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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

4.454 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: USA, Mord, 2017 ▪ Abonnieren: Feed E-Mail

"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

18.01.2024 um 23:27
Breaking News. Der Supreme Court hat schon entschieden! Alle drei dürfen bleiben, Baldwin, Rozzi und Gull. Allen darf seine Anwälte behalten, aber auch die Richterin wird nicht suspendiert.
Eine schiftliche Begründung wird noch veröffentlicht.
Supreme court: Delphi murder suspect Richard Allen can keep attorneys judge dismissed

The Indiana Supreme Court on Thursday granted Delphi murder suspect Richard Allen's request to reinstate his original defense team but denied his plea for a new judge.

The ruling came just hours after the justices heard oral arguments on the controversial case. The order did not state reasons for the court's decisions, but said they will be revealed in a written opinion to be issued soon.
Quelle:

https://www.indystar.com/story/news/crime/2024/01/18/delphi-murder-suspect-richard-allen-andrew-baldwin-bradley-rozzi-frances-gull-indiana-carroll-county/72094581007/

Ich höre auch gerade den Murder Sheet Podcast mit einer Analyse der Verhandlung.

https://murdersheetpodcast.com/episodes


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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

19.01.2024 um 00:17
Zitat von Helen559Helen559 schrieb:Alle drei dürfen bleiben, Baldwin, Rozzi und Gull. Allen darf seine Anwälte behalten, aber auch die Richterin wird nicht suspendiert.
Ui, damit hätte ich nicht gerechnet.
Ich finde das eine unglückliche Situation. Irgendwie kann man doch erwarten, dass da ein Vertrauensverhältnis nachhaltig gestört ist zwischen den Parteien. Die Richterin hat den Anwälten schlimme Verfehlungen und Inkompetenz vorgeworfen (die Verfehlungen haben sie ja teilweise durchaus zugegegeben); die Anwälte der Richterin Unparteilichkeit und unlauteres Vorgehen.
Das alles wurde in weiten Teilen öffentlich ausgetragen.

Ich will der Richterin sicher nicht unterstellen, dass die aufgrund einer "Unsympathie" oder weil die nachtragend ist, eine anderes Urteil fällen wird, als wenn sie unbefangener in diesen Prozess gehen würde. Soviel Professionalität traue ich einer Richterin schon zu, zumal das ganze ja besonders in diesem prominenten Fall unter den Augen der Öffentlichkeit stattfindet.
Trotzdem finde ich die Situation recht problematisch.
Aber solche "Empfindungen" kann der Supreme Court natürlich nicht in seine Entscheidungen einfließen lassen. Der entscheidet nur, ob es Prozessfehler und Verstöße gegen geltendes Recht gegeben hat.

Ich fürchte nur, die Verzögerung zu Lasten von RA bleibt damit bestehen. Hätte es diesen Rausschmiss der Verteidiger nicht gegeben, wäre der Prozess jetzt schon fast zur Hälfte durch. Er sollte ja am 8. Januar beginnen und es waren 3 Wochen für die Anhörungen und Verhandlungen angesetzt.


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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

19.01.2024 um 00:37
Zitat von cododerdrittecododerdritte schrieb:Ich fürchte nur, die Verzögerung zu Lasten von RA bleibt damit bestehen. Hätte es diesen Rausschmiss der Verteidiger nicht gegeben, wäre der Prozess jetzt schon fast zur Hälfte durch. Er sollte ja am 8. Januar beginnen und es waren 3 Wochen für die Anhörungen und Verhandlungen angesetzt.
Ja, aber nun könnte es doch schon in 70 Tagen weitergehen. Die Verzögerung ist dann ja nicht mehr so wahnsinnig groß.
Aber natürlich wird das ein schwieriger Prozess für alle Parteien. Besonders für Rozzi und Baldwin. Hoffentlich wird das nicht allzu problematisch.


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19.01.2024 um 01:05
Zitat von cododerdrittecododerdritte schrieb:Ich will der Richterin sicher nicht unterstellen, dass die aufgrund einer "Unsympathie" oder weil die nachtragend ist, eine anderes Urteil fällen wird, als wenn sie unbefangener in diesen Prozess gehen würde. Soviel Professionalität traue ich einer Richterin schon zu,
Und das Urteil fällt sie ja nicht, sondern die Jury.
Und ich revidiere, dass es für Baldwin und Rozzi besonders schwer wird. Sie ist jetzt genauso angeschlagen. Und eigentlich wird es für McLeland ein sehr schwerer Job mMn.


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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

19.01.2024 um 04:26
So, ich komme leider erst jetzt aus meiner Kanzlei und kann erst jetzt die Aufnahme der Anhörung auf court tv anschauen. Was wir hier erleben, ist eine typische Anhörung vor einem höchsten Gericht. Man muss dazu folgendes wissen: eine solche Anhörung dient nicht dazu, einen gestellten Antrag in aller Ausführlichkeit darzustellen, denn das erfolgt vor der Anhörung bereits schriftlich. Die Richter kennen also die Begründungen beider Seiten ganz genau. Eine mündliche Anhörung dient dazu, dass die Richter Fragen stellen können, die sich ihnen aus dem Lesen der Anträge gestellt haben. Das erklärt warum man das Gefühl haben kann, als Laie, dass die Richter den Anwälten ins Wort fallen und diese gar nicht irgendwie ausführlich ihre Seite darstellen können. Das stimmt und das ist so gewollt. Es soll hier nur noch um Fragen gehen, welche die Richter nach dem Lesen der Anträge noch haben.

Das Ganze findet dann auf einem extrem hohen juristischen Niveau statt. Ich kann sagen, dass die Situation, auf einmal vor einer Gruppe von fünf oder gar neun brillianten Juristen zu stehen, die mich mit Fragen bombardieren, stressiger ist, als das juristische Staatsexamen, das man als Student abgelegt hat. Wer hier nicht superschnell super viel juristisches Wissen abrufen und in überzeugende Worte kleiden kann, geht rettungslos unter.

Daraus ergibt sich wiederum, dass hier mit juristischen Fachbegriffen und so weiter herumgeworfen wird, die allen Beteiligten bekannt und völlig klar sind, den Laien aber vielleicht ratlos zurücklassen. Zum Beispiel hat die erste Befragung immer wieder die Begriffe "waiver" und "ineffectiveness" hervorgebracht: das sind die entscheidenden Rechtsgrundsätze, um die es hier geht, das ist den Beteiligten von vorn herein klar.

Wie ich früher schon dargestellt hatte, geht es im Kern um die Frage, ob RA hier in seinem verfassungsmässigen Recht begrenzt wurde, selbst zu bestimmen, wer ihn vertreten soll. Ein Angeklagter hat nach der Verfassung das Recht auf kompetente, effektive Verteidiger. Wird ihm dies genommen, ist das ein absoluter Revisionsgrund. Die Richterin, die hier eigenmächtig die Verteidiger entlassen wollte, hat behauptet, seine Verteidiger seien ineffektiv, also inkompetent.

Einer der Richter bringt seine Zweifel aber früh auf einen guten Punkt, er fragt: "Handelt es sich denn hier wirklich um Ineffektivität und damit Inkompetenz, oder vielleicht nicht einfach darum, dass die Anwälte sich gegen die Richterin auflehnen und ihr nicht gehorchen (insubordination)? Das aber wäre kein Grund, RA seine Anwälte gegen seinen Willen zu entziehen. Im Prinzip ist genau das die Argumentation von RAs Vertretern hier: selbst wenn RA sehen muss, dass seine Anwälte die Richterin reizen, und eventuell deswegen die Richterin gegen ihn eingestellt sein könnte, solange er sich dessen im Klaren ist, kann er das freiwillig in Kauf nehmen (waiver). Das bedeutet nicht, dass die Anwälte inkompetent sind, sie könnten in ihrem Vorgehen Gründe haben.

Die Gegenseite, also der Vertreter der Richterin sagt dagegen, dass das Recht des Angeklagten seine Verteidiger selbst zu wählen gar nicht so weitreichend ist, sondern die Richterin muss das Recht haben, ihre Ansichten durchzusetzen, egal welche das sein mögen. Die Richter reagieren darauf extrem skeptisch, vor allem die Vorsitzende. Der Anwalt aber argumentiert weiter, dass dieses Gericht hier sich gar nicht in einen Streit in der Tatsacheninstanz einmischen sollte. Wenn der Angeklagte verurteilt würde, hätte er dann schliesslich genug Möglichkeit, Revision einzulegen. Auch hier reagieren die Richter, meiner Meinung nach zu Recht, skeptisch und scheinen nicht davon überzeugt zu sein.

Die vorsitzende Richterin geht darauf aber nicht weiter ein, sondern kritisiert sehr stark, dass die Richterin hier nicht einmal eine Anhörung ansetzte, sondern einfach aus eigenem Antrieb hier die Entlassung der Verteidiger anordnete. Zu Recht kritisieren die Richter das hier, denn es ist in der Rechtsprechung normalerweise immer so, dass beide Seiten die Gelegenheit haben, ihre Meinung in einer Anhörung darzulegen, bevor ein Gericht eine Entscheidung fällt.

Der Anwalt versucht dann die Nichtexistenz einer Anhörung den Verteidigern selbst in die Schuhe zu schieben, aber die Richter erlauben das nicht weiter zu diskutieren, sondern wollen dann von diesem Anwalt hören, wo denn hier die Ineffiktivität und Inkompetenz der Verteidiger liegen soll? Der Anwalt verliert sich dann in seiner Antwort irgendwo darin, dass die Richterin das "Gefühl" hatte, diese Verteidiger seien inkompetent. Das befriedigt die Vorsitzende aber ganz und gar nicht.

Das einzige, was der Anwalt immer wieder behauptet ist, dass die umstrittene Veröffentlichung der bekannten Einzelheiten genug Inkompetenz beweise. Die Richter allerdings folgen dem absolut nicht und fragen ihn ganz klar: wieso sollte dieser Fehler am Rande das Recht von RA aufheben, seine eigenen Verteidiger zu wählen? Wo überhaupt nicht klar ist, dass diese Veröffentlichung irgendwie zu RAs Schaden war!

Die extrem unbefriedigende Antwort des Anwalts: "wir wissen doch gar nicht, was RA wirklich wil." Das ist natürlich Unsinn. Er macht es ja klar: ich will meine ursprünglichen Anwälte behalten!

Auch Anwältin Sanchez, die ebenfalls die Seite der Richterin vertritt, hat keine Antworten auf diese entscheidenden Fragen, sondern verliert sich wieder in dem Argument, dieses Gericht hier sollte sich damit gar nicht beschäftigen, sollte RA verurteilt werden, könne er das alles in der Revision vorbringen. Die trockene Frage der Vorsitzenden daraufhin: wo ist das Problem, wenn wir die Sache hier und heute entscheiden? Darauf aber stammelt die Anwältin meiner Meinung nach herum und wiederholt nur, man wisse doch gar nicht, was RA wirklich wolle.

Die Vorsitzende bringt alles wieder zur Grundfrage zurück: es hat ihrer Meinung nach noch nie einen Fall gegeben, wo eine Richterin einfach und ohne Anhörung Verteidiger entlassen habe. Wieso soll man ihr das durchgehen lassen? Auch darauf hat Anwältin Sanchez keine Antwort, trotz vieler Worte.

Spätestens an diesem Punkt war mir als Beobachter klar, wie das Gericht entscheiden würde. Aber noch hat RAs Anwalt Leeman das letzte Wort. Er zitiert noch einmal RA klipp und klar, dass RA seine Anwälte behalten will. Und er sagt ganz klar: die Richterin muss diesen Wunsch respektieren!

Meine Meinung war ja schon vorher klar: Die Richterin hat hier rechtswidrig gehandelt. Offensichtlich ist die Sache den Richtern ebenso klar gewesen, denn sie haben noch heute einen entsprechenden Beschluss gefasst. Das kommt selten vor, meistens beraten sich die Richter tage-, manchmal wochenlang. Das zeigt m.E. wie klar die Sache ist.

Danke fürs Zuhören (lesen). :D


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19.01.2024 um 09:21
Ich bin hier seit vielen Jahren nur stiller Mitleser, aber ich möchte mich hier echt mal bei Rick_Blaine bedanken für die unheimlich vielen informativen, kompetenten und unaufgeregten Informationen aus den tiefen der Juristerei. Merci :)


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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

19.01.2024 um 10:23
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Danke fürs Zuhören (lesen). :D
@Rick_Blaine Wie immer ganz herzlichen Dank für deine äusserst kompetenten Erläuterungen!

Eine Frage an dich als Anwalt, wenn du dich in die Position der Strafverteidiger versetzt: Würdest du nach dieser Vorgeschichte vorbehaltlos dem weiteren Verlauf des Prozesses entgegebsehen wenn sowohl Anwälte als auch Richterin involviert bleiben? Oder belastet so etwas nach deiner persönlichen Erfahrung am Ende auch mit hoher Wahrscheinlichkeit den Prozess?


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19.01.2024 um 11:28
Zitat von KaietanKaietan schrieb:Eine Frage an dich als Anwalt, wenn du dich in die Position der Strafverteidiger versetzt: Würdest du nach dieser Vorgeschichte vorbehaltlos dem weiteren Verlauf des Prozesses entgegebsehen wenn sowohl Anwälte als auch Richterin involviert bleiben? Oder belastet so etwas nach deiner persönlichen Erfahrung am Ende auch mit hoher Wahrscheinlichkeit den Prozess?
Na ja, ich wäre wohl schon etwas angespannter. Aber als Juristen sollten alle darüber stehen, auch die Richterin, die natürlich auch damit rechnen muss, von jetzt an unter genauester Beobachtung zu stehen.

Am Besten wäre freilich, wenn die Richterin von sich aus das Verfahren abgeben würde.


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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

19.01.2024 um 12:48
Wirklich eine sehr gute, super tolle, perfekte Erklärung und Analyse der ganzen Verhandlung von @Rick_Blaine! Hundert mal besser als der Murder Sheet Podcast :D Vielen lieben Dank auch von mir!

Was sind denn das für arme Anwälte, die diesen schweren Job übernehmen? Haben die eine besondere Spezialisierung dafür und ist das ein besonderes Rechtsgebiet?

Vom Murder Sheet Podcast kann ich nur berichten, dass die Sprecher als Prozessbeobachter wieder vor Ort waren und berichten, dass fast alle "Stakeholder" in diesem Prozess gestern gekommen sind und anwesend waren: Rozzi und Baldwin, Staatsanwalt McLeland, von der Polizei Douglas Carter und Jerry Holeman, die Großeltern von Libby. Richterin Gull und Richard Allen aber nicht, und auch nicht seine Frau.


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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

20.01.2024 um 00:51
Zitat von Helen559Helen559 schrieb:Was sind denn das für arme Anwälte, die diesen schweren Job übernehmen? Haben die eine besondere Spezialisierung dafür und ist das ein besonderes Rechtsgebiet?
Ja, in der Regel sind das Anwälte die sich auf "appellate law" spezialisiert haben, also auf Praxis vor Revisionsgerichten. Das ist zwar kein spezielles Fachgebiet, aber an guten Hochschulen mag man da schon einige Seminare belegt haben. Man braucht auch eine spezielle Zulassung, die ist allerdings nicht so schwer. Man muss das juristische Argumentieren lieben, und das ist ja anders, als das Argumentieren vor Juries, die man mit zuviel juristischem Fachwissen eher verschreckt. Man muss wissenschaftliche Recherche lieben.

Der generelle Unterschied zwischen der Praxis in der Tatsacheninstanz und der Praxis in den höheren Instanzen, vor allem vor den höchsten, ist, dass es es in den höchsten Instanzen immer auch um das "Recht" im weiteren Sinne geht, und nicht mehr ausschliesslich um den Einzelfall. Die Richter haben immer die Bedeutung ihrer Entscheidungen für das gesamte Rechtswesen in Zukunft im Blick und daher muss man das als praktizierender Anwalt vor so einer Instanz ebenfalls im Blick haben und dementsprechend argumentieren.

Anwältin Sanchez im vorliegenden Fall arbeitet bei der Generalstaatsanwaltschaft, da findet man viele solche Revisionsanwälte, da der Generalstaatsanwalt fast ausschliesslich bei Revisionen aktiv wird und den Staat vertritt.

Matt Gutwein, der Vertreter der Richterin war ebenfalls früher in seiner Karriere bei der Generalstaatsanwaltschaft.

Mark Leeman, der Anwalt Allens, war jahrelang Assistent einiger Richter an Revisionsgerichten.

Alle drei haben also lange Erfahrung mit Revisionen.


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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

20.01.2024 um 21:12
Vielen Dank @Rick_Blaine!
(Gestern abend war ich leider schon zu müde, denn eine einfache Danksagung wird ja gelöscht, man muss immer etwas mehr schreiben.)

Das Wichtigste an der Supreme Court Anhörung nach Deiner vorigen Zusammenfassung (und mit der kann man die Anhörung jetzt auch viel besser verstehen), ist aus meiner Sicht, dass nicht nur der Verfahrensfehler bei der Absetzung und die Verletzung des Rechts des Angeklagten durch die Absetzung geltend gemacht werden.

Auch wenn die Begründung des Urteils noch aussteht - in der Anhörung wurde (natürlich) auch der zugrunde liegende Vorwurf der Absetzung
thematisiert: "gross negligence", also grobes Fehlverhalten (entweder grobe Fahrlässigkeit oder grobes Verschulden), und Inkompetenz - und angezweifelt.

Den Leak ordnen die Obersten Richter nicht als einen so gravierenden Fehler ein, der eine Absetzung erforderlich machen oder rechtfertigen würde, weil es in diesem Fall auch auf der anderen Seite schon einige Leaks gab. (Und nicht nur in diesem Fall, das passiert, wie ich gehört habe, wohl häufiger).

Und die Veröffentlichung der unter Verschluss gehaltenen Informationen im Memorandum als Verstoß gegen die Gag Order ordnen sie genau so ein, wie Rozzi und Baldwin sie auch vertreten und verstanden wissen wollen: als bewussten Widerstand (insubordination) gegen die richterliche Anordnung.

Und zwar, weil sie den Staatsanwalt einer Falschbeschuldigung und Vertuschung von Informationen beschuldigen. Also eigentlich auch gross negligence, auch wenn sie den Begriff nicht verwenden, also entweder grober Fahrlässigkeit oder groben Verschuldens, sie sprechen von Inkompetenz oder bewusster Täuschung.

Aber im Unterschied zu Richterin Gull und Staatsanwalt McLeland haben sie den Vorwurf mit einer riesigen Fülle von belegten Informationen aus Polizeiakten im ungewöhnlich umfangreichen Memorandum untermauert.
Und wenn man das Memorandum mit seiner immensen Fülle an Details gelesen hat, was die Richter wohl getan haben, kommt man aus meiner Sicht eigentlich nicht umhin, diese Vorwürfe ernst zu nehmen und prüfen zu wollen.

Und das Entscheidende ist eben: die Vorwürfe wurden bisher in keinem einzigen Punkt mal kurz und knackig sachlich, argumentativ widerlegt. Das ist es wohl, worauf die Richter jetzt hinaus wollten. Dass da endlich mal inhaltlich was kommt, was die Inkompetenz der Anwälte Baldwin und Rozzi aufzeigt und belegt. Aber dahingehend kommt eben einfach: garnichts.

Es wurde nur argumentiert, das gehört hier nicht hin. Aber die Behauptung der Inkompetenz OHNE Belege ist eine reine Behauptung. Und eigentlich auch eine leider eher schmutzige Methode: ein Totschlagargument, um jemanden unglaubwürdig erscheinen zu lassen und lächerlich zu machen, und total unsachlich.

Die Vorwürfe von Rozzi und Baldwin sind natürlich harter Tobak und mögen auch vielen hier im Thread immer noch unglaubwürdig und verrückt erscheinen. Aber so sieht es nunmal aus. Das ist es, was Baldwin und Rozzi vertreten und womit man sich nun - im Prozess oder wie beabsichtigt schon in einem Franks Hearing - auseinandersetzen muss.

Das haben die Richter aus meiner Sicht anerkannt und klargestellt. Mal sehen, ob sie es auch so begründen.

Und finde es auch nur gerecht und auch sachlich geboten, dass die Anwälte, die so viel Arbeit geleistet haben, das jetzt auch fortführen und durchfechten können. Auch, weil sie einfach sehr tief im Fall drin und am Besten informiert sind. Dass ein neues Team sich das alles jetzt in allen Einzelheiten neu aneignet hätte, wäre kaum möglich gewesen.


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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

20.01.2024 um 22:21
Edit: ich muss mich korrigieren, das kam jetzt wahrscheinlich falsch rüber. Sicher hast Du Recht, dass die ersten beiden Punkte: die Verletzung des verfassungsmäßigen Rechts auf die Wahl des Anwalts und der Verfahrensfehler, dass keine Anhörung stattfand, höher gewichtet werden.
Das war ganz bestimmt ausschlaggebend für das noch dazu so schnelle Urteil.
Aber dieser dritte Punkt kommt vielleicht auch noch hinzu, da der eben auch thematisiert wurde.


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20.01.2024 um 23:29
Zitat von Helen559Helen559 schrieb:Und das Entscheidende ist eben: die Vorwürfe wurden bisher in keinem einzigen Punkt mal kurz und knackig sachlich, argumentativ widerlegt. Das ist es wohl, worauf die Richter jetzt hinaus wollten. Dass da endlich mal inhaltlich was kommt, was die Inkompetenz der Anwälte Baldwin und Rozzi aufzeigt und belegt. Aber dahingehend kommt eben einfach: garnichts.
Rein inhaltlich hat das in dieser Anhörung aber auch nichts zu suchen. @Rick_Blaine hatte es ja schon oben geschrieben:
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Der generelle Unterschied zwischen der Praxis in der Tatsacheninstanz und der Praxis in den höheren Instanzen, vor allem vor den höchsten, ist, dass es es in den höchsten Instanzen immer auch um das "Recht" im weiteren Sinne geht, und nicht mehr ausschliesslich um den Einzelfall.
Der Supreme Court prüft nicht, wer die besseren Argumente hat, sondern nur, ob das Vorgehen juristisch korrekt und durch die Prozessordnung und/oder andere Gesetzen gedeckt war. Es kam bei der Überprüfung deshalb nicht darauf an, ob die Punkte, die sie in dem Memorandum aufgeführt haben, inhaltlich stimmen oder nicht. Selbst wenn offensichtlich gewesen wäre, dass sie in dem Memorandum nur Märchen aufgetischt haben, hätte das die Entscheidung des Supreme Court nicht beeinflusst, wenn dieser festgestellt hätte, dass die Absetzung ohne Anhörung nicht rechtens war.

Ich denke, dass es gut ist, dass die ganze Sache vor den Supreme Court gebracht worden ist. Hätte RA die Absetzung seiner Anwälte trotz seines Antrags auf deren Wiedereinsetzung erst mal akzeptiert, hätte später das Risiko bestanden, dass dies ihm einen Grund für eine Revision für das spätere Urteil geliefert hätte. Er hätte dann argumentieren können, dass er die ersten Anwälte hatte behalten wollen, was ihm aber verwehrt wurde und er dadurch in seinem Recht auf angemessene Verteidigung vor Gericht beschränkt worden wäre. Wahrscheinlich hätte er damit auch ganz gute Chancen gehabt und dann hätte der ganze Prozess ggfls. widerholt werden müssen.
Und umgekehrt gilt sogar auch das gleiche. Theoretisch hätte er sich, wenn Rozzi und Baldwin nach dem Leak gar nicht erst abgesetzt worden wären, nach einem Urteil darauf berufen können, dass die beiden durch den Leak entscheidende Pflichten als seine Anwälte versäumt hätten und er deshalb keine kompetente Verteidigung hatte.

Jetzt ist eindeutig klargestellt, dass er genau diese beiden Anwälte haben wollte, obwohl er deren Versäumnisse kannte und dass er sie auch bekommen hat. Insofern macht es das ein ganzes Stück sicherer, dass ein späteres Urteil zumindest aus diesen Gründen nicht mehr angefochten werden kann.


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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

20.01.2024 um 23:40
Ja genau. Nun ist diese unrühmliche Sache geklärt. Es ging dabei nicht um irgendetwas fallspezifisches, also ob die Behauptungen der Verteidigung in Sachen Memorandum stimmen oder nicht usw. Es ging um die Absetzung der Anwälte und ob das widerrechtlich war. Es wurde deutlich gemacht, dass die Richterin hier ihre Autorität überschritten hatte, und zwar vermutlich - noch kennen wir die schriftliche Begründung ja nicht - in zweierlei Hinsicht: Prozedual, weil sie der Entscheidung keine Anhörung voranstellte und materiell, weil das angebliche Fehlverhalten der Anwälte einen solchen radikalen Schritt nicht rechtfertigte.

Es gibt ja durchaus andere Möglichkeiten, Anwälte zu sanktionieren, vom Ordnungsgeld bis zur Meldung an die Anwaltskammer. Das wären potentiell harte Sanktionen, die aber nicht so radikal das Recht des Angeklagten beschneiden.

Und natürlich bleibt die Frage, ob "grobe Fahrlässigkeit" (gross negligence) wirklich so hart sanktioniert werden sollte. Denn Vorsatz liegt bei grober Fahrlässigkeit eben nicht vor.

Mal sehen, wie es weitergeht. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem "memorandum" wird für die Staatsanwaltschaft unvermeidbar.

@Helen559 Den Richtern war der Inhalt des umstrittenen memorandums vermutlich schon sehr gut bekannt und sie werden sich selbst fragen, was denn nun die Staatsanwaltschaft dazu sagt


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24.01.2024 um 11:27
Staatsanwalt McLeland hat beantragt, die Anklage gegen RA zu rweitern. Bisher lautete die Anklage gegen ihn nur, er habe die beiden Mädchen gekidnapt, was das später zu ihrer Ermordung geführt hat. Das besagte nicht, dass er die Mädchen eigenhändig getötet hat. Das Kidnapping war aber ein wesentlicher Schritt bei der Ermordung, so dass er juristisch zu ihrer Tötung beigetragen hat und deshalb auch als Mörder angeklagt wurde.
Der genaue Wortlaut der Anklage lautete bisher entsprechend "two counts of murder while committing or attempting to commit kidnapping".

Die neu beantragten Anklagepunkte lauten dagegen auf "two new counts of murder". Laut McLeland würden die neuen Anklagepunkten die von den Ermittlern erhobenen Beweise präziser darstellen.

Die alten Anklagepunkte bleiben parallel bestehen. Für eine Verurteilung nach diesen muss die Anklage nur beweisen, daß RA die Mädchen gekidnappt hat und dieses Kidnapping in direktem Zusammenhang mit ihrer Ermordung steht.
Für einen Schuldspruch zu den neuen Anklagepunkten muss dagegen bewiesen werden, dass RA selbst die Mädchen getötet hat oder zumindest maßgeblich daran beteiligt war.
McLeland hat dafür offenbar ausreichend Beweise.

https://nypost.com/2024/01/19/news/delphi-murders-suspect-richard-allen-slapped-with-additional-murder-kidnapping-charges/


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24.01.2024 um 13:58
Richterin Gull hat gestern entschieden, dass die Hausdurchsuchung bei RA rechtens war. Damit sind die dabei gewonnenen Indizien und Beweise für den Prozess verwertbar.
Das bezieht sich vor allem auf die bei der Durchsuchung gefundene Pistole, über die RA mit dem Tatort in Verbindung gebracht werden kann.

Der Antrag auf ein Franks hearing ist damit abgelehnt.

https://www.21alivenews.com/2024/01/23/judge-rules-evidence-found-inside-delphi-murders-suspects-home-can-be-used-trial/

https://www.wrtv.com/news/delphi/court-denies-franks-hearing-in-richard-allen-case


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25.01.2024 um 17:38
William S. Lebrato und Robert C. Scremin haben beim Gericht beantragt, als RAs Verteidiger abgezogen zu werden, das seine beiden ursprünglichen Anwälte Rozzi und Baldwin ja wieder als seine Verteidiger eingesetzt worden sind.

https://www.953mnc.com/2024/01/24/court-appointed-attorneys-for-delphi-suspect-submit-motion-to-withdraw/


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"Snapchat-Killer" Mordfall Liberty German & Abby Williams

25.01.2024 um 19:34
Zitat von cododerdrittecododerdritte schrieb:William S. Lebrato und Robert C. Scremin haben beim Gericht beantragt, als RAs Verteidiger abgezogen zu werden, das seine beiden ursprünglichen Anwälte Rozzi und Baldwin ja wieder als seine Verteidiger eingesetzt worden sind.

https://www.953mnc.com/2024/01/24/court-appointed-attorneys-for-delphi-suspect-submit-motion-to-withdraw/
Danke @cododerdritte

Dieser Prozess wäre bereits viel weiter, wenn dieses Hickhack
mit der Richterin & Co nicht stattgefunden hätte.
Anstatt mit Weit,- & Klarsicht zu agieren in einem offenem Gespräch,
damit alle Beteidigten nicht noch länger und unnötig leiden müssen.
Manchmal denkt man, wieso schnell, wenn es auch kompliziert geht!


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29.01.2024 um 16:05
RAs neue alte Anwälte Balwin und Rozzi haben beantragt, Richterin Gull wegen Befangenheit durch einen anderen Richter zu ersetzen.

https://fox59.com/indiana-news/citing-concerns-about-bias-delphi-suspect-richard-allens-attorneys-again-seek-removal-of-special-judge/


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30.01.2024 um 02:25
“At every stage, from now until the conclusion of this case, the actions and rulings of the court will be scrutinized through the lens of Judge Gull’s error in severing Richard Allen’s attorney-client relationship with his chosen lawyers,” the motion said.
Quelle: https://fox59.com/indiana-news/citing-concerns-about-bias-delphi-suspect-richard-allens-attorneys-again-seek-removal-of-special-judge/

Genau das sagte ich ja schon bei Bekanntgabe der Entscheidung des Obersten Gerichts. Wenn die Richterin nur ein wenig Vernunft hat, dann tritt sie selbst von diesem Fall zurück - in ihrem Interesse. Denn von jetzt an wird man mit der Lupe jede Regung, Aussage, Handbewegung und so weiter genauestens beobachten.

Na ja, man wird sehen.


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