem anderen Teil von Irland mit einer ähnlichen Isotopen-Wassersignatur gelebt hatte.
Die Zeitlinie basierte auf die bekannte Wachstumsrate für Fingernägel von ca. 3 mm/Monat und die Länge der Fingernägel. Zur Ermittlung der weiteren Lebensgeschichte wurden auch die Knochen des Opfers untersucht und die Ergebnisse mit den Daten der Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) verglichen und berechnet. Die gesuchte Region konnte auf ein Teil der Ostküste Brasiliens, Antillen, Puerto Rico, das Horn von Afrika, die Vereinigte Arabische Emirate und ein Teil des Oman und der Westküste von Indien eingegrenzt werden.
Die obigen Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Opfer vor seinem Tod eine längere Zeit in Dublin gelebt haben könnte, aber ursprünglich aus einer der fünf oben genannten Regionen stammte. Auf Grundlage der Wachstumszeiten des Oberschenkelknochens wurde abgeschätzt, wie lange das Opfer in Irland gelebt haben könnte. Zur weiteren Herkunftsbestimmung wurde ein mathematisches Modell mit den Daten vom inneren Teil des Oberschenkelknochens angewendet.
Um den geographischen Herkunftsort des Opfers mit Dublin zu verbinden wurde ein mathematisches Verfahren (Zwei-Pool-Mischmodell / linearen Regressionsanalyse) unter Verwendung der Daten des inneren Teiles des Oberschenkelknochens angewendet. Es konnte festgestellt werde, dass das Opfer vor 6,3 Jahre +/- 2,9 Jahren nach Irland gekommen war. Nunmehr war es möglich, die ermittelten Werte mit den regionalen meteorischen Niederschlägen basierend auf den Daten des Global Network of Isotopes in Precipitation (GNIP) zeitlich einzugrenzen und zu interpretieren. Als wahrscheinlichste Herkunftsregion wurde das Horn von Afrika d.h. Länder wie Äthiopien, Somalia, Kenia, Eritrea, Uganda, etc. und der östliche Teil des Sudan bestimmt.
Diese Ergebnisse und Schlussfolgerungen wurden der Ermittlungsbehörde mitgeteilt. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Behörden bereits mehrere Hinweise zur Identität des Opfers erhalten. Die Identität konnte schließlich durch eine DNA Analyse eines vom Opfer gezeugten Kindes bestimmt werden.
Quelle:
https://pdfs.semanticscholar.org/0902/0782a9c78960584ba824b47302d860b5c331.pdfDas Opfer Farah Swaleh Noor war zum Zeitpunkt seines Todes 38 Jahre alt. Er kam im Dezember 1996 nach Irland und behauptete, ein Somalier namens "Sheilila Salim" zu sein, dessen Familie während des somalischen Bürgerkriegs in Mogadischu getötet worden war. Nachfolgende Untersuchungen ergaben, dass er tatsächlich Kenianer war und dass seine Familie noch am Leben war. Das Department of Justice, Equality and Law ordnete an, dass er abgeschoben werden sollte, aber er legte Berufung ein und erhielt im März 1999 die irische Staatsbürgerschaft, weil er der Vater eines in Irland geborenen Kindes wurde. Er hatte vier Vorstrafen wegen Vergiftung, Drohung, Missbrauch und Körperverletzung. 1997 vergewaltigte er ein 16-jähriges chinesisches Mädchen mit geistiger Behinderung. Später gebar sie einen Sohn. Zwei weitere Frauen hatten Kinder von ihm und beide beschrieben, von ihm vergewaltigt worden zu sein. Gegen Noor wurden acht Anklagen wegen Ordnungswidrigkeit und Körperverletzung erhoben, von denen eine einen sexuellen Übergriff betraf, bei dem ein Messer am Tatort gefunden wurde. Er wurde dreimal verurteilt, saß aber nie im Gefängnis. Noor lebte in einer Reihe von Gebieten in Dublin, darunter Dún Laoghaire und Firhouse, sowie in der Innenstadt.
Nachdem die Identität des Opfers festgestellt war, wurden die beiden Mörderinnen, die als " Scissor Sisters " bezeichnet wurden, schnell identifiziert. Die beiden Schwestern wurden am 28. Oktober 2006 wegen Mordes und Totschlags verurteilt und schließlich am 4. Dezember 2006 zu lebenslanger Haft bzw. 15 Jahren Haft verurteilt.
Quelle:
Wikipedia: Scissor Sisters (convicted killers)Doku zum Fall (englisch):
https://www.youtube.com/watch?v=cdJuGai7Uow (Video: Shocking Crimes: The Scissor Sisters: The Murder of Farah Swaleh Noor)Die Anwendung der Isotopenanalyse hat sich offensichtlich als ausreichend zuverlässig erwiesen, um die Herkunftsregion einer unbekannten Person zu bestimmen. Bemerkenswert ist, dass die Bestimmung einer Region, in dem sich die unbekannte Person in den letzten Wochen aufgehalten hat, durch die Analyse der Fingernägel bzw. Haare unter Einbeziehung von freiwilligen Kontrollpersonen grundsätzlich möglich ist. Diese Analyse wäre möglicherweise auch im Fall von JF sinnvoll.
Gruß
Lighthouse60