@zweiter So ist es. Das ist der Unterschied zwischen echten Ermittlern, die immer wieder ihre eigenen Theorien in Frage stellen müssen und Alternativen durchdenken, und den Allmyermittlern, denen es in erster Linie darauf ankommt, Recht zu haben. Das sehen wir ja in anderen Threads auch.
Hier haben wir ein bestimmtes set Fakten:
1) Der Wagen muss zwischen Karsamstag Morgen gegen 9 Uhr und Karsamstag abend den Parkplatz vor dem Haus 669 verlassen haben, denn am Abend sah ihn der Bruder der Vermissten dort nicht mehr.
2) Der Wagen kann frühestens am Karsamstag morgen nach dem Abschied vom Bruder und spätestens eine Woche später, als der Postbote den Wagen meldet, auf dem Gemeindehausparkplatz abgestellt worden sein.
Das ist der Rahmen, den die Fakten vorgeben. Die Aussage des Bruders, den Wagen am Abend nicht mehr vor Haus 669 vorgefunden zu haben, nehmen wir mal als gesichert an. Sie wurde u.a. sehr zeitnah getätigt, sobald die Suche nach BA begonnen hatte.
Dazu kommen jetzt noch zwei Zeugenaussagen/Indizien:
A) Der Brötchenkäufer meint, lange nach dem eigentlichen Tag der Beobachtung, sich zu erinnern, den Wagen bereits sehr früh am Karsamstag morgen neben dem Gemeindehaus gesehen zu haben. Er glaubt sich zu erinnern, dass es vor 10 Uhr gewesen ist. Als Anhaltspunkt hat er seinen Brötchenkauf.
Bis zur Beobachtung des Postboten eine Woche später ist der Wagen keinem anderen Zeugen aufgefallen.
B) Das im Fahrzeug befindliche Handy wurde gegen 14 Uhr in den Flugmodus gestellt.
Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten:
M1) Das Fahrzeug wurde am Karsamstag Morgen vor 10 Uhr auf den Parkplatz am Gemeindehaus gefahren.
Wenn nicht ermittelt wurde, dass sich das Telefon irgendwie automatisch umschaltete, muss eine Person gegen 14 Uhr - oder später - das Telefon entweder im Fahrzeug umgeschaltet haben oder das Telefon ins Fahrzeug gelegt haben.
Niemand hat das beobachtet.
Man kann nun unter der Prämisse, dass M1 stimmt, folgende weitere Möglichkeiten in Erwägung ziehen:
M1-1: BA bleibt in oder an ihrem Fahrzeug zwischen ca 10 Uhr und ca 14 Uhr stellt dann das Telefon um und verschwindet dann irgendwie. Der Zeuge von M1 hat vermutlich nicht beobachtet, ob eine Person im Fahrzeug gewesen ist oder nicht.
M1-2: Das Fahrzeug wird vor 10 Uhr auf dem Gemeindehausparkplatz verlassen, und eine unbekannte Person - BA oder ein Täter- kehrt gegen 14 Uhr zurück, stellt das Telefon um, und verschwindet wieder.
M1-3: Das Fahrzeug wird vor 10 Uhr auf dem Gemeindehausparkplatz verlassen. Eine unbekannte Person oder BA nehmen das Telefon mit. Gegen 14 Uhr wird dieses umgestellt. Irgendwann innerhalb der Woche vor dem Auffinden wird dieses in das Fahrzeug gelegt.
M2) Nimmt man an, dass Zeuge M1 sich aber geirrt hat, entweder in der Uhrzeit, oder im Tag seiner Beobachtung, zum Beispiel weil er jeden Tag dort Semmeln einkauft und nicht mehr genau weiss, ob er am Karsamstag oder vielleicht doch am Dienstag oder gar am folgenden Samstag die Beobachtung gemacht hat, oder er gar ein ganz anderes Fahrzeug dort gesehen hat, dann könnte das Szenario anders aussehen:
M2-1: Das Fahrzeug verlässt den Parkplatz Haus 669 erst gegen 14 Uhr, fährt bis zum Gemeindehaus, dort wird das Telefon umgestellt und alles zurückgelassen.
M2-2: Das Fahrzeug verlässt früher, irgendwann nach der Verabschiedung von BA vom Bruder das Haus 669, fährt an einen bisher unbekannten Ort, und kommt gegen 14 Uhr am Gemeindehaus an, dort wird das Telefon umgestellt, alles wird zurückgelassen...
Nun haben wir also schon 5 verschiedene Szenarien, die alle möglich sind. Ein Ermittler fragt nun nach der Wahrscheinlichkeit.
Dabei fällt auf, dass zwei als relativ unwahrscheinlich herausstechen: M1-2 und M1-3: Warum sollte eine Person das Fahrzeug dort verlassen und später mit dem umgeschalteten oder wegen dem umzuschaltenden Telefon noch einmal zurückkehren?
Das bedeutet, dass unter den 5 Szenarien jetzt 3 in die engere Wahl kommen:
M1-1, M2-1 und M2-2. Nun ist wieder zu fragen, welches ist wahrscheinlicher? Und da beginnt man M1-1 in Frage zu stellen: Warum sollte BA oder eine andere Person mehrere Stunden lang am Fahrzeug bleiben?
Und man bleibt bei der Theorie, dass die Umschaltung des Telefons es wahrscheinlich macht, dass sich Zeuge M1 geirrt hat. M2-1 und M2-2 legen nahe, dass das Fahrzeug erst gegen 14 Uhr am Gemeindehaus angekommen ist.
Wer genau gelesen hat, wird wissen, dass noch weitere Szenarien in Frage kommen: kein Zeuge ausser M1 hat das Fahrzeug eine Woche lang bemerkt. Wenn M1 sich geirrt hat, und das Telefon seit Karsamstag 14 Uhr nicht mehr ortbar war, dann könnte:
M3) auch möglich sein: Das Fahrzeug wurde erst an einem der anderen Tage oder am Karsamstag erst nach 14 Uhr am Gemeindehaus abgestellt.
Und so ist es kein Wunder, dass die Polizei bisher nicht sagen kann, dass sie irgendein Szenario bevorzugt.