Ich will noch einmal auf das Datum der Vermisstenmeldung eingehen.
Als der 15. August geisterte schon länger durchs Forum – die Foristin, die neulich den hörzu-Artikel einstellte, hatte es zuvor schon verlauten lassen. Ich hatte damals auch eher an eine Druckfehler oder schlampige Recherche geglaubt. Aber der Wortlaut lässt eigentlich beides wenig glaubhaft erscheinen :
„Die Polizei ermittelte: am 15. August 1974 war die junge Frau als vermisst gemeldet worden. Dann aber stellte sich heraus, dass sie genau in dieser Zeit zwei Tage mit einem Bekannten im Schwarzwald verbracht hatte. Am 17. August hatten sich die beiden getrennt.“Das „es stellte sich heraus“ macht deutlich, dass der Autor sich des Widerspruchs bewusst war -- und ihn hervorheben wollte. Das spricht schon mal nicht für einen Recherchefehler. „Genau in dieser Zeit“ lässt auf ein Intervall zwischen 15. Und 17. schließen - das Intervall, das wir auch dem XY-Film entnehmen. „Am 17.“ Hätte er sicherlich nicht zweimal hintereinander geschrieben, ohne es zu betonen: „Ebenfalls am 17.“ oder „Genau an jenem 17.“, etwas in der Art. Für einen Druckfehler bliebe dann nur der 16.
(Und dieses Datum wäre mir offengestanden lieber !)
Wie kann man aber den 15. erklären ?
nephilimfield schrieb:Vielleicht hat sie gar nicht erzählt, dass sie am 15. kommen wird, sondern es sollte eine Überraschung werden?
Das wäre möglich. Hilft uns aber nicht viel. Denn allen beiden,
sowohl dem Ehemann
als auch der Mutter, wird Ursula Jahn die Anreise nicht verschwiegen haben. Wir hätte der XY-Film sonst als Faktum mitteilen können: „Ursula Jahn …
will an diesem Tag nach Krefeld fahren, um ihre Tochter zu sich zu holen.“ Hätte man das nur aus der Erzählung Manfreds gewusst, wäre es, ähnlich wie seine Hilfe beim Umzug, wohl mit dem Kommentar versehen worden: „wie er aussagt“. Entweder war also die Mutter im Bilde oder der Ehemann oder beide – und damit sind wir in bezug auf das Datum der Anzeige genauso schlau wie vorher.
Denn verwunderlich ist natürlich schon, dass man das angekündigte Kommen nicht erstmal abgewartet hätte, bevor man sich zu einem solchen Schritt entschloss. Und wenn man die Entfernung Lörrach-Krefeld bedenkt (550 km!) ist es in der Tat unwahrscheinlich, dass in diesem Fall die Anzeige noch am gleichen Tag erfolgt wäre. Man bedenke: 550 km - das sind schon mal 5 ½ bis 6 Stunde reine Fahrtzeit - Verzögerungen durch Staus, Tanken, Rasten etc. nicht mitgezählt. Angenommen, Ursula Jahn hätte für diesen Tag ihr Kommen angekündigt, aber nicht, wann sie losfahren würde, hätte bei ihrer Mutter kaum vor dem späten Nachmittag oder Abend Unruhe aufkommen können. Bei einer Panne mitten auf der Autobahn wäre seinerzeit ein telefonisches Benachrichtigen so ohne Weiteres nicht möglich gewesen; auch das hätte jemand, der eine Ankunft erwartete, berücksichtigen müssen. Der Betreffende hätte sich dann vielleicht Sorgen gemacht, dass etwas hätte passiert sein können. Aber dass er allein aus diesem Grund sofort losgezogen wäre und eine
Vermisstenanzeige erstattet hätte, scheint doch nicht gerade naheliegend.
Am ehesten könnte ich mir daher eine Erklärung vorstellen, die den von
@Nightrider64 formulierten Gedanken aufgreift :
Nightrider64 schrieb:Vielleicht war Ursula ja auch in der Zeit psychisch so labil, das die Mutter sich aus diesen Gründen Sorgen machte.
Es gab ja da so eine Andeutung in der Anmoderation von Ede Zimmermann
Die Andeutung lautete – nicht von Ede, aber im Off-Kommentar - , dass „Ursula Jahn in eine tiefe seelische Krise geraten war, bevor sie verschwand.“
Daneben gab es bezüglich des Datums noch eine weitere Angabe, die für den Zusammenhang Bedeutung besitzen könnte – die nämlich, dass sich Ursula Jahn am Tag zuvor - also am 14. August – von ihrem Mann getrennt habe.
Ein Zufall ? Wie muss man sich diesen Akt der Trennung vorstellen ? Wahrscheinlich doch weniger als irgend etwas Juristisch-Offizielles - eher wird es wohl einfach eine Nachricht von Ursula Jahn gewesen sein, vermutlich schriftlicher Art. Darin wird sie dem Ehemann ihren zuvor bereits getroffenen Beschluss mitgeteilt haben.
Der Hinweis auf eine „seelische Krise“ lässt es dabei für mich denkbar erscheinen, dass diese Nachricht irgend etwas Beunruhigendes enthielt – etwas, das auf eine psychische Ausnahmesituation oder gar auf eine Suizid-Absicht hinwies. Ich sage mal so: Vielleicht konnte man ja aus dem allgemeinen Tenor der Zeilen (etwa dem Doppelsinn einer Wendung wie „Ich mache Schluss“ - um es mal etwas plakativ zu illustrieren) eine Tendenz in dieser Richtung herauslesen, möglicherweise in Anbetracht bereits vorausgegangener Andeutungen, die Ursula Jahn gemacht hatte. Mag sein, man hielt die Ankündigung der Abholung des Kindes vor diesem Hintergrund bereits für obsolet und entschloss sich darum, die Anzeige sofort zu erstatten, weil man das Schlimmste befürchtete.
Dass zumindest
diese Befürchtungen unbegründet gewesen waren, hatte sich im nachhinein bekanntlich herausgestellt - dennoch blieb in der Film-Handlung der Hinweis auf die seelische Krise erhalten. Er wirkt auf diese Weise etwas erratisch – denn das in den Filmszenen gezeigte Verhalten Ursula Jahns verweist in keiner Weise darauf. Und auch für die konkreten Fahndungs-Fragen ist die Angabe eigentlich ohne Belang.
Ich denke aber, für die Sache mit der Vermissten-Anzeige könnte die Erklärung in dieser Richtung zu finden sein.