max63 schrieb:Aber es ist nicht so, dass die Post wegen der fehlenden Postleitzahl zu spät zugestellt wurde, oder?
Doch, wegen der fehlenden PLZ erfolgte die Zustellung verspätet. Die PLZ wäre eine relevante Adress-Information gewesen, nicht die Berufsbezeichnung. Daran kann man erkennen, wie wichtig den Tätern die Ablenkung war. Egal, wen man hier als Täter sieht, alle hätten die
richtige Schreibweise der Straße (die beginnt nämlich am Ende vom Seeweg) und damit verbunden auch die PLZ gekannt, aber nur bei einem Täterkreis kann man davon ausgehen, dass er sämtliche Infos über Ursula bereits besaß UND sie absichtlich nicht nutzte, weil er von seinem Vorwissen ablenken wollte.
Das ist ein starkes Indiz auf Vorwissen. Im Zusammenhang mit den gezielten, sehr aufwendigen und zeitintensiven Vorbereitungen, dem Postieren mit mehreren Leuten im Wald mit Maske und Betäubungsmittel und dem hohen Risiko, ohne konkretes zu erwartendes Opfer erfolglos zu bleiben, sehe ich ein Zufallsopfer als sehr unwahrscheinlich an.
monstra schrieb:Familie Herrmann war weder reich noch berühmt (wie in vielen anderen Entführungsfällen) und hätte niemals 2 Mio. DM aus eigenen Mittel begleichen können.
Ein Opfer aus der Mittelschicht ohne übermäßiges Vermögen ist kein Argument pro Zufall, denn ausschlaggebend für die Wahl aus Tätersicht muss ja nicht großer Reichtum gewesen sein, sondern Gelegenheit und Erfolgsgarantie beim Zugriff. Geldbesorgungsmöglichkeit (Freunde, Staat, Kirche, Hypothek) kann bzw. wird unterstellt worden sein.
monstra schrieb:Die Ausstattung der Kisten war nicht für ein Mädchen konzipiert, sie hätte genauso auf einen Jungen gepasst.
Dagegen spricht das Wort Tochter, das wie alle anderen Wörter aus einer Zeitschrift Ende Mai stammte. Das Sammelsurium von Heften (Comics, Liebesromane, Western) sowie der Jogginganzug (blaues Oberteil, rote Hose) lässt nur den Schluss zu, dass man dem Kind Lesestoff und wärmere Kleidung bieten wollte.
Das ist kein pro-Zufall-Argument, sondern neutral.
monstra schrieb:Auch wenn Ursula kein Zufallsopfer war, so war es an diesem Tag reiner Zufall, dass sie dort entlangfuhr.
Sie hatte doch Turnen.
monstra schrieb:Ob Ursula an diesem Tag auf diesem Weg unterwegs war, konnte Mazurek nicht sicher wissen, selbst wenn er sie schon im Sommer dabei beobachtet hätte, wie sie am Dienstag zur Turnstunde fuhr. Dazwischen lagen die Sommerferien. Und ab diesem Tag besuchte sie eine andere Schule in Landsberg.
Ein Schulwechsel hat zunächst mal rein gar keinen Einfluss auf vereinsmäßige Freizeitveranstaltungen. Solche Vereinsaktivitäten finden unabhängig von der Schule statt und meistens nicht in den Ferien, weil die Trainer dann auch Urlaub machen. Ein Anruf beim Verein oder ein Besuch bei der Halle und man weiß über alles Bescheid.
ErwinKöster schrieb:Stimmt nicht. Wichtigstes Indiz warum das so war war der Umstand, dass die Telefonnummer der Herrmanns mit Zeitungsausschnitten vom 16.9. eingeklebt wurde und nicht von Ende Mai.
Das hatte ich erklärt. Den Herrmanns die eigene Telefonnummer mitzuteilen, war überflüssig. Es ist daher nicht fernliegend, dass Mazurek diese absichtlich mit Buchstaben aus der Zeitung
nach der Entführung vervollständigte, es handelte sich dann um das gleiche Ablenkungsmanöver wie bei Angabe des Berufs und absichtlichem Falschschreiben der Straße (Ursula lebt, ahnungslose und ortsunkundige Täter).
Der Umstand ist also in beide Richtungen interpretierbar und kein pro-Zufall-Argument.
robernd schrieb:Warum erfolgte die Entführung genau an der Stelle, an der sich regelmäßig die LEH-Schüler treffen?
Wegen der kürzesten Verbindung zum Kistenvergrabeort. Entweder wusste Mazurek nicht, dass sich die Schüler dort treffen, weil in den Sommerferien, als er dort die Vorbereitungen traf, keiner war oder er wusste es und wollte auch aus diesem Grund möglichst Ursulas erste Turnstunde nutzen, bevor der Platz nach Schulbeginn wieder verstärkt von den älteren Schülern genutzt wird.
Phisch schrieb:Wenn die Adresse von Familie H nicht im Telefonbuch war, wäre der Hinweis der Identifikation über die Berufsbezeichnung natürlich geschwächt, da die Täter dann diese anders hätten beschaffen müssen oder eben schon kannten.
Das wurde ermittelt, Seite 298 im Urteil: Die Adresse stand nicht im Telefonbuch. Die Berufsbezeichnung "Lehrer" wird auch nicht im Telefonbuch gestanden haben, wir haben darauf jedenfalls rein gar keinen Hinweis. Mazurek kannte aber die Adresse und den Beruf, wenn er Ursula als Opfer vorher ausgewählt hatte.
monstra schrieb:Gezielt ein Lehrerkind zu entführen und 2 Mio. zu erpressen bedeutet jedenfalls, länger auf das Geld warten zu müssen und ggf. hingehalten zu werden mit Begründungen, es dauere länger, bis "Kirche oder Staat" das Geld zur Verfügung stellen.
Für den Fall war die Kiste stabil und haltbar konzipiert und die schnelle Erreichbarkeit praktisch.
monstra schrieb:Oder der dicke Mazurek lungert vor der Turnhalle herum und kuckt sich genau die Kinder an, die da rein oder raus gehen. Das wäre auch 1981 aufgefallen. Ebenso absurd.
Mir scheint, du hast keine Erfahrung mit Vereinsaktivitäten von Kindern und Erwachsenen in Sporthallen. Die verschiedenen Trainingstermine reihen sich in der Regel aneinander, es ist häufig ein Kommen und Gehen. Als der Betrieb noch lief, vor der Coronazeit, standen bei uns immer Erwachsene vor und in der Halle herum, die man kennt oder auch nicht kennt. Trainer, Erwachsene, die selbst Training haben, Mütter und Väter, die auf ihren Nachwuchs warten, ihre Kinder bringen und dann evtl. noch eine rauchen oder sich unterhalten. Da fällt überhaupt keiner auf, der da herumsteht. Nicht zu vergessen - es gibt Mittäter(innen), die das Auskundschaften auch übernommen haben können.
monstra schrieb:Nur die Frage, ob Ursula das Kind war, das ausgekundschaftet wurde, oder Ersatz war, das halte ich nicht für absurd.
Ursula fuhr dort nicht zufällig lang, weil ihr nach einer abendlichen Radtour war, sie hatte einen festen Termin und sie war das einzige Kind mit Termin zu der Zeit auf der Strecke. Jemand der derart vorbereitet und organisiert plant, ein Kind zu entführen, plant nicht nur Briefe, Versteck, Verbringung, Versorgung, Erpressung und Geldübergabe, er plant auch ein in die Kiste passendes Opfer mit ein.
monstra schrieb:Scheuklappengefahr besteht auch, wer buchstabengetreu an den Feststellungen des Urteils hängt.
Wie lautet die Alternativthese ohne Scheuklappen? Ist es die mit der Testlackierung auf der Abdeckhaube, der italienischen Fräsmaschinenfirma PAMA und dem Baumdiagramm der Oberstufe? Gibt es noch irgendwelche sinnvollen Indizien für andere Täter, die die Ermittler, Mazurek und sein Anwalt und Michael Herrmann übersehen haben?