AnnaKomnene schrieb:Koenntest Du das mit der Gesamtlaenge des Drahtes noch mal idiotensicher erklaeren?
Das ist nicht so einfach, weil die Ermittler und Gutachter die von ihnen verwendeten Begriffe beliebig durcheinander geworfen haben. Kriminalbeamten und Schülern sei das verziehen. Ein Gutachter sollte die Unterschiede zwischen Leitung und Draht jedoch kennen. Prinzipiell habe ich damit kein Problem, solange klar ist, was gemeint ist. In unserem Fall muss man die zugehörigen Texte mehrmals lesen, um zu verstehen, was Sache ist. Ich probiere es einmal der Reihe nach.
Definitionen im Sinne der Elektrotechnik:
- Draht: Ein sehr lang gezogenes zylindrisches Stück Metall aus Kupfer zum Leiten von Strom. Ein Draht ist recht steif und nur wenig flexibel.
- Litze: Ein Bündel aus mehreren feinen, verseilten/verdrillten Drähten. Je feiner die Drähte sind, desto flexibler ist die Litze. Die feinen Drähte sind in der Regel nicht voneinander isoliert.
- Ader: Ein mit einer Isolation umhüllter Draht oder eine mit einer Isolation umhüllte Litze.
- Leitung: In der Regel ein Bündel aus mehreren Adern. Die sind miteinander verseilt und meistens mit einem gemeinsamen Mantel versehen. Ein spezielles Beispiel ist die Signalleitung im Wald.
Fest verlegte Leitungen sind recht starr und enthalten Adern aus Draht. Bewegliche Leitungen sind flexibel und enthalten Adern aus Litze.
- Aderleitung: Eine Leitung, die nur aus einer Ader besteht.
- Kabel: Eine Leitung, die durch widerstandsfähige Ummantelung gegen äußere Einflüsse geschützt ist. Z.B. Erdkabel zur Versorgung einer Ortschaft oder Überseekabel. Etwas schlampig werden auch Leitungen oft als Kabel bezeichnet.
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Klingeldraht: Dieser Begriff soll wohl ausdrücken, dass es sich um einen billigen unbehandelten Kupferdraht handelt, der aber isoliert ist. Ein einzelner Klingeldraht ist also eigentlich eine Aderleitung. In der Regel sind zwei Klingeldrähte miteinander verseilt/verdrillt, das wäre dann eigentlich eine Klingelleitung (trotzdem noch als Klingeldraht bezeichnet).
Dieses Material wird zur Verwendung für elektrische Klingeln verwendet. Der Durchmesser des enthaltenen Kupferdrahtes beträgt 0,8 mm.
- Telefondraht: Ist dem Klingeldraht ähnlich, allerdings ist der enthaltene Kupferdraht verzinnt. Die meisten Telefondrähte haben nur einen Durchmesser von 0,6 mm.
- Isolation: Die Umhüllung eines Drahtes oder einer Litze aus einem Material, das keinen Strom Leitet. Deshalb gibt es keine elektrische Verbindung, wenn sich Adern berühren.
Bei der im Wald verlegten Signalleitung bzw. "Klingeldraht" handelt es sich um eine Leitung aus zwei Adern aus (isoliertem) Klingeldraht. Klingeldrähte im Handel sind in der Regel Leitungen aus zwei miteinander verdrillten Adern ohne gemeinsame Ummantelung. In diesem Fall haben beide Adern unterschiedliche Farben. Die Täter haben aber einzelne grüne Aderleitungen beschafft und selbst verseilt/verdrillt. Das ist praktisch die einzige Möglichkeit, eine Leitung aus zwei grünen Adern zu erhalten.
Abmessungen:
Laut Gutachten besteht die verlegte Signalleitung aus zwei grünen Adern. Allerdings haben die Täter keine ausreichend langen Aderleitungen gehabt. Deshalb ist jede der beiden Adern aus vier Teilstücken zusammengesetzt. An den Verbindungen der Teilstücke wurde die Isolation entfernt und die jetzt blanken Drähte irgendwie umeinander genudelt. Zwischen den Zeilen lese ich heraus, dass alle Verbindungsstellen ursprünglich mit Isolierband verklebt waren.
Teilstücklängen der ersten Ader: 0,65 m - 27,09 m - 60,42 m - 51,40 m (zusammen 139,56 m)
Teilstücklängen der zweiten Ader: 0,78 m - 27,10 m, 61,68 m - 50,00 m (zusammen 139,56 m)
Entsprechend der bekannten Skizze beträgt die Länge der Signalleitung ca. 80 m. Es wäre noch zu verstehen, dass die zwischen den Bäumen verlegte Leitung fast doppelt so lang ist.
Die Schüler, die die Leitung aus dem Wald geholt haben, sagen aus, dass sie die Leitung dabei im Frühjahr 1982 auf einen Holzstab gewickelt haben. Anschließend haben sie die Leitung auf der 100-m-Bahn ihres Sportplatzes ausgelegt. Dabei war die Leitung ca. 80 m lang. Zuletzt haben sie die ausgelegte Leitung auf ein vorbereitetes Holzbrett gewickelt. Dort sei sie unverändert geblieben, bis sie die Leitung der Polizei übergeben haben.
Beim Auslegen der Leitung auf einer 100-m-Bahn sollte es kein Problem sein, zu erkennen, ob sie deutlich kürzer oder länger als 100 m ist. Damit aber habe ich ein Problem. Hatte die Signalleitung einen Abzweig, also drei Anschlusspunkte? Die Schüler konnten sich recht schlecht erinnern, ob die Leitung aus einer oder zwei Adern bestand. Falls sie einen Abzweig hatte, hätten sie vielleicht auch teilweise vier Adern parallel aufgewickelt. Die angedeutete Verzweigung in der Skizze stellt nur zwei alternative Endpunkte dar.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mann wir Werner M. alle (oder zumindest mehrere) Verbindungsstellen mit Isolierband abgeklebt haben soll. Er sollte eigentlich wissen, dass dies überflüssig ist.
Die Schüler sagten weiterhin aus, dass sie beim Aufwickeln im Wald mehrere grün-gelbe Isolierbandstücke abgezogen hätten, die porös waren. Offenbar sind aber zwei längere gelbe Isolierbandstücke an der Leitung geblieben (120 mm und 135 mm). Von denen sei wiederum eines nicht vom Isolierband im Transistorradio nicht zu unterscheiden gewesen (oder doch beide?).
Der elektrische Widerstand der Signalleitung lässt sich berechnen und messen. Für eine Länge von 140 m je Ader ergibt sich rechnerisch ein widerstand von 4,7 Ohm. Das Gutachten gibt einen Messwert von 4,8 Ohm an. Das liegt innerhalb der Toleranzen eines Kupferdrahtes. Für beide Adern zusammen ergibt sich damit ein Widerstand von 9,6 Ohm. Dieser Wert ist interessant, um zu überlegen, welches Signalgerät eventuell verwendet wurde.
Eine Taschenlampenglühlampe (2,5 V; 0,2 A) hat einen Widerstand von 12 Ohm. An der üblichen 3-V-Batterie betrieben, bekäme sie noch einen Strom von 0,13 A statt der 0,25 A in einer Taschenlampe. Damit würde die Glühbirne nur ziemlich dunkel vor sich hin glühen. Als Signalgerät bei Tageslicht wäre sie kaum geeignet.
Damit eine Glühlampe geeignet wäre, müsste eine Batterie mit höherer Spannung verwendet werden. Selbst bei einer handelsüblichen 4,5-V-Batterie (Flachbatterie) wäre sie noch dunkler als in der Taschenlampe. Kleinere Summer, Sprechanlagen oder Telefone dürften problemlos funktionieren.