@sterntaucher sterntaucher schrieb:Diese Einschätzung ist noch nicht lange her.Heute erweitert die Staatsgewalt ihre Anklage um genau diesen Punkt:Sector7 schrieb:erweitert um §225 (andere sexuelle Handlungen als Geschlechtsverkehr) im Sinne §216 Vergewaltigung (besonders erschwerende Umstände, 12 Jahre)Kannst du das mit deiner gemachten Einschätzung irgendwie in Einklang bringen?
Ich bin gerade noch dabei, mich einzulesen (bin grad erst rein), daher zunächst eine allgemeine Antwort auf deine Frage:
Das kann insofern in "Einklang" gebracht werden, als dass die juristische Einordnung auf der einen Seite und meine (persönliche) Einschätzung auf der anderen Seite ein und denselben Gegenstand beleuchten. Die juristische Einschätzung von Handlungen folgt anderen Gesichtspunkten, als eine psychologische Einordnung der gleichen Handlungen, die beleuchtet werden. Und unter der Prämisse war und ist mein Posting, das du zitiert hast, auch zu verstehen - nicht anders. Auf diesen Unterschied hatte ich zudem hingewiesen, allerdings wurde das als "unerheblich" abgekanzelt und ins Lächerliche gezogen. Ich freu mich daher, dass du mich offen dazu fragst.
Die juristische Einordnung von Handlungen und Verhaltensweisen orientiert sich an (Grob-)Klassifikationen vorgenommener Handlungen, d.h. Verletzungsbilder an den primären und sekundären Geschlechtsorganen werden Sexualhandlungen zugeordnet, wenn andere "zufällige" (unwillkürliche) oder anderweitig erklärbare Ursachen (z.B. Verletzungen im Rahmen eines mechanischen Unfalls z.B.) ausgeschlossen werden können und sich weitere Indizien (Setting, Instrumente u.Ä.) vorliegen, die der Klassifikation entsprechen.
Obwohl auch im juristischen Sprachgebrauch in diesem Falle dann von "sexueller Motivation" gesprochen wird, ist diese Wendung NICHT synonym und gleichbedeutend zur psychologischen Definition von sexueller Motivation. Die juristische Wendung meint die Zuordnung zu einer Kategorie, OHNE damit den zugrundeliegenden psychischen oder psychopathologischen Handlungsimpuls (= Motivation) näher zu erklären oder zu beschreiben.
Es wird jetzt zwar etwas spezifisch, aber um die allgemeine Unterscheidung etwas klarer darzustellen:
Der seitens der StA im Rahmen der Paragraphen dargelegte Tatvorwurf (Umsetzung einer sexuellen Gewaltphantasie mit Tötung des Opfers) würde psychologisch übersetzt einer primären (Trieb), bewussten (willentlichen) Handlungsmotivation entsprechen. Das wäre eine "Oberkategorie" von Handlungsmotivation. Rein verhaltensbasiert bzw.-analytisch zeigt sich (rein psychologisch betrachtet und nur auf die bis dahin veröffentlichten Infos zu den Stichen/ Areal/ Werkzeuggebrauch) jedoch eine (andere) "Unterkategorie" dieses Handelns: Impulsivität (unbewusste Motivation) und sekundäre Motivation als eine Charakteristik der Interaktion des Täters mit dem Opfer, bzw. seiner Reaktion auf das Opfer. In beiden Belangen zeigt sich mir eine aggressive Motivation, wie ich bereits erwähnte.
Um es allgemeinsprachlich deutlich zu machen:
Ja, offensichtlich und nach außen sichtbar, scheint die allgemeine Motivation eine Sexuelle gewesen zu sein. Ort der Stiche stimmt, Opfer ist weiblich, attraktiv, Setting stimmt, sexuelle Vorliebe des TV stimmt.
Die Frage ist jedoch: Wenn eine sexuelle Motivation DER Antrieb schlechthin für das Handeln des Täters war:
- warum stach er 14 Mal ins Genital, und nicht ein oder zweimal?
- wieso tat er es mit einem Messer und nicht einem anderen, stumpfen Instrument?
- weswegen gibt es einen singulären Stich in den Brustkorb?
- weswegen folgt die Anzahl der Stiche eher einem Exzess ("Aus-Brechen" -> Aggression) im Handeln, wenn es doch "lediglich" um sexuelle Befriedigung geht? usw.
Wozu so kleinlich? - könnte man fragen. Ich persönlich finde diese Unterscheidung und nähere Differenzierung sehr wichtig, weil sie eine nähere Einschätzung bieten kann, WAS und WORIN die HandlungsURSACHE liegen kann, dass es zu dieser Tat überhaupt kam. Waren es tatsächlich Phantasien, Gewalt-Vids und ein geplanter Umstand, dass hier ein Täter endlich das tun konnte, was ihm schon immer "vorschwebte"? Oder liegt die Ursache dafür in einem ganz anderen Bereich, z.B. seiner Persönlichkeit, was womöglich aufzeigt, dass er im Rahmen der Tat etwas völlig anderes ausagierte, als einen sexuellen Trieb?