Grillage schrieb:Mich hat von RAs Schuld vor allem überzeugt, dass er nach 5 1/2 Jahren bei seiner Vernehmung als er danach gefragt wurde spontan noch sagen konnte, was er an genau diesem Tag getan hat, wann er bei seiner Mutter losgefahren ist, welche Route er genommen hat, welche Kleidung er getragen hat, wem er wo begegnet ist, wo welche fremden Autos geparkt waren.Ich kann Dir nicht sagen, welche Klamotten ich am letzten Freitag getragen habe. Und wenn ich sagen müsste, um wie viel Uhr ich an dem Tag von einem Besuch bei einer Freundin losgefahren bin, müsste ich sehr lange überlegen und versuchen, es an irgendwelchen Umständen zu verankeren und könnte dann nur einen groben Rahmen nennen.
Erstmal zum restlichen Posting: da kann ich dir in ganz vielen Punkten zustimmen. Jetzt aber nochmal zu diesem Punkt. Ich könnte dir mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen welche Jacke ich bei nem Ausflug in freien im Januar in den letzten Jahre anhatte. Da gibt es nämlich nur eine. Auch an entsprechende Schuhen wüsste ich definitiv welche Stiefel ich anhatte. Auf jeden fall könnte ich eine Vermutung machen. Und wenn ich wandern gehe, ziehe ich auch eher ne Jeans an. Zudem hat RA dann sicher bald das Bild von BG gesehen, wusste also dass er was ähnliches an hatte wie der vermeintliche Mörder. Das hätte sich mir definitiv ins Gehirn eingebrannt. Vor allem hätte ich mich dann ja auch gefragt, ob die mich dann nicht auch als Täter in den Blick nehmen. Dann hätte ich mir schon überlegt, wie an dem Tag alles ablief, ob er das dann hundertprozentig korrekt rekonstruieren konnte wissen wir nicht.
Übrigens hat er bei dieser Befragung ja nicht alles richtig beantwortet. Wusste also keineswegs alles noch genau. Passt doch gut dazu, dass er ein paar Monate nach der Tat dachte: upps vielleicht halten die mich irgendwann für den Mörder, schließe sehe ich dem schon etwas ähnlich, hatte ähnliche Kleidung an, war zu der Zeit am Trail. da muss ich mir Gedanken drüber machen, wie das genau ablief.
Grillage schrieb:Einer der Gefängniswärter oder der Warden haben in dem Prozess gesagt, dass sie es recht häufig zu Gesicht bekommen, dass sich Inhaftierte in der eigenen Sch... wälzen oder sie essen. Das ist weder so außergewöhnlich noch ist es ein Anzeichen einer Psychose. Viele Menschen würden viel Sch... essen, wenn sie dadurch eine Chance sehen, um einen lebenslange Haftstrafe in einem US-Gefängnis drumrumzukommen.
Das mag stimmen. Wobei auch in anderen Fällen, wo Leute Scheiße essen und Wärter das beobachten, psychsische Probleme vorliegen dürften. Gefängniswärter sind auch nicht immer nur die empathischsten Personen. Tatsächlich sehe ich die Scheise aber auch eher als ziemlich nebensächliches Argument an. Die wichtigen Punkte habe ich ja auch genannt.
Grillage schrieb:Wenn RA nicht der Täter war, aber den Van gesehen hat, wieso hat er dann den Mord an den Mädchen nicht verhindert?
Ist es tatsächlich so, dass man den Van auf der ganzen Strecke bis zum Haus ausschließlich von Punkten einsehen kann, von denen man auch den Tatort gut einsehen kann?Aber vor allem: Versuch doch mal das andere Problem zu erklären. Wenigstens ein paar Ansätze. Irgendwas. Von mir aus: RA hat sich gedacht, Mist, ich habe jetzt gestanden und hat dann Scheiße gegessen, damit er sagen kann, ich war ja psychisch krank. Er hatte die Geistesgegenwart und Selbstkontrolle das immer wieder zu tun, obwohl er nicht die Selbstkontrolle hatte damit aufzuhören zu gestehen, obwohl er das ja eigentlich nicht wollte. Okay. Er hatte, während er gestanden hat, die Selbstkontrolle, sich zu sagen: "ich bau jetzt noch alle möglichen falschen Geständnisse ein, damit man die später widerlegen kann und dann klar ist, dass meine Geständnisse falsch sind." Die Selbstkontrolle und Geistesgegenwart nicht zu gestehen, hatte er in den exakt gleichen Momenten allerdings nicht. Von mir aus. Außerdem hatte er die Selbstkontrolle, kein einziges zutreffendes Detail zu schildern. Okay. Sagen wir mal das ist alles völlig in sich stimmig und schlüssig und ergibt ohne psychische Beeinträchtigung total Sinn.
Tatsächlich kann ich so einer Position hier zustimmen:
klara.verstand schrieb:Hätte ich ein Geständnis gemacht, das ich danach bereue, würde ich es entwerten, indem ich nachher ganz viele wirre und widersprüchliche Geständnisse mache, insb zu Dingen, die ich nachweislich nicht begangen habe.
Ich glaube nicht, dass ein normaler Mensch unter normalen Umständen etwas gesteht, das er nicht begangen hat. Was anderes gilt, wenn er psychisch vorher labil war oder die Einvernahmen unter Bedingungen erfolgten, unter denen man zu Aussagen genötigt wird, oder eine Kombination aus beiden.
Ich will damit nur sagen, dass ich nachweislich falschen Geständnisse auch nicht zwingend so deute, dass sein ursprüngliches Geständnis wertlos ist.
Diese Punkte stellen das erste Geständnis in Frage, aber es nicht "zwingend" wertlos. Kann ich schon mitgehen. Aber das "ursprüngliche Geständnis" wo er erstmals sagt "ich hab's getan" ist nun Mal das erwiesen falsche mit dem weißen Van.
Dann weiß ich halt immer noch nicht wieso er die Geschichte mit dem weißen Van erfunden hat.
Hat er geglaubt, dass es so war? Wie erklärst du das ohne psychische Beeinträchtigung? Hat er sich gedacht: "Hmm, ich behaupte jetzt, dass der Ablauf so war, weil das ein falscher Ablauf ist, und später kann man dann beweisen, dass der Van 10 Minuten später da vorbeifuhr, weil anhand der Handydaten der beiden weiß man exakt, wo ich jeweils war, und aufgrund einer Kamera weiß man, wann das Auto vorbeifuhr." -> das ergibt doch keinen Sinn.
Und woher wusste er in beiden Erklärungen, dass der Van da vorbeifuhr? Denn es stimmt zwar, dass wie equinoxx geschildert hat in früheren Berichten von einem weißen Van die Rede war, aber von keinem, der diese Straße entlang fuhr. Hat er sich zufällig aausgedacht, dass der Van ungefähr zu der Zeit zufällig vorbeifuhr? Aber wieso hat er sich das ausgedacht?
Wenn das !einzige! Detail aus 61 Geständnissen erwiesenermaßen falsch ist, ist dann nicht die einfachere Annahme, dass die Geständnisse falsch sind?
Grillage schrieb:So, wie sie es vorgetragen haben, hat es offenbar die Jury nicht überzeugt.
Erst widersprichst du mir immer wieder, dass die Jury die Geständnisse überhaupt gewertet haben muss und meinst, dass das unklar sei. Und jetzt müssen sie diesen spezifischen Aspekt ganz genauso bewertet haben wie du es tust? Man kann sicherlich sagen: die Jury wird in der Gesamtheit der Beweisstücke RA als schuldig angesehen haben. Man kann auch sagen, die drei großen Komplexe (Geständnisse, Patrone, Zeugenaussagen) werden zumindest von einzelnen Jurymitgliedern bei ihrer Urteilsfindung irgendwie berücksichtigt worden sein. Man kann aber nicht schlussfolgern, dass jeder einzelne Punkt von der Jury als Indiz für RAs Schuld gewertet wurde.
Vor allem wissen wir jetzt ja, dass das mit dem Van Schwachsinn war, während die Jury davon ausgehen musste, dass es sich um Täterwissen handelte. Schließlich wurde ja verhindert, dass RLs erste Aussage in den Prozess eingeführt wurde und die Kameraufnahmen spielten ebenfalls keine Rolle. Die Jury hat ja hier einen nahezu gegenteiligen Sachverhalt bewertet: ihr würde präsentiert, dass RA ganz klar Taterwissen hatte, während wir jetzt wissen, dass das einzige ausführliche Detail definitiv falsch war. Sie hat also das, was wir jetzt wissen, schlicht niemals bewertet.
Ich möchte hier zudem auf eine Episode des Murder Sheet Podcasts verweisen, wo eine Jurorin interviewed wurde. Da kommt raus, dass 1. der white van eine entscheidende Rolle bei der Verurteilung spielte und 2. das Beweisstück Patrone aus Sicht der Jury entkräftet wurde. Damit ist übrigens auch klar wieso die Verteidigung keine eigene Untersuchung finanziert hat (neben dem Finanziellen): es war gar nicht nötig. Ebenso wurde SC nicht als verlässliche Zeugin angesehen, wofür ich ja auch schon früher plädiert habe.
https://murdersheetpodcast.com/podcast/murder-sheet/episode/the-delphi-murders-first-person-a-juror-part-oneEin paar Infos gibt es auch hier:
The jurors also weighed the defendant’s reference to a white van that drove by at the time of the attack, a detail investigators said only the killer would know.
The juror said the jury disregarded evidence of a bullet investigators found at the crime scene and linked to Allen’s gun, finding the science of tool marks unconvincing.
Greenlee said the jurors dismissed the testimony of Sarah Carbaugh who became combative with Baldwin under cross examination of her account of seeing the suspected killer, Bridge Guy, walking along a nearby county road after the murders.
Quelle:
https://fox59.com/news/juror-in-delphi-murders-trial-talks-about-historic-case/Das mit dem Van kommt im Podcast aber noch stärker rüber.